Sind wir Pilgerer oder fliehen wir vor irgendetwas? Jeden Tag brechen wir aufs Neue auf. Es geht immer weiter geradeaus, ohne zurückzuschauen. Es fühlt sich an, als laufen wir davon. Jeden Tag ändert sich unser Ziel. Jedes Mal, wenn wir irgendwo ankommen, ist es schon im nächsten Moment wieder meilenweit weg. Zuerst wollen wir aus Katalonien heraus, um weiter nördlich auf den Jakobsweg zu stoßen. Dann machen wir uns auf den Weg nach Pamplona, Asturien, Santiago de Compostala. Schließlich erreichen wir Finisterre – das “Ende der Welt”, und noch immer zieht es uns weiter.
Die Landschaft, das Klima, die Architektur und sogar die Sprache verändern sich mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit zwischen 11 und 15 Kilometern pro Stunde, im selben Rhythmus in dem auch wir uns verändern, vorankommen, und gleichzeitig einen Teil von uns zurücklassen. Alles, was wir zu dem Zeitpunkt sind, tragen wir bei uns – unser eigenes Gewicht, und das, der Satteltaschen.
Pilgern wir oder fliehen wir vor etwas? Ich glaube beides. Ich bin mir sicher, die meisten Pilgerwege führen nicht nur auf einem kartographierten Weg entlang, sondern auch ins Innere. Jeder Mensch hat seine eigenen, nicht unbedingt religiösen Gründe, um sich auf den Jakobsweg zu begeben. Selbst wenn, wie in unserem Fall, eigentlich die sportliche und abenteuerliche Herausforderung dieser Reise im Vordergrund steht, macht das “Pilgern” etwas mit einem selbst.
Natürlich kann man den Jakobsweg auch durchgeplant und abgesichert mit Reservierung der Herbergen “abpilgern”. Aber meinem Empfinden nach verzichtet man dann auf den Zauber, den die Erlebnisse unterwegs einem bringen können. Wenn ich etwas auf dem Jakobsweg gelernt habe, dann ist es die Tatsache, dass man dem Leben auch Spielraum lassen muss, damit es sich entfalten kann.
Wenn ich mir jetzt die Bilder der letzten zwei bis drei Monate anschaue, bin ich vor allem eines: dankbar für diese erlebnisreiche, wenn auch oft physisch und emotional anstrengende Zeit.
Vor drei Monaten sind wir mit vollgepackten Fahrrad einfach über die Schwelle der Haustür hinaus ins Abenteuer gefahren. Nur Andreu und ich und unsere Fahrräder. In der Nacht vor unserer Abfahrt konnte ich vor Nervosität kaum schlafen. Wir hatten nur für die allererste Nacht ein Hotelzimmer in Collbató gebucht. Mir war mulmig, weil ich mir absolut nicht sicher war, ob ich diese 80 km gleich an unserem ersten Tag schaffen würde. Und überhaupt, wie weit würden wir kommen? Würden wir schaffen, was wir uns vorgenommen hatten oder würden wir “versagen”? Gedanken daran, was alles schieflaufen könnte mit unseren klapprigen Mountainbikes. Und nun, über 2.000 km später, bin ich mir sicher, es war alles genau so, wie es sein sollte.
In der nächsten Zeit möchte ich dieses Abenteuer mit Dir teilen und von unserem Roadtrip ohne Auto berichten. Vier Wochen lang sind wir durch den Norden Spaniens bis nach Santiago de Compostela geradelt. Nur drei Mal haben wir in dieser Zeit zwei Nächte am selben Ort geschlafen. Als wir am Ende des Jakobswegs, in Santiago angekommen sind, zog es uns weiter in den Süden. An der portugiesischen Küste entlang fuhren wir bis ins Alentejo, wo wir eine Fahrradpause eingelegt und ein paar Wochen bei einem Workaway Projekt gearbeitet haben. Anfang November sind wir wieder auf die Räder gestiegen und haben die Rota Vicentina in südliche Richtung bis nach Lagos zurückgelegt.
Wenn Du unsere Geschichten über die dürre Wüstenlandschaft in Aragon lesen möchtest, über die grünen Weiden, hohe Berge und steile Kliffs der Nordküste, oder die moosbedeckten Schiefersteine in den nebeligen galizischen Wäldern, stay tuned!
Part 1: Der Camí de Sant Jaume
Part 2: Es geht weiter auf dem Camino Aragonés
Part 3: Der Übergang zum Camino del Norte in Navarra
Part 4: Fahrradpilgern am Atlantik – Baskenland
Part 5: Kantabrien – Jakobsweg in Nordspanien
Part 6: Auf zwei Rädern durch Asturien
Part 7: Ende des Jakobswegs mit Satteltaschen – Santiago de Compostela
Hi Lina,
Super Geschichte mit dem Rad bis nach Santiago. Und alles ohne Auto. Respekt!
Du sprichst ein Workaway Projekt an. Kannst du mir dazu mehr sagen?
Was ist das?
Wir werden mit Familie unterwegs seini August- unsere Kinder sind gerade 18 und 16 und ich würde gerne die Destination Nordspanien/vielleicht Portugal mit was anderem vermischen, vielleicht einer Berufserfahrung, oder Spracherfahrung im Spanischen. Danke für deinen Tipp.
Grüss Nicole schön von mir. Wir kennen uns 🙂
Hallo liebe Yasmine,
Workaway ist eine ‚Volunteering‘-Plattform, auf der man unzählige verschiedene Projekte zu allen möglichen Themen und Interessen finden kann. Man kann sich als Host (also als Gastgeber) oder als Reisender anmelden und über Workaway erstellt man den Kontakt. In unserem Fall waren wir an Permakultur, und an Bau mit natürlichen Materialien interessiert. Es gibt allerdings auch Projekte für Sprach- und Kulturaustausch. Schau gerne selbst rein ( http://www.workaway.info ) In Spanien und Portugal gibt es wirklich eine riesen Auswahl an Projekten. Das witzige ist nur, dass viele der Menschen die solche Projekte starten, oft keine gebürtigen Spanier oder Portugiesen sind. Also wenn es darum geht Sprachen zu lernen, würde ich darauf besonders achten!
Ganz liebe Grüsse zurück!
bin schon sehr gespannt 🙂