Cadaqués hat den Ruf, ein sehr matriarchalisches Dorf zu sein. Hier haben die Frauen immer schon die Hosen angehabt. So sagt man. Die Frauen sind deswegen so charakterstark, weil sie so oft und so lange auf sich allein angewiesen waren. Bei Gefahr mussten sie sich selbst helfen können, denn ihre Männer waren oft mehrere Tage oder Wochen unterwegs. Die Fischer fuhren auf See und die Weinbauern arbeiteten tagelang in den abgelegenen Weinbergen, ohne nach Hause zu kommen. Dazu kamen viele jahrhundertelang die Bedrohung durch die Überfälle der Piraten.
Die Piraten:
Viele Jahrhunderte lang trieben sich nämlich grausame Piraten vor der Costa Brava herum. Der Gefürchtetste von ihnen war Barbaroja, der osmanische Freibeuter mit dem roten Bart Khair ad-Din Barbarossa.
Die durch das Mittelmeer ziehenden Korsaren, Freibeuter und Piraten suchten Orte wie Cadaqués, als einen der wenigen natürlichen Häfen entlang der Küste besonders gern auf, weil es dort so einfach war, sich mit Nachschub zu versorgen. Die meisten Überfälle der Piraten fanden in den Sommermonaten statt. Im Herbst des Jahres 1543 rechnete niemand mehr mit den wilden Horden, als Barbarossa mit einer mächtigen Flotte von zwanzig Schiffen und sechs kleineren Nachen ein Dorf nach dem anderen überfiel. Er zerstörte Palamós, Roses und Banyuls-sur-Mer (in Frankreich). Auch Cadaqués entkam den Piraten nicht. Die gesamte Küste erzitterte vor der grausamen Gewalt des gefürchteten Sarazenen.
(Bild aus Wikipedia)
Der Angriff auf Cadaqués war verheerend. Barbarossa verbrannte nicht nur die Kirche, raubte und vergewaltigte mit schrecklicher Grausamkeit, er vernichtete auch das Archiv der Stadt. Aus der Zeit vor 1543 gibt es keinerlei Dokumente mehr. Alles was man aus den Jahrzehnten und Jahrhunderten davor noch weiß, stammt aus Briefwechseln, die in anderen Gemeinden erhalten geblieben sind.
1828 wurde in Spanien schließlich ein Gesetz erlassen, das die Piraterie ein für alle Mal verbot. Piraten gab es nämlich auf beiden Seiten des Mittelmeers: Nicht nur die Mauren und Osmanen schickten ihre Freibeuter an die spanische Küste, auch von hier aus stachen regelmäßig Schiffe in See, um in Nordafrika Sklaven zu rauben, die auf dem Arbeitsmarkt verkauft werden konnten.
Keine Ahnung, wie sie damals geschafft haben, die Piraten zu überzeugen, aber der Plan ging auf. Das Gesetz bewirkte tatsächlich, dass die Küsten sicherer wurden. Die Menschen begannen nun sich näher am Meer niederzulassen. Die Dörfer, die bis dahin eher im Inland lagen, wuchsen nun bis an die Küste heran. Für die Fischer und Schiffbauer begann eine gute Zeit. Vermutlich haben sich die arbeitslos gewordenen Piraten dem Schmugglerhandwerk zugewandt. Mit dem Handel von verbotenen Luxuswaren war gutes Geld zu machen. Viele Piraten hängten also ihren Job an den Nagel und ließen sich in Cadaqués nieder. Nachweislich gehen einige der Familien, die heute hier leben, auf diese Piraten zurück!
Cadaqués und der Wein:
Über dreihundert Jahre lang spielte der Anbau von Wein eine wichtige Rolle in Cadaqués. Während im Empordà Kork produziert wurde, stellte man hier oben in der abgelegensten Bucht der Küste Wein her. Nur über das Meer war das kleine Dorf damals erreichbar, denn die serpentinenartige Straße, die sich heute durch die Berge schlängelt, wurde erst 1910 gebaut.
Die in und um Cadaqués angebauten Weine sollen sehr kräftig im Geschmack sein. Und sehr alkoholhaltig. Der höhere Alkoholgehalt kommt daher, weil die Trauben hier auf mineralhaltigen Schieferböden wachsen, wenig Wasser und viel Sonne abkriegen. So sind die Trauben süßer und kräftiger und das macht sich eben im Geschmack des Weins bemerkbar.
Als die Phylloxera, die berüchtigte Reblaus, Mitte des neunzehnten Jahrhunderts die französischen Weinanbaugebiete zerstört hatte, kam sie schließlich über die Grenze und vernichtete auch die katalanischen Weinstöcke. Cadaqués, das bis dahin mehr oder weniger vom Weinanbau gelebt hatte, geriet in eine schwere Krise. Notgedrungen mussten viele Einwohner nach Übersee auswandern, wo sie sich ein besseres Schicksal erhofften. Die Wirtschaftskrise beschränkte sich nicht allein auf Cadaqués. Ganz Spanien war betroffen und eine wahre Auswandererwelle setzte ein. Die meisten Katalanen, die auf der anderen Seite des Atlantiks ihr Glück suchten, gingen nach Kuba. Von den rund 2000 Einwohnern des Dorfes, das sind fast so viele wie heute, reduzierte sich die Anzahl der Bewohner in Cadaqués auf 600.
Tabak aus Cadaqués:
Erst als Kuba sich Ende des neunzehnten Jahrhunderts von der Kolonialmacht Spanien loszusagen begann, kehrten viele Auswanderer zurück nach Europa. Natürlich waren es nur wenige, die als Americanos oder Indianos mit den Taschen voller Geld nach Hause kamen. In Barcelona, Lloret oder Begur hatten diese Americanos mit ihren Reichtümern prächtige modernistische Paläste errichten lassen. Die Leute aus Cadaqués brachten Bougainvilleas und Tabakpflanzen aus Kuba mit. Der Tabak gedieh hier so gut, dass bald in jedem Hinterhof ein paar Pflanzen gezüchtet wurden. Sogar während meines Spaziergangs in den engen Gassen der Altstadt stoße ich immer wieder auf mehr oder weniger wild wachsende Tabakpflanzen. Früher drehte man aus den getrockneten Blättern dann die Cadaqués Zigarren, die von Barcelona bis Paris bekannt waren und in allen Tabakläden verkauft wurden.
verschiedene Tabaksorten
Da Cadaqués nach dem Spanischen Bürgerkrieg noch immer in einem etwas zwielichtigen Ruf stand, schickte die Regierung militärische Truppen, um das angebliche Schmugglernest auszuheben. Haus für Haus durchkämmten die Soldaten das Dorf auf der Suche nach wertvollen Schätzen. Doch so sehr sie auch suchten, in keiner der Wohnungen stießen sie auf versteckte Wertgegenstände. Erst in der Kirche wurden sie schließlich doch noch fündig. Auf dem großen Dorfplatz präsentierten sie das Ergebnis der groß angelegten Suchaktion und die eingeladene Presse fotografierte die ausgestellten Funde für die Nachwelt. Auf geheimnisvolle Weise war jedoch am nächsten Tag das aufgefundene Diebesgut restlos verschwunden.
Das moderne Cadaqués:
In den sechziger und siebziger Jahren entwickelt sich Cadaqués dank Leuten wie dem Architekten Peter Harnden und natürlich Salvador Dalí, zum Treffpunkt vieler Künstler und Intellektueller. Besonders der surrealistische Maler feierte in dieser Zeit dicke Partys und holt den Jetset in die kleine Bucht.
Sogar in der alten jüdischen Synagoge wurde in dieser Zeit eine Diskothek eingerichtet. Nachdem die Synagoge schon Jahrhunderte zuvor von den Christen übernommen worden war, ging sie im Laufe des Verkaufs der kirchlichen Güter im neunzehnten Jahrhundert in Privatbesitz über. Während der Zeit als Diskothek war das Gebäude mehr oder weniger öffentlich und man konnte es zumindest noch betreten. Mittlerweile ist die alte Synagoge die Ferienresidenz einer französischen Familie und nur die Stummel zweier Säulen erinnern noch an die jüdische Vergangenheit des Hauses.
Heute ist Cadaqués mit seinen alten Gassen ein Dorf wie aus dem Bilderbuch. Scharenweise strömen die Besucher, vorwiegend Franzosen, im Sommer hierher. Von der alten Stadtmauer und dem jüdischen Viertel, dem Call, ist nicht viel erhalten geblieben. In den alten weißen Häusern, vor denen die Bougainvilleas in schönster Pracht blühen, öffnen heute kleine Boutiquen, Bars und Restaurants ihre Türen für die Touristen.
Zum Abschluss meines Rundgangs durch Cadaqués muss ich noch eine kulinarische Spezialität probieren, die Taps de Cadaqués. In der Pastisseria La Mallorquina gibt es diese leckeren kleinen Küchlein, die wie ein dicker Korken aussehen. Ich vernasche den weichen, saftigen Biskuit gleich so. Sehr lecker ist er aber auch in Rum gebadet und flambiert. Dann erinnert er an die baba aus Neapel.
Infos zu Cadaqués und den Piraten :
Im Museum von Cadaqués gibt es zur Zeit eine Fotoausstellung über Salvador Dalí:
Museum Cadaqués
Carrer d’en Narcís Monturiol, 15
17488 Cadaqués
Taps gibt es hier:
Pastisseria La Mallorquina
Plaça Doctor Trèmols, 8
17488 Cadaqués
Mehr Infos zu Wanderungen und geführte Touren, zum Thema Piraten, Natur oder Dalí findest Du hier: www.rutescadaques.com
Mein Besuch in Cadaqués wurde unterstützt vom Patronat Girona Costa Brava, die mich zu diesem Ausflug in die Vergangenheit und der Führung mit Mercè eingeladen haben. Die hier dargestellte Ansicht, drückt einzig und allein meine persönliche Meinung aus.
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