Es ist Herbst, die Zeit der Weinlese und ich bin auf dem Weg zum Weingut La Vinyeta. Schon wieder ist es ein Jahr her, seit ich dort zum letzten Mal ein paar Kisten Wein gekauft habe. Doch Josep und Marta, die den kleinen Familienbetrieb aufgebaut haben, machen längst nicht mehr nur Wein. Mit einem nachhaltigen Konzept wollen sie den ökologischen Kreislauf des Weinguts so gut wie möglich schließen. Darum will ich heute nicht nur Wein holen, sondern mich ein bisschen genauer umgucken und mir ansehen, was die beiden (mit ihrem inzwischen 20 Leute umfassenden Team) alles auf die Beine gestellt haben.
Vor Jahren habe ich einmal völlig begeistert bei einer Weinlese mitgemacht. Ich fand es sehr aufregend, die Trauben von Hand zu pflücken, und dabei die eine oder andere Traube zu naschen. Besonders viel Spaß hatten die Kinder, als sie mit ihren kleinen Füßen die Früchte zu Most stampfen durften.
Heute will ich aber keine Trauben lesen, sondern den Hühnern und Schafen einen Besuch abstatten. Seit einigen Jahren helfen die nützlichen Tiere Marta und Josep dabei, das Weingut ökologisch zu bewirtschafteten. Um zu den Gehegen der Hühner und Schafe zu gelangen, spazieren Lina und ich an einigen Weinstöcken vorbei, durch einen kleinen Olivenhain. Aus den Früchten der alten Olivenbäume, die hier schon standen, lange bevor Marta und Josep das Weingut aufbauten, wird nach wie vor Olivenöl gewonnen. „Argudell“ ist eine einheimische Sorte Olivenbäume, die im Alt Empordà, und auf französischer Seite in der Gegend von Perpignan, Colliure und Banyuls-sur-Mer, zu Hause ist. Einige der Bäume, unter denen Stühle und Tische für ein Picknick mit Blick auf die Weinreben bereit stehen, wurden schon vor vielen Generationen gepflanzt. Einer der knorrigen alten Ölbäume ist stolze 500 Jahre alt!
Das Erstaunliche ist, dass Olivenbäume viele Hundert Jahre alt werden und immer noch Früchte tragen, aus denen man Olivenöl pressen kann. Ganz junge Bäume lassen sich Zeit, bis sie die ersten Früchte produzieren. Dann steigern sie die Produktivität und liefern viele Jahre viele, gute Früchte. Bei den extrem alten Bäumen ist der Ertrag dann zwar nicht mehr so hoch, wie der eines Olivenbaums in seinen besten Jahren, dafür schmeckt das Öl dann feiner und sanfter. Ein wenig kommt es mir vor, als seien die Olivenbäume kleine Diven. Sie produzieren nur dann Früchte, wenn es ihnen in den Kram passt. Aber eigentlich machen sie es ja genau richtig. Die ganze Energie in den Nachwuchs zu stecken und sich nur zu vermehren, wenn alle Bedingungen stimmen, hat ihnen jedenfalls geholfen, so alt zu werden. Diese Oliveros teilen sich ihre Kräfte eben richtig ein.
Dann sind wir am Gehege der Hühner angelangt. Als wir uns dem Gehege nähern, rieche ich schon von Weitem die fruchtig alkoholisch Duft, den die Berge der ausgepressten Traubenreste verströmen, die hier zum Trocknen in der Sonne liegen. Lustigerweise sind die gackernden Hühner ganz verrückt nach dem Abfallprodukt der Weinherstellung. Der Trester scheint eine besondere Leckerei für sie zu sein, denn sie kommen sofort angelaufen und picken wild drauf los als ich eine Handvoll dieser Körner in das Gehege werfe. Aber Trester dient nicht nur als Futter für die Hühner, deren Eier später im Laden verkauft werden, auch zwischen den Weinreben vertreut, stärkt und nährt er als natürlicher Dünger den Boden.
Ein anderes natürliches Düngemittel liefern im Winter die Schafe. Jetzt sind sie allerdings noch auf den Sommerweiden, denn die Herde macht Transhumanz. Mit einem befreundeten Schäfer ziehen die Schafe in der warmen Jahreszeit auf die Wiesen am Cap de Creus und fressen sich dort satt. In den Wintermonaten, wenn die Trauben an den Reben abgeerntet sind, dürfen sie das Grünzeug zwischen den Weinstöcken fressen. Dabei düngen die vierbeinigen Rasenmäher dann auch gleich den Boden.
Um den Kreis wieder zu schließen, soll aus der Milch der Schafe Käse hergestellt werden. Das kleine Gebäude der Formatgeria ist Marionas Reich. Seit ein paar Jahren kümmert sich die „Käsefrau“ um die Herstellung von sieben verschiedenen Sorte Käse, die so lustige Namen tragen wie „Gehörnter“ oder „Betrunkener“. Der Betrunkene heißt so, weil er eine Weile in Rotwein badet, bis seine Kruste eine dunkelrot bis lila Farbe annimmt. Der Gehörnte ist ein Käse aus Ziegenmilch, dessen Rinde mit den Kräutern einer Ratafia-Produktion in Llançà aromatisiert wird.
Mariona ist mit sehr viel Liebe und Begeisterung bei der Arbeit. Sie erklärt die Prozesse der Käseherstellung mit so viel Leidenschaft, dass ich regelrecht angesteckt werde und am liebsten gleich selbst Hand anlegen würde. Handwerkliche Berufe haben mich immer schon begeistert, besonders die, bei denen man hergestellte Produkt dann auch noch aufessen kann. Als Kind schon wollte ich Bäckerin werden, später dann träumte ich davon, mich aus dem eigenen Garten zu ernähren und habe sogar eine Zeit lang als Köchin gearbeitet. Vielleicht mache ich ja tatsächlich irgendwann einmal eigenen Käse.
Doch zurück zur Nachhaltigkeit des Weinguts. Auch energie- und umwelttechnisch arbeitet La Vinyeta ökologisch. Auf dem Dach der Bodega sorgen Solarpanels für saubere Energie. Im Rahmen eines Forschungsprojekts (habe leider vergessen welcher Universität) werden in mehreren Becken verschiedene Schichten Erde, Kiesel, und Pflanzen als ein natürlicher Wasserfilter eingesetzt. So sollen nicht nur neue Ökosysteme geschaffen, sondern am Ende auch sauberes Wasser gewonnen werden, mit dem man die Pflanzen gießen kann, wenn der Regen mal wieder ausfällt. In den Bäumen zwischen den Weinstöcken hängen unterschiedliche Nistkästen für verschiedene Vogelarten, die als natürliche Schädlingsbekämpfer die Reben von unliebsamen Insekten freihalten sollen. Sogar Fledermäuse haben Josep und Marta versucht anzusiedeln, doch noch hat sich keine größere Gruppe dieser praktischen Insektenvernichter hier niedergelassen.
Apropos Insekten. Natürlich sind nicht alle Insekten Schädlinge. Es gibt auch Tiere, die sehr nützlich sind, wie die Bienen zum Beispiel. Darum summen in der Nähe der Schafe, ungestört von den Menschen, die auf den Weinstöcken arbeiten, auch Bienen durch die Felder und Wälder. Von diese fleißigen Völkchen stammt der leckere Honig, der hier neben Käse, Eiern, Wurst und Wein verkauft wird.
Als krönenden Abschluss unseres Rundgangs dürfen Lina und ich bei einem Picknick all die leckeren Köstlichkeiten probieren, die hier hergestellt werden. Im Laden holen wir einen fertig gepackten Korb ab und suchen uns ein nettes Plätzchen. Schnell finden wir eine ruhige Ecke mit Blick über die ältesten Weinreben des Weinguts. Dann packen wir neugierig alles aus. Es gibt Brot, Tomaten und Öl (für pa amb tomàquet), einen Salat, Käse, Wurst, Carquinyolis und dazu ein leckeres Gläschen Weißwein. Mein aktueller Lieblingswein für die immer noch warmen Tage ist der Llavors Blanc. Der passt prima zum sonnigen Tag und zum Käse 🙂
La Vinyeta: Die Website ist nicht ganz so übersichtlich, besser finde ich den Instagram Account da sind auch aktuelle Veranstaltungen wie Weinlese oder im Sommer Konzerte leichter zu finden: cellerlavinyeta
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