Viele Jahre ist es her, dass ich zum ersten Mal in Loulé war. Bis dahin kannte ich nur die Orte an der felsigen Küste, die Strände und die spektakulären Steinformationen der steil abfallenden Klippen. Loulé hat mich damals überrascht. Es war so angenehm untouristisch, so echt und liebenswert. Nun bin ich erneut in diesem kleinen Ort im Hinterland der Algarve gelandet und erkenne vieles gleich auf Anhieb wieder. Da sind die Überreste der mächtigen Burg, in der heute ein kleines Museum untergebracht ist, die ruhigen Gassen des ehemals „maurischen“ Viertels und der kleinen Jardim dos Amuados.

altstadt loule algarve
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Maurische Altstadt

Im maurischen Viertel stehen heute viele Häuser leer. Es ist ruhig geworden in diesem Teil der Altstadt. Noch bis ins 13. Jahrhundert lag hier, hinter den schützenden Burgmauern, das betriebsame Zentrum der maurischen Siedlung Al-Ulya. Die mächtigen Türme des Castelos stammen aus der Zeit nach der christlichen Eroberung. In dem kleinen Museum kann man neben anderen archäologischen Funde auch die Knochen eines besonderen Dinosauriers bestaunen: Der Metaposaurus algarvensis lebte hier vor über 200 Millionen Jahren.

Burg loule algarve
jardim loule algarve

Damals sah die Landschaft vermutlich noch ganz anders aus als heute. Aber im Gegensatz zum regenarmen Süden der Iberischen Halbinsel, herrscht in Loulé nie Wasserknappheit. Hier sprudelt das wertvolle Nass überall aus dem Boden. Es gibt zahlreiche Quellen und Brunnen, die selbst in den heißesten Sommern noch Wasser speien, wie die Fonte das Bicas Velhas im Largo Dom Pedro. Direkt dahinter stieß man vor ein paar Jahren auf die Ruinen eines arabischen Badehauses.

So ein Fund ist selten in Portugal, obwohl es zu Zeiten der Kalifate viele solcher Badehäuser im ganzen Land gegeben haben muss. Doch weil es fast nichts mehr davon geblieben ist, sind die Menschen in Loulé natürlich besonders stolz auf die deutlich erkennbaren Heiß- und Kaltbaderäume, die die Archäolog:innen hier freigelegt haben. Einen Bereich der Badeanlage, der viele Jahrhunderte lang unter der Erde verborgen war, konnte man unter einem leer stehenden alten Haus ausgraben. Andere Bereiche des vermutlich noch viel größeren Hamams liegen allerdings unter einer Straße, und müssen wohl noch ein paar Jahre mehr unter der Erde begraben bleiben.

Markthalle in Loulé

An die maurische Vergangenheit erinnert auch die schöne Markthalle in Loulé. Als sie 1908 in einem neo-maurischen Stil errichtet wurde, galt der elegante Bau als ein Prestigeobjekt. Man wollte zeigen, dass sich die Menschen in Loulé etwas leisten konnte. Der Stadt ging es gut und der Handel blühte. Bis heute gehen die Einheimischen gern auf dem zentralen Markt frischen Fisch, Obst und Gemüse einkaufen. Der wichtigste Markttag ist aber der Samstag. Dann kommen die Kleinbauern und -bäuerinnen aus der Umgegend hierher, um in Loulé ihre Produkte feilzubieten. Rings um den Mercado Municipal bauen sie ihre Stände auf. Dann gibt es Äpfel, Bananen, Süßkartoffeln, Rote Beete, Rettich, Granatäpfel oder Cherimoyas zu kaufen.

Loulé Markthalle

An einem dieser Stände bietet ein älterer Herr die Früchte des Johannisbrotbaums an. In einem Korb liegen die schwarzen Schoten, die zu den Spezialitäten der Algarve zählen. Aus den wertvollen Samen wird Kosmetik hergestellt, die Schote wird zu Mehl gemahlen, das wiederum zum Kuchenbacken, als Schokoladen- oder sogar als Kaffeeersatz verwendet wird. Eine rundliche Frau mit freundlichem Gesicht verkauft Marmeladen und diverse Sorten Medronho, den selbst gebrannten Schnaps aus den kleinen, stacheligen Früchten, die im Winter rot, gelb und orange an den Bäumen leuchten. Getrocknete Feigen sind mit Mandeln zu hübschen Blumen verflochten, es gibt getrockneten Oregano, Honig, Wurst und handgearbeitete Körbe.

Als ich die Markthalle betrete, entdecke ich doch etwas Neues. Natürlich gibt es immer noch frischen Fisch wie Seezunge, Schwertfische, Goldbrassen, Muscheln und Meeresfrüchte. Doch seit die Markthalle 2020 frisch restauriert wurde, laden nun zwei schicke Bistro-Restaurants mitten im Markt zum Essen ein.

Der Kupferschmied

Wieder in Richtung Burg schlendernd höre ich Analide schon bevor ich ihn sehe. Analide Carmo ist Kupferschmied und formt mit dem Hammer das kupferne Gefäß in seinem Schoss. Tag für Tag sitzt der freundliche ältere Herr in  seiner Werkstatt mit Blick auf die Burg, und fertigt Pfannen, Kessel, Schalen oder die traditionelle Cataplana an. Cataplana ist ein spezielles Kochgeschirr, in dem man an der Algarve einen köstlichen Muscheleinopf zubereitet. In den Regalen der Werkstatt werden auch Ohrringe, Armbänder und andere kleine Kunstwerke aus Kupfer angeboten. Denn Analide arbeitet nicht allein hier. Er ist der Meister, der sein Wissen an die jüngere Generation weitergibt. Neben den Nachwuchs Kupferschmieden lernen auch Künstler:innen aus aller Welt hier in Loulé, wie man das Metall bearbeitet.

 kupferschmiede loule algarve

Das Schöne ist, dass man Analide und seinen Kolleg:innen nicht nur bei der Arbeit zusehen, sondern die traditionellen und neuen Kreationen auch käuflich erwerben kann. Als Tourist hat man so die Möglichkeit, ein besonderes und einzigartiges Andenken aus Loulé mit nach Hause zu nehmen und gleichzeitig unterstützt man die Stadt in ihrem Projekt alte Handwerksberufe nicht aussterben zu lassen.

In Loulé kam man nämlich 2013 auf die Idee, dass es doch sehr traurig und schade wäre, wenn all das Wissen und die jahrhundertelange Erfahrung bei der Verarbeitung von Naturmaterialien für immer verloren gehen würde. Während die Generation unserer Großeltern noch Körbe flechten und Kupfer zu Kesseln bearbeiten konnte, sind die in vielen Jahrhunderten erworbenen Techniken und Erfahrungen in nur wenigen Jahrzehnten schon fast vollständig in Vergessenheit geraten. Gerade noch rechtzeitig wurde man sich bewusst, dass heutzutage kaum noch jemand die Fähigkeiten unseren Großeltern beherrscht. Und so machte man sich auf die Suche nach Renter:innen, die Zeit und Lust hatten in einem Projekt ihr Wissen weiterzugeben.

kupferschmiede loule algarve

Menschen, die Körbe flechten, töpfern oder Keramik bemalen, waren schnell gefunden. Doch verzweifelt suchte man jemanden, der die Kunst des Kupferschmiedens beherrschte. Zum Glück erinnerte sich ein Nachbar daran, dass Analide früher einmal Schmiedemeister war. Obwohl er anfangs nicht sehr überzeugt von dem Projekt war, – wer sollte Interesse an diesem alten Zeug haben? – ließ er sich umstimmen und gab in einem Workshop sein Wissen weiter. Seither kommt Analide fast täglich her und denkt gar nicht ans Aufhören. Er liebt seine Arbeit und ist richtig erfolgreich. Junge Leute kommen extra nach Loulé, um das Handwerk von ihm zu lernen und Analide ist glücklich, dass er seine Erfahrung an die junge Generation weitergeben kann.

Loulé

Neues Design mit altem Handwerk verbinden

Loulé ist innerhalb weniger Jahre zur heimlichen Hauptstadt des Kunsthandwerks an der Algarve geworden. In einer kleinen Gasse, nicht weit von der Burg entfernt, liegt die Boutique Tasa. Auch Tasa ist 2010 aus einem Projekt heraus entstanden, das es sich zum Ziel gesetzt hatte, traditionelle Handwerksberufe vor dem Aussterben zu bewahren. Traditionelle Handwerksberufe sind ein Stück Kulturgeschichte, denn sie verbinden die Landschaft und die Menschen, die in ihr leben. An der Algarve wurde das Wissen aus Naturprodukten wie Palmenzweigen, Kork, Lehm oder Espartogras nützliche Haushaltsgegenstände herzustellen, über viele Generationen hinweg weitergegeben. Dank einiger engagierter Köpfe gehen all diese nützlichen Kenntnisse, die gerade heute auf der Suche nach einem nachhaltigeren Lebensstil wieder von Bedeutung sind, in Loulé nun nicht mehr verloren.

Loulé Taso Projekt
Loulé Taso Projekt

Zum Projekt Tasa gehören nicht nur ganz unterschiedliche Workshops und Aktivitäten, bei denen man diese traditionellen Fertigkeiten erlernen kann. In der kleinen Boutique werden auch exklusive Kreationen verkauft, die modernes Design und alte Handwerkskunst miteinander verbinden: originelle Hocker und Kleiderhaken, hübsche Körbe, Tongefäße mit geflochtenem Deckel, Untersetzer, Weinkühler, Besen, Salzstreuer, Töpfe, Bretter, Schalen – die Liste an dekorativen Haushaltsgegenständen scheint endlos. Sogar alte Holz- und Bambusspielzeuge, Fahrradsattel aus Kork und fröhlich bunte Lampenschirme haben die Künstler- und Handwerker:innnen sich einfallen lassen.

Süße Mandeln

Und natürlich komme ich auch in Loulé nicht um die leckeren portugiesischen Mini-Kuchen herum. Hier gibt es nicht nur Natas, die bekannten mit Vanille-Sahnecreme gefüllten Küchlein, sondern auch ganz viel Mandelgebäck. Mandeln gehören neben Feigen und den Früchten des Johannisbrotbaums zu den wichtigsten Leckereien, die es an der Algarve so gibt. Zumindest sieht es so aus wenn man in die Auslagen der vielen kleinen Cafeterias und Bäckereien schaut. Eines der Cafés, in dem die extrem leckeren Mandelküchlein serviert werden ist die Fábrica Da Amêndoa. Hier wird mit regionalen Zutaten nach althergebrachten Rezepten gebacken. Das erzählt nicht nur Joaoa, der Inhaber stolz, das schmecke ich. Hier gibt es echtes Hüftgold.

mandelkuchen algarve loule

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Gleich um die Ecke der „Mandelfabrik“ liegt ein winziges Trockenfrüchte Museum, in dem man alte Maschinen bestaunen und lernen kann, wie die Menschen bis vor wenigen Jahren hier die Trockenfrüchte geerntet und verarbeitet haben. Während bei den Mandeln nur die feinen Kerne der Früchte zum Backen oder Kochen benutzt werden, kann man von der Frucht des Johanisbrotbaums fast alles verwenden. Die teuren Samen werden zu Kosmetik verarbeitet und die Schote wird gemahlen. Das fast schwarze Mehl dient als Kaffee- oder Schokoladenersatz.

Loulé Museum

Nützliche Infos zu Loulé 

Loulé Criativo
Website www.loulecriativo.pt
Rund um die Markthalle gibt es viele kleine Boutiquen, wie die Loja colectivo, in der Manoli ihre mit Naturstoffen gefärbten Textilien anbietet.
Loja colectivo 28
Rua José Fernandes Guerreiro 28
8100-535 Loulé
Website Manoli Ortiz de la Torre www.ortizdelatorre.com

stoff bemalen loule

Castelo de Loulé
Rua Dom Paio Peres Correia 17
8100-606 Loulé

Projecto Tasa
Rua de Portugal 35 B
8100-554 Loulé
Website www.projectotasa.com/

Werkstatt Kupferschmiede
Oficina de Caldeireiros
Rua da Barbacã 26 – 28
8100-546 Loulé

Restaurant Tipp: 
Ligeiro Palpite
Rua de Portugal 47
8100-554 Loulé
Ein kleiner unaufälliger Laden mit vielen leckeren veganen und vegatarischen Optionen. Nicht teuer und sehr familiär.

Fábrica Da Amêndoa
Largo Gago Coutinho 16
8100-612 Loulé

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Museu Municipal de Loulé – Pólo Museológico dos Frutos Secos
Rua Gil Vicente 14
8100-697 Loulé

Tipp: Salzmine Loulé

Unterhalb von Loulé stieß man in den fünfziger Jahren auf ein riesiges Salzvorkommen. Eigentlich waren die Bauern auf der Suche nach neuen Weideflächen und ließen den Grund nach unterirdischen Quellen, von denen es hier ja recht viele gibt, absuchen. Doch das Wasser, das man unterhalb von Loulé fand, war überraschenderweise salzhaltig. So kam man also den hier schlummernden Salzvorräten auf die Spur. Kurz nach der Entdeckung begannen Fachkräfte damit, das Mineral abzubauen. Doch bald war die Salzmine nicht mehr rentabel und wurde mehr oder weniger stillgelegt. Nur noch in einem kleinen Teil der Anlage wird heute Salz abgebaut. Den anderen Teil hat man für Besucher:innen zugänglich gemacht, sodass man in Loulé nun unterhalb der Stadt in die Welt der Salzkristalle abtauchen kann.

Bei der rund zwei Stunden dauernden Führung geht es 230 Meter tief unter die Erde. Auf dem für die Touren ausgebauten Teil des insgesamt 40 km umfassenden Wegenetzes durch Tunnel und Gänge, erfährt man nicht nur, wie Salz abgebaut wird, sondern kann einen Blick in die Vergangenheit werfen. Denn vor 230 Millionen Jahren befand sich an dieser Stelle ein Meer. Alexandre, der Direktor der Salzmine, strahlt richtig, wenn er von den Muscheln und den Fischen erzählt, die hier einst lebten. Stolz weist er darauf hin, dass die Steine ihre eigene Geschichte erzählen. Man muss eben nur genau hinsehen.

Die Besuche der einzigen Salzmine Portugals sind nicht nur spannend, sondern auch gesund. Durch den hohen Mineralgehalt ist die Luft dort unten besonders trocken und sauber. Für Menschen, die unter Asthma oder einer Lungenkrankheit leiden, soll ein Aufenthalt in der Mine besonders wohltuend wirken.

Mina de Sal-Gema de Loulé
Rua dos Combatentes da Grande Guerra 80
8100-616 Loulé
www.techsalt.pt

salzmine Loule

 

Bereist im November 2021