Wo sind sie, die weißen Dörfer Andalusiens, die Sonnenschein, gutes Essen und unbeschwerte Tage verheißen? Im Süden Spaniens findet man sie überall. Sie liegen im Hinterland der Costa del Sol, der Costa Tropical, an der Costa Gaditana und der Costa de la Luz. Weiße Dörfer gibt es in Andalusien quasi wie Sand am Meer. Vor ein paar Jahren habe ich schon von Frigilana und Almáchar in der Nähe Malagas berichtet. Dieses Mal waren wir im Westen Andalusiens unterwegs. Im Gegensatz zum eher sanften Mittelmeer liegt die Küste rund um Cádiz am stürmischen Atlantik.

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Viele der weißen Dörfer blicken auf eine maurische Vergangenheit zurück. Viele Jahrhunderte lang verlief die Grenze zwischen christlicher und islamischer Welt durch die Iberische Halbinsel, die von den maurischen Herrschern al-Andalus getauft wurde. Deswegen tragen auch viele Dörfer den Beinamen „de la frontera“. Der Name Andalusien erinnert bis heute an die teilweise bis zu 700 Jahre dauernde Herrschaft des Kalifats, das die Landschaft, die Landwirtschaft, die Architektur und die Küche des spanischen Südens prägte.

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Meistens gilt, je abgelegener die andalusischen Dörfer sind, umso mehr haben sie von der maurischen Architektur, den engen Gassen und kleinen, weißen Häuser erhalten. Zwei weiße Dörfer der Provinz Cádiz will ich Dir kurz vorstellen. Obwohl sie nicht weit voneinander entfernt liegen, sind sie doch recht unterschiedlich. Ich war im November, einem eher ruhigen Monat, in Andalusien. In den Sommermonaten tummeln sich hier vermutlich wesentlich mehr Menschen.

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Vejer de la Frontera

Vejer de la Frontera gilt als eines der schönsten weißen Dörfer Andalusiens. Dabei steht es offiziell gar nicht auf der Liste der touristischen Route. Auch wenn manche Einheimische mit dem Auto in den engen Straßen unterwegs sind, solltest Du Deinen Wagen aber lieber auf einem Parkplatz am Rande des Dorfes abstellen und die engen Winkel und Ecken zu Fuß erkunden. In dem kleinen historischen Ortskern ist es nämlich eng und geht stets steil bergauf. Manchmal gibt es Treppen, manchmal nicht. Immer aber schmücken bunte Blumentöpfe die weiß getünchten Wände der Häuser. Selbst im Winter grünen die liebevoll gepflegten Pflanzen.

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In einer kleinen altmodischen Bar hole ich dem Schatz und mir zwei Gläser trockenen Weißwein an der hölzernen Theke. Auf einem Fernseher in der Ecke laufen die neusten Nachrichten über den Vulkanausbruch in La Palma. Die Reporterin berichtet aufgeregt von neuen Erbbeben. Doch die Männer, die in dem winzigen Raum an einem Stammtisch versammelt sitzen, sind lautstark ins Gespräch vertieft. Nur einer lehnt am Tresen und verfolgt aufmerksam das Geschehen auf dem Bildschirm. Inzwischen schenkt der Wirt mir meinen Wein ein, der übrigens genauso heißt, wie die Statue der verhüllten Frau an dem vermutlich schönsten Aussichtspunkt der Stadt: La Cobijada. Draußen setze ich mich auf einen kleinen Holzhocker vor der Tür und stelle die kleinen Weingläser auf das an die Wand geschraubte Tischchen.

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La Cobijada sieht zwar wie eine mit einer Burka verhüllte Frau aus, doch die Verschleierung hat nichts mit der maurischen Vergangenheit der kleinen Stadt zu tun. Erst im 16. Jahrhundert, lange nach der Vertreibung der Mauren aus Spanien, begannen die Frauen in Vejer de la Frontera dieses spezielle Kleidungsstück zu tragen. Die aus Kastilien stammenden Tracht ähnelt bei näherem Hinsehen nur entfernt einer Burka. Der Umhang lässt das linke Auge frei und kann wie ein Umhang abgestreift werden. Die Frauen in ihren Cobijas sind kaum zu unterscheiden. Ökonomische und soziale Unterschiede der Trägerinnen verschwinden. Unter der äußeren, schwarzen Hülle verraten jedoch fein gearbeitete Spitzen der weißen Bluse den Status der Frauen. Die Herstellung des traditionellen Kleidungsstücks ist aufwendige Handarbeit, und während der harten Zeiten während und nach dem Spanischen Bürgerkrieg in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts drohte die Tracht schon in Vergessenheit zu geraten.

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Doch die Frauen von Vejer de la Frontera sind stolz auf ihren Brauch. Unter den jungen Frauen werden jedes Jahr sieben Cobijadas ausgewählt, die die alte Tracht zu den Dorffesten und besonderen Anlässen tragen dürfen. Eine von ihnen wird zur Cobijada Mayor ernannt, die anderen sind Ehrendamen. Warum die Damen vor ein paar Jahrhunderten begannen sich zu verschleiern, weiß man nicht. Vermutlich ging es ihnen nicht darum, geheimnisvoll zu wirken – auf mich zumindest wirkt diese Tracht sehr mysteriös. Wahrscheinlicher ist es, dass die Frauen von höherem Stand mit diesem Umhang versuchten, sich vor der sengenden Sonne zu schützen. Auch wenn wir sonnengebräunte Haut heute als schön betrachten, galt sie früher als ein Zeichen von Armut. Wer tagein tagaus auf dem Feld arbeitete, kriegte viel Sonne ab. Nur die Reichen konnten es sich leisten, ihre Haut möglichst weiß zu halten.

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Arcos de la Frontera

Auch Arcos de la Frontera blickt auf eine maurische Vergangenheit zurück. Der kleine Ort im Hinterland der Costa de la Luz ist so etwas wie das Eingangstor, ein Startpunkt zur offiziellen Ruta de los pueblos blancos, der Route der weißen Dörfer in Andalusien.

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Nachdem wir uns schnaufend die steile Straße zum Altstadtkern hinauf gekämpft haben, gönnen wir uns im „Retablo“ eine kleine Pause. Da mittlerweile Zeit zum Mittagessen ist, bestellen wir verschiedene Tapas von der Karte. Es schmeckt wirklich lecker und die beiden Kellnerinnen sind supernett und lustig. Als wir uns wieder auf den Weg machen, um den historischen Teil Arcos  zu erkunden, wird es schon bald recht eng. Hier gilt – ebenso wie in Vejer de la Frontera und vermutlich allen anderen weißen Dörfern – Auto am Ortsrand abstellen!

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Als sich in einer besonders engen Straßenbiegung ein kleiner Bus nähert, zwängen sich alle Passanten an die Hauswände. Der Mann dicht neben mir, ein Einheimischer, raunt: „Gleich kriegst Du was zu sehen“. Wo ist Michi hin? Hinter dem Bus? Oder auf der anderen Seite?

Wir besetzen die Türschwellen und Hofeingänge. Doch es reicht nicht. Wer an der Hauswand stehen bleibt, muss den Bauch ein ziehen und sich auf Zehenspitzen stellen. Es wird echt eng. Doch der Busfahrer ist ein wahrer Künstler. Ein Artist mit der Geduld eines Zen-Mönchs. Absolut unaufgeregt dirigiert er die Menschen freundlich hierhin und dorthin. Er kennt die Gassen der Altstadt und die Ausmaße seines Gefährts ganz genau.

Es ist Maßarbeit, mit der er den kleinsten Bus, den ich je gesehen habe, unfallfrei auf seiner täglichen Route lenkt. Während ich mich immer noch staunend nach meinem Schatz umsehe, verteilen sich die Leute bereits schnell wieder. Für sie ist das Alltag.

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Weiße Dörfer Andalusiens :

Die Route der weißen Dörfer führt vom Hinterland der Costa del Sol bis ins Hinterland der Costa de la Luz. Viele der Dörfer liegen im sehr bergigen Naturpark der Sierra de Grazalema, der sich zwischen den Provinzen Cádiz und Málaga erstreckt. Auf Wikipedia gibt es eine vollständige Liste der Pueblos Blancos, auf der Website des spanischen Tourismusverbandes gibt es einen ausführlichen Artikel über die Route durch die weißen Dörfer Andalusiens. Aber natürlich gibt es noch andere „weiße Dörfer“, die nicht auf dieser Liste stehen, aber dennoch einen Umweg lohnen. Andalusien ist voll davon.