Ein neuer Aussichtspunkt für Barcelona:
Schon immer wollte ich die oberste Etage der Torre Glòries, ehemals Torre Agbar, besuchen, dieses phallusförmige Gebäude, das die Skyline Barcelonas prägt. Doch bislang waren nur die Bürogebäude der städtischen Wasserwerke (Aguas Barcelona) dort untergebracht und Besichtigungen nicht möglich. Nun hat ein privates Unternehmen dort oben einen Aussichtspunkt eingerichtet und den Besuch mit einer Ausstellung im Untergeschoss zu einer Barcelona-Experience ausgebaut. Denn ehe es ganz nach oben geht, muss man zunächst in den Keller hinabsteigen. Dort erwarten vier verschiedenen Installationen die neugierigen Gäste. In mehreren Sprachen, multimedial und interaktiv präsentiert, gibt es Bilder, Töne und Informationen über Barcelona: Wassertemperatur, CO2 Ausstoß, Verkehrsbewegungen, abgesandte Tweets und Baumbestand.
Als Kontrast zu der Fülle von Daten und Informationen über die Atmosphäre oder die Winde, kommt ein anderer Teil der Ausstellung ganz ruhig und auf eine angenehm traditionelle Art daher: In über 100 kleinen Glasvitrinen sind die Lebewesen der Stadt als Origami-Faltkunst zu sehen. Joan Sallas hat mit weißem Papier das Leben des „Habitats Barcelona“ auf eine kreative, stille Weise nachgestellt. Neben Spinnen und Insekten hat er sogar an die Läuse gedacht. Obwohl es sich wahrlich nicht immer um „Schönheiten“ handelt, wirken diese weißen Wesen fast schon beruhigend.
Dann geht es zur Aussichtsplattform hinauf. Ein Fahrstuhl mit durchsichtigem Glasdach ermöglicht den Blick auf den 125 Meter langen Weg nach oben, sodass man den schnellen Sprint in schwindelerregende Höhe mitverfolgen kann. Ein bisschen wie im Metrotunnel, nur dass wir uns hier nicht vertikal, sondern horizontal bewegen.
Torre Glòries
Von Jean Nouvel 1999 entworfen, zwischen 2001 und 2005 errichtet, reckt sich die Torre Glòries auf 35 Etagen und erreicht eine Höhe von 144,44 Metern. Neben Jean Nouvel war Fermín Vázquez (von b720 Arquitectos) einer der verantwortlichen Architekten. Die ungewöhnliche Form soll dem mächtigen Gebäude die Massigkeit nehmen und es dynamischer wirken lassen. Im Gegensatz zu den meist rechteckigen Hochhäusern und spitzen Türmen, die oft fast schon aggressiv die horizontalen Ebenen der Städte durchbrechen, sollte die abgerundete Spitze der Torre Glòries kraftvoll, aber nicht hart und kantig sein. Eher wie ein Geysir, der aus der Erde empor springt. Eine Form, die sich aus der Landschaft erhebt, statt sie zu durchbrechen. Man sagt, die Architekten hätten sich unter anderem von der Landschaft rund um Barcelona, von den Felsspitzen des Montserrats und den Türmen der Sagrada Família inspirieren lassen.
Die Struktur besteht aus zwei Betonzylindern, einem inneren und einem äußeren Gerüst (in dem YouTube Video „Torre Agbar: The tower touching the sky“ wird der technische Aufbau genau erklärt). Eine Besonderheit des Gebäudes ist die Außenhaut der Fassade. Die mit dem Lichteinfall changierenden Farben, die den Turm tagsüber in roten Erdtönen und Schattierungen von Blau erstrahlen lassen, entstehen durch ein geschicktes Konstrukt aus Glaslamellen und lackierten Aluminiumplatten, die die Betonfassade bedecken. Je nach Tageszeit und Neigung der Lamellen werden so ganz unterschiedliche Lichtreflexe erzeugt. Zu besonderen Anlässen wird die ohnehin schon bunte Fassade sogar noch mit farbigen Lichtbildern bestrahlt.
Cloud Cities Barcelona
Im obersten Stockwerk angekommen, wartet eine spektakuläre 360º Grad Aussicht die neugierigen Besucher. Im Kreis gehend, kann man das komplette Panorama Barcelonas, mit Montjuïc, Tibidabo, Sagrada Família und die großen Schiffe auf dem Meer bestaunen. Die Aussicht ist wirklich fantastisch.
Dort oben befindet sich eine weitere Installation des Miradors: die Cloud Cities Barcelona des argentinischen Künstlers Tomás Saraceno. Ein Konstrukt, das mich auf den ersten Blick an eine Mischung aus glitzerndem Spinnennetz und Atomium (das in Brüssel) erinnert. Und das Kunstwerk ist begehbar! Genauer gesagt, erkletterbar, denn man sollte schon ein bisschen sportlich unterwegs sein, um sich einen Weg durch diese Wolken-Stadt zu suchen.
Für den Künstler ist die Installation eine Einladung, ein Angebot der Verbindung verschiedener Perspektiven und Wege. Er will den Menschen individuelles Erleben und gleichzeitiges Zusammensein auf verschiedenen Ebenen ermöglichen. Wer sich durch dieses in vier bis zehn Meter Höhe schwebende Bauwerk bewegt, wird von den verschiedenen Plattformen aus, die wie kleine, persönliche Räume zu verstehen sind, einen ganz eigenen einzigartigen Blick auf die Stadt erleben.
Zahlen, Daten und Infos
Die Torre Glòries erhebt sich an einem der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte der Stadt und überragt die während der letzten Jahre begrünte Zone der Glòries. Dieser neue Aussichtspunkt befindet sich inmitten des neuen, modernen Barcelonas, denn der ehemals von Industrie geprägte Stadtteil Poblenou beherbergt neben Start-ups und Uni-Campus, auch einige spannende Museen. Direkt neben der Torre Glòries liegt das Design Museum „Disseny Hub“, in dem mehrere, vorher auf verschiedene Stadtviertel verteilte Museen zusammengefasst wurden. Nicht weit weg liegt das Museu Framis und wer ein Stück weiter laufen mag, kommt zum Espai Subirachs.
(Torre Glòries und rechts daneben ist das Design Museum zu erkennen)
Adresse:
Mirador Torre Glòries
Avinguda Diagonal, 211
08018 Barcelona
Website www.miradortorreglories.com
Der Eingang befindet sich wider Erwarten nicht im Turm selbst, sondern in einem Glashäuschen zu Füßen des Turms, das mit „Mirador Glòries“ gekennzeichnet ist. Eintrittskarten, wenn man nicht schon online gebucht hat, kauft man dort im Unterschoss.
Eintrittspreis: 15 Euro (ohne das Beklettern der Cloud Cities Barcelona), mit begehbarem Kunstwerk: 25 Euro
Als die Torre Glòries fertiggestellt wurde, war sie das dritthöchste Gebäude der Stadt. Bislang überragen nur das Hotel Arts und die Torre Mapfre den Turm. Doch mit dem Fortschreiten der Bauarbeiten an der Sagrada Família werden die Türme der berühmten Kirche auch bald höher sein aus der Aussichtspunkt.
Höhe gesamt: 144,44 Meter
Letzte Etage: 128,30 Meter
Etagen insgesamt: 35
- Website Tomás Saraceno studiotomassaraceno.org
- Sehr lesenswert ein Artikel von Julia Macher „Schöne Aussicht, teures Pflaster“ auf www.riffreporter.de
- Übrigens: Norman Foster hat übrigens zurselben Zeit, in der die Torre Glòries gebaut wurde, in London The Gherkin (30 St Mary Axe) errichten lassen.
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