Das Kloster Ripoll sagt man, sei die Wiege Kataloniens. Hier hat Wilfried der Haarige, Guifré el Pelós, Graf von Barcelona und eine Art Stammvater der Katalanen, einst das Kloster Santa Maria de Ripoll gegründet.

kloster ripoll

Guifré el Pelós (840-897):

Guifré war ein mächtiger Vasall des französischen Königs: Er war Graf von Barcelona, von Osona, von Girona, von Urgell, von Cerdanya und Conflent. Damit herrschte er über einen großen Teil der Spanischen Mark, der Grenzregion, die Kaiser Karl der Große 801 gegen das sich immer weiter ausbreitende Reich der maurischen Kalifate ins Leben gerufen hatte. Von hier aus sollte die Reconquista, die Rückeroberung der Iberischen Halbinsel, die dann aber doch noch ein paar Jahrhunderte auf sich warten ließ, beginnen.

Auch wenn Guifré also ein bedeutender Mann in diesem Teil der Spanischen Mark war, aus der später Katalonien hervorgehen sollte, war er aber nach wie vor ein Untertan der karolingischen Herrscher, die ihm seine Ländereien und Titel verliehen hatten. Guifré war nicht nur in den Kämpfen gegen die Mauren und in seiner Besiedlungspolitik sehr erfolgreich. Geschickt konnte er die Schwäche des französischen Königreichs unter Ludwig dem Frommen nutzen, um seine Macht zu stärken und die ihm verliehenen Ländereien und Titel an seine Nachkommen zu vererben.

Guifré gilt den Katalanen bis heute als ein pare de la pàtria, Vater des Vaterlandes. Während er nach seinem Tod die Grafschaften unter den Söhnen aufteilte, ernannte er die Töchter Emma und Xixilona zu Äbtissinnen und stattet sie mit den entsprechenden Ländereien aus. Eigentlich soll auch Emmas kleiner Bruder Radulf Abt des Klosters von Ripoll werden. Radulf bleibt jedoch nur einige Jahre als Mönch im Monestir de Santa Maria. Dann verlässt er das Kloster, um zu heiraten.

Guifre comte Kloster Ripoll

Guifrés Strategie die Ländereien gegen Angriffe der Mauren zu sichern, bestand darin, in den ziemlich einsamen und verlassenen Gebieten, die er bereits zurückerobert hatte, möglichst schnell und möglichst viele Bauern anzusiedeln und Klöster zu gründen. So entstanden immer mehr Dörfer und Burgen, die Bewohner beackerten erfolgreich das Land, trieben Handel und verteidigten ihr Territorium gegen Angriffe der Mauren.

Neben dem Kloster Santa Maria in Ripoll entwickelte sich das nur wenige Kilometer entfernte, ebenfalls von Guifré gegründete Kloster San Joan de les Abadesses unter Emma de Barcelona zu einem zweiten, wichtigen kulturellen und wirtschaftlichen Zentrum der Region.

guifré el pelos Legende Kloster Ripoll InterpretationszentrumSchautafel mit einem Gemälde der Legende im Centre d’Interpretaciò

Die Legende:

Einer beliebten Legende zufolge soll der französische König Guifré aus Dankbarkeit für die erfolgreichen Kämpfe gegen die Mauren ein Wappen verliehen haben. Bei einem Besuch am Sterbebett des in der Schlacht tödlich verletzten Guifré, berührte der König die Wunde und zog mit seinen vom Blut Guifrés getunkten Fingern, vier rote Streifen auf das bis dahin leere Schild des Grafen. Das ist der Legende nach die Geburtsstunde der katalanischen Fahne. Der Wahrheitsgehalt der Geschichte ist zwar eher umstritten, aber kaum eine Legende erfreut sich hier größerer Beliebtheit.

Kloster Ripoll

In Ripoll stehe ich nun vor einem der von Guifré gegründeten Klöster, dem Monestir de Santa Maria de Ripoll. Unter Bischof Oliba wuchs es zu einem der wichtigsten kulturellen und geistlichen Zentren heran, das auch politisch eine entscheidende Rolle in der Geschichte Kataloniens spielte.

Abat Oliba Abt im Kloster Ripoll Abat Oliba, vor dem Kloster

Im fünfzehnten Jahrhundert sind große Teile der Klosteranlage bei einem Erdbeben zerstört worden. Es folgten Kriege und der langsame Verfall. Erst zur Zeit der Renaixença, gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts, als sich die Katalanen ihrer Identität bewusst wurden, begann man in Ripoll mit aufwendigen Restaurierungsarbeiten. Die Renaixença war sowohl eine kulturelle als auch eine politische Bewegung. Mit den jocs florals, einem Dichterwettwerb in katalanischer Sprache, und dem Modernisme, mit seinen besonders eigenwilligen, architektonischen Bauwerken, erlebte die katalanische Identität einen neuen Höhepunkt.

Im Laufe der Zeit entwickelte sich das Kloster zu einer Art Pilgerstätte der Katalanen auf der Suche nach ihren Wurzeln.

Kloster Ripoll Portal eingang

Das große Eingangstor des Klosters, die Portada, hat sowohl das Erbeben als auch diverse Kriege und Angriffe fast unbeschadet überstanden. Im Gegensatz zu den anderen Teilen der Klosteranlage ist diese mächtige Eingangtür der Kirche noch original erhalten geblieben. Als ich davor stehe, begreife ich, warum dieses pompöse Portal auch steinerne Bibel genannt wird. In unzähligen Bildern erzählt sie jedem Besucher des Gotteshauses die Geschichte der Apokalypse.

christ pantokrator Kloster Ripoll

Mit einem iPad als Guide bewaffnet, mache ich mich auf Entdeckungsreise. Ich lausche den Erklärungen, die aus dem kleinen Gerät kommen. Oben in der Mitte des Portals thront Christus Pantokrator, der Weltenherrscher. Das gesamte Eingangstor ist eine Art Triumphbogen, umgeben mit historischen Szenen und Bildern der Heiligen Schrift.

Kloster Ripoll Portal Szene

Bogen Portal Kloster Ripoll

szene Portal Kloster ripoll

Der aus Sandstein gebaute romanische Bogen ist zwar noch gut erhalten, aber der Zahn der Zeit nagt an dem weichen Material. Gerade als ich vor dem Portal stehe, sind Restauratoren mit kleinen Apparaturen dabei, die Beschädigungen zu messen, um den weiteren Verfall dieses wertvollen Kulturguts zu verhindern.

Kirche Ripoll Kloster

Dann gehe ich rein. Ich schreite geradezu andächtig durch dieses Portal. In der nach dem Erbeben wieder errichteten Kirche befinden sich mehrere Grabmäler. Der erste Sarkophag, den ich entdecke, ist der des Guifré el Pelós. Vor dem schlichten Sarg stehen Blumen.

guifre el pelos grabmal

Ramon Berenguer III:

Der Sarkophag Ramon Berenguers III ist da schon sehr viel monumentaler gestaltet. Ramon war der Sohn des Ramon Berenguer II, Cap d’Estopes, dessen Gebeine in der Kathedrale von Girona ruhen, und der wahrscheinlich von seinem eigenen Bruder ermordet wurde. Seinem Sohn ist hier in Ripoll nicht nur eine Grabplatte gewidmet, sondern er ist hoch erhobenen Hauptes auf einem edlen Ross reitend, dargestellt. Ramon Berenguer III, Graf von Barcelona, Girona und Osona, hatte sich den Beinamen „der Große“ verdient. Unter seiner Regierung begann eine bedeutende Ausdehnung der katalanischen Grafschaften. Durch geschickte Bündnisse, Heirat und siegreiche Schlachten gegen die Mauren erweiterte Ramon sein Herrschaftsgebiet sowohl nördlich als auch südlich der Pyrenäen, bevor er gegen Ende seines Lebens dem Templerorden beitrat.

Ramon Berenguer III Kloster RipollRamon Berenguer IV

Nur wenige Schritte weiter erinnert eine Gedenkplatte an seinen Sohn Ramon Berenguer IV, den Heiligen. Durch die Heirat zwischen Ramon Berenguer IV und Petronella von Aragón wurden die katalanischen Grafschaften mit dem Königreich Aragón vereint. Diese neu entstandene Staatengemeinschaft entwickelte sich zwischen dem zwölften und sechzehnten Jahrhundert zu einer der wichtigsten Mächte des Mittelmeerraums.

Ramon Berenguer IV wurde nach seinem Tod 1162 in Ripoll beigesetzt. Der reich geschmückte Sarkophag mit der Urne dieses bewunderten und verehrten Herrschers wurde in den Wirren des Pyrenäen-Krieges (Guerra dels Pirineus), einer Episode der Französischen Revolution, geplündert. Die fanatisch laizistischen Truppen der ersten Französischen Republik hatten den Befehl, alle Grabmäler oder Kultgegenstände zu zerstören. Die Soldaten öffneten zwar den Sarg, aber entrissen dem Leichnam lediglich das Schwert und nahmen die versilberten Teile des Grabmals mit.

Während der Carlistenkriege im neunzehnten Jahrhundert malträtieren dann fanatische Truppen den mumifizierten Kadaver, hielten Gericht über den toten Ramon Berenguer IV, sprachen ihn schuldig und verbrannten ihn.

Ramon Berenguer IV Gedenkplatte Kloster Ripoll

Neben der Kirche liegt der Kreuzgang des Klosters, aber ein ganz Besonderer, denn er ist zweistöckig! Das iPad erklärt mir geduldig die Bedeutung der Figuren auf den korinthischen Kapitellen. Biblische Szenen, Seejungfrauen und Meeresungeheuer wechseln sich mit pflanzlichen Ornamenten ab.

kreuzgang kloster ripoll
Dekorierte Kapitelle Kreuzgang Kloster
Kapitelle Kreuzgang Kloster Ripoll
kreuzgang kloster ripoll
Kloster Ripoll Kreuzgang oben

Nekropolis Kloster RipollIn der Kirche des Klosters ist man bei Restaurierungsarbeiten auf eine Nekropole gestoßen.

Dann muss ich auch schon weiter. Gleich um die Ecke liegen nämlich noch das Museu Etnogràfic und ein Skriptorium, denen ich auch noch einen Besuch abstatten will.

Nützliche Infos zum Kloster Ripoll : 

Adresse:
Monestir de Santa Maria
Plaza de l’Abat Oliba
17500 Ripoll/ Girona
Das Kloster liegt unübersehbar im Zentrum, direkt neben der Oficina de Turisme.

Website: www.monestirderipoll.cat

Hinweis: Meine Recherche wurde unterstützt von Turisme Ripoll und Turisme Girona, die mir den Eintritt ins Kloster und eine Übernachtung in Ripoll ermöglicht haben. Vielen Dank!