Mein Herz hüpft vor Freude, als ich in weiter Ferne die weißen Häuser von Cadaqués erkennen kann. Hinter einem blühenden Kirschbaum kommt unser Ziel in Sicht! Da unten in der Bucht liegt das kleine Dorf vor uns.

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Schon so lange wollte ich diese kleine Wanderung über das Cap de Creus machen, einmal quer durch den Naturpark, von Roses nach Cadaqués. Aber bisher ist mir immer irgendetwas dazwischen gekommen. Meistens das Wetter. Einmal im Sommer war es viel zu heiß, ein anderes Mal zu windig. Doch nun endlich stehe ich mit Wouter in der Cala Montjoi. Von hier aus wollen wir losmarschieren. In drei bis vier Stunden sollten wir in Cadaqués sein, rechnet mein Guide. Je nachdem wie viele Pausen wir zum Fotografieren machen.

In dieser kleinen Bucht kochte Ferran Adria, Sternekoch und Erfinder der Molekularküche, im „El Bulli“. Seit das Restaurant 2011 geschlossen wurde, erinnert nur noch eine hässliche Baustelle an diese glorreichen Zeiten. Angeblich soll hier irgendwann etwas Neues entstehen. Kein Restaurant, sondern eine Mischung aus Forschungslabor und sozialem Projekt.

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Wouter und ich spazieren über den Kieselstrand zu einem Weg, der auf der anderen Seite der kleinen Bucht bergauf führt. Immer wieder blicke ich zurück und kann mich gar nicht sattsehen, an dem blau schimmernden Wasser, das dort unten ganz seicht an den Strand plätschert. Es ist fast windstill heute. Das ist an diesem Abschnitt der Küste ziemlich selten aber auch sehr angenehm. Denn wenn es hier weht, dann auch richtig. Dass ich so lange auf diese kleine Wanderung gewartet habe, hat sich definitiv gelohnt. Besser könnte das Wetter gar nicht sein. Es ist perfekt. Meine gute Laune steigt mit jedem Schritt. Würde es nicht bergauf gehen, könnte ich hüpfen vor Freude. Sind das Glückshormone, die mein Körper ausschüttet? Ich will mehr davon!

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Während wir fröhlich den ersten Hügel erklimmen, erzählt Wouter mir spannende alte Geschichten, denn um das Cap de Creus rangen sich viele Legenden. Wouter ist eigentlich Belgier, lebt aber schon ewig hier. Genau wie ich ist er hier irgendwann gestrandet und geblieben. Jeden Tag ist er zu Fuß oder mit dem Rad in der Natur unterwegs und kennt alle Wanderwege. Und er kennt auch all diese Geschichten!

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Als wir uns dem Cap Norfeu nähern, erklärt er mir zum Beispiel, dass diese Zunge, die da ins Meer hineinragt, vulkanischen Ursprungs ist. Vor vielen Millionen Jahren muss bei der Explosion eines Vulkans in La Garrotxa die Lava bis hierher geflossen sein. Angeblich hat dieses Kap seinen Namen dem griechischen Barden Orpheus zu verdanken, der auf Katalanisch Orfeu heißt. Der soll nämlich auf einer seiner Reisen genau hier vor der Küste gestrandet sein. Eine andere Legende erzählt jedoch, dass die alten Griechen an dieser Stelle einen Tempel für Orpheus errichtet haben sollen.

Bis heute hat man keine Überreste eine solchen Tempels gefunden. Dafür gibt es jede Menge Funde aus der Steinzeit, die belegen, dass hier schon lange vor den Iberern Menschen gelebt haben. Die Hügel rund um Roses sind regelrecht voll von mehrere tausend Jahren alten Dolmen und Menhiren.

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Die Ruinen, die ich von unserem Weg aus erkennen kann, gehören zu einem alten Wachturm. Die Torre Norfeu war Teil der Befestigungsanlage der Ciutadella de Roses. Im sechzehnten Jahrhundert gab es eine ganze Reihe solche Türme an der Küste. So konnten sich die Küstenbewohner quer über das Cap de Creus hinweg verständigen und vor Gefahren warnen. Das war auch dringend notwendig, denn Piratenüberfälle waren damals leider keine Seltenheit.

In Roses erzählt man sich Legenden von Meerjungfrauen, die an den schroffen Felsen des Cap Norfeu die Seeleute verführt und in den Tod gelockt haben sollen. Auch wenn es die Meerjungfrauen wohl nicht wirklich gegeben hat, weiß man aber sicher, dass hier früher ganze Kolonien der Mönchsrobben lebten. Diese niedlichen Robben waren einst im ganzen Mittelmeer verbreitet, sind heute aber fast ausgestorben. Die letzten Exemplare am Cap Norfeu hat man in den siebziger Jahren gesehen.

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Mittlerweile sind wir an der Cala Jóncols angekommen. Das Wasser unten in der Bucht ist ein Traum. Ich würde am liebsten rein springen. Wouter lacht, denn um diese Jahreszeit ist es natürlich viel zu kalt zum Baden. So schade. Aber verführerisch ist es schon. Zu gern würde ich nur einmal ganz kurz rein hüpfen.

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Die Cala Jóncols ist wesentlich hübscher als die Cala Montjoi. Eine frisch restaurierte Fischerhütte erinnert daran, wie die Fischer früher gelebt und gearbeitet haben. Ein paar Bäume spenden angenehmen Schatten. Ein schöner Strand! Dann beginnt auch gleich der nächste Aufstieg. Dieses Stück ist definitiv der anstrengendste Teil der Strecke.

Der Weg zieht sich langsam und zäh wie ein altes Kaugummi den Hügel hinauf. Von Zeit zu Zeit bleibe ich stehen und drehe mich um. Der Blick in die Bucht versöhnt mich sofort wieder und ich marschiere weiter. Schritt für Schritt. Wouter ist sicherlich ein ganz anderes Tempo gewöhnt, aber als guter Guide ermutigt er mich und bringt mich zum Lachen. Statt mich über meine mangelnde Kondition zu ärgern, habe ich sogar Spaß an dieser Steigung. Schnaufend aber glücklich erklimme ich den Hügel.

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Oben angekommen platze ich fast vor guter Laune. Die Glückshormone sprießen wie die ersten Blüten eines Kirschbaums am Wegesrand. Ein weißer Frühlingsgruß, wie hübsch. Schon kommen die winzigen Häuser von Cadaqués in Sicht. Jetzt geht es nur noch bergab. Fast schon schade, dass wir bald am Ziel sein werden. Ich würde am liebsten immer weiter wandern.

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Es ist echt unglaublich, was diese Wanderung, in mir auslöst. Ich fühle mich innerlich aufgeladen, gesund und irgendwie sauber. Letzteres allerdings eher im übertragenen Sinne, denn genau genommen bin ich schon etwas verschwitzt in meinem langärmligen Shirt.

Ich bin Wouter so dankbar für seine Begleitung. Allein hätte es sicher nur halb so viel Spaß gemacht. Ganz davon ab, dass ich mich vermutlich verlaufen hätte. Aber so habe ich noch jede Menge neue Geschichten gehört, von König Artus und dem Heiligen Gral, von Orpheus und von den Piraten, die hier jahrhundertelang ihr Unwesen trieben.

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Besonders berüchtigt war nämlich Khair ad-Din Barbarossa ein osmanischer Pirat und Freibeuter. Eigentlich hieß er natürlich nicht Rotbart, sondern Hızır, und war der kleine Bruder von Oruç, der als Korsar im östlichen Mittelmeer unterwegs war. Als der jedoch bei einem Gefecht gegen die Spanier starb, schwor sein kleiner Bruder Rache und wütete mit besonderer Grausamkeit an der spanischen Küste. Im sechzehnten Jahrhundert eroberte er Cadaqués. Die Kirche brannte und viele Häuser wurden zerstört.

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Reifenspuren! Ganz deutlich kann ich auf dem schmalen Trampelpfad die Spuren von Fahrradreifen erkennen. Hier ist vor nicht allzu langer Zeit scheinbar jemand mit einem Mountainbike den Berg hinunter gefahren! Hut ab. Da gehe ich doch lieber gemütlich zu Fuß und genieße dabei die Aussicht, an der ich mich gar nicht sattsehen kann.

Je näher wir Cadaqués kommen, umso mehr Details kann ich erkennen. Die Strandpromenade ist menschenleer. Niemand ist dort unterwegs. Im Winter ist dieses malerische kleine Dorf wirklich traumhaft ruhig. Kein Vergleich mit den Menschenmassen, die sich im Sommer hier tummeln. Dabei scheint die Sonne jetzt sogar fast schöner als im Juli, wenn sie vom Himmel brennt. Immerhin haben wir heute zwanzig Grad in der Mittagszeit, T-Shirt Wetter.

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Infos Cap de Creus

Cap de Creus ist nicht nur wegen der schönen Landschaft und einiger endemischer Tier- und Pflanzenarten ein geschützter Naturpark. Auch die Unterwasserwelt ist Teil des Naturschutzparks. Hier wachsen sogar noch rote Korallen und Delfine und Wale scheinen die Gegend zu lieben. Besonders schützenswert sind aber die Gesteinsformationen des Kaps. Tektonische und geodynamische Prozesse führten dazu, dass am Cap de Creus Gesteinsschichten an der Oberfläche liegen, die normalerweise viele Kilometer tief unter der Erde zu finden sind. Ein wahres Paradies für Geologen. Bestimmte Steine und Mineralien wie Turmaline, Quarz, Feldspat, Granat, Muskovit, etc.  kommen hier vor.

marmor cap de creus Marmor findet man direkt an der Oberfläche – hier in einer Trockensteinmauer verbaut  

Auf dieser Wanderung durch das Cap de Creus verläuft der GR92 entlang des alten Camí de Ronda. Man muss eigentlich nur der weiß-roten Wegmarkierung folgen. Aber es gibt noch so viele kleine Seitenwege in abgelegene Buchten, die zu Dolmen, Leuchttürmen und Stränden führen – da brauche ich noch viel Zeit, um die alle abzulaufen! Die Cala Nan mit dem alten Faro oder die Punta Falconera mit den alten Bunkeranlagen. Das Kloster Sant Pere de Rodes liegt übrigens auch direkt hier im Naturpark. Ich kann es gar nicht abwarten, und möchte am liebsten gleich sofort wieder laufen. Vielleicht sollte ich mir Urlaub vom Reisen nehmen und zwei Wochen lang nur das Cap de Creus durchwandern …

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Da ich nicht so gern allein laufe, habe ich nach einem Guide gesucht. Wouter arbeitet bei trek und ride spricht neben diversen anderen Sprachen perfekt Deutsch und kennt sich echt bestens aus: www.trekandride.com

Websiten mit mehr Infos zu verschiedenen Wanderstrecken am Cap de Creus:
www.entremontanas.com
www.rosespedia.cat

Zu den uralten Dolmen aus den Jahren um 3000 vor Christus gehören: La Creu d’en Cobertella, el Llit de la Generala und el Cap de l’home.

Im Sommer gibt es Ausflugsboote (els Blaus de Roses), die zwischen Roses und Cadaqués verkehren, sodass man nicht zweimal dieselbe Strecke laufen muss. Ansonsten gibt es aber auch Busse und Taxen.

Den Kontakt zu Trek and Ride hat mir das Patronat de Turisme vermittelt. Zur Wanderung wurde ich eingeladen. Gelaufen bin ich aber selbst 🙂 und ich werde damit so schnell nicht wieder aufhören!