Unterwegs in einer außergewöhnlichen Zeit. Michi und ich sind vor ein paar Wochen nach Andalusien gefahren. Doch in diesem Jahr ist alles anders, nicht nur das Reisen. Wir haben es uns nicht leicht gemacht und lange überlegt, ob wir fahren sollen oder nicht. Die Eintrittskarten zur Alhambra hatte ich schon im Januar gekauft, als noch niemand an Covid und die vielen Katastrophen dieses Jahres dachte. „Damals“ musste man die Tickets monatelang im Voraus reservieren.
Wir leben sowieso schon in Spanien, würden viel draußen sein und mit dem eigenen Auto fahren. Die Alhambra würden wir nie wieder so leer zu sehen kriegen wie in diesem Jahr, wo nur ein paar einheimische Touristen unterwegs sind. Kurz bevor es losgehen sollte, sah die Entwicklung hier bei uns gerade etwas entspannter aus. Die Zahl der Neuansteckungen in Barcelona war stabil. Vielleicht war das unsere letzte Chance, bevor der Herbst kommt, dachten wir und entschieden uns schließlich für die kleine Reise. Wir fuhren los.
Cortijo el Sarmiento:
„Beim Frühstück kommt mir kein Plastik auf den Tisch.“ Yvonne füllt selbst gemachte Orangen – und Feigenmarmelade in kleine Schälchen. Ihr Mann Carsten presst frischen Orangensaft für uns. Die Apfelsinen wachsen direkt hinter dem Haus, gleich neben den Quitten, Zitronen und Granatäpfeln. Dazu gibt es leckeres Müsli, einen frischen Obstsalat und Wurst und Käse aus der Region. Alles wird liebevoll angerichtet, dann bringt Yvonne das Frühstück direkt an unseren Tisch. Normalerweise bedienen sich die Gäste im Cortijo el Sarmiento vom Buffet, doch in Coronazeiten richten sich auch Carsten und Yvonne auf die besonderen Umstände ein und treffen alle nur erdenklichen Vorsichtsmaßnahmen. Statt Frühstücksbuffet gibt es Frühstück à la carte. Damit das nicht auf Kosten der Umwelt geht, darauf legt Yvonne viel wert, kauft sie nicht einzeln verpackte Portionen Marmelade, sondern kleine Glasschälchen und Flaschen, in die sie den Gästen Butter, Öl und Gelee nach Wunsch abfüllen kann – ganz ohne Plastik.
Ich bin nicht das erste Mal im Cortijo el Sarmiento zu Besuch. Schon bei meinem ersten Aufenthalt hier haben wir uns supergut mit Yvonne und Carsten verstanden, viele Gemeinsamkeiten entdeckt und unsere Erfahrungen über das Leben in Spanien geteilt. Während wir ja im Norden leben, haben die beiden sich hier im Süden ein Zuhause geschaffen. Sie lieben die Landschaft und die Menschen und versuchen, so regional wie möglich einzukaufen. Das ist nicht immer einfach, vor allem, wenn man weit ab von größeren Städten lebt, wie Carsten und Yvonne hier im Cortijo. Dafür gibt es aber unendlich viel Platz auf dem umgebauten Hof, in dem die beiden ihre Gäste empfangen. Sieben wunderschön eingerichtete Zimmer verteilen sich in einem riesigen Garten mit vielen verwinkelten Ecken.
Am Abend gehen wir zu viert in ein kleines Restaurant essen. Das Malabar ist der jüngste Ableger eines der ältesten Chiringuitos in Mojacar, dem Aku Aku. Das Essen ist wirklich lecker, so gut, dass ich ganz vergesse, überhaupt Fotos davon zu machen. Wir sind so sehr ins Gespräch vertieft, die Zeit vergeht wie im Flug. Yvonne ist engagiert und tatkräftig, wie immer steckt sie voller neuer Projekte und Ideen. Leider haben Michi und ich viel zu wenig Zeit, um die Gegend in aller Ruhe zu erkunden. Denn wir wollen ja noch weiter nach Granada. Aber wir machen Pläne. Pläne für die Zeit nach Corona. Rund um Mojacar gibt es viel zu sehen und hier ist wirklich viel Platz. Aber auch hier spürt man, dass zurzeit die Gäste aus Belgien, England und Deutschland wegbleiben. Elia und Estelle, die beiden Schwestern, die das Malabar führen, sind besorgt. Alle hoffen irgendwie durchzuhalten, erzählen sie uns. Doch einfach ist es gerade nicht.
Almeria
Immer wieder ist Yvonne darüber verwundert, dass sich nur so wenige Touristen in die östlichste Ecke Andalusiens, nach Almeria, verirren. Die meisten Besucher wollen nach Malaga, Sevilla, Granada oder Córdoba. Bis heute ist Almeria tatsächlich vom Phänomen des Massentourismus verschont geblieben. Vielleicht liegt es daran, vermutet sie, dass auf den Landkarten einiger Reiseführer weder Almeria (ganz im Osten) noch Huelva (ganz im Westen) überhaupt zu sehen sind. Andalusien ist eben einfach richtig groß. Die Leute, die trotzdem nach Almeria finden, suchen keinen lustigen Trubel, sondern Ruhe und Natur.
Mein Andalusien Reiseführer hat Almeria nicht nur „mit drin“, sondern fängt sogar damit an. Gleich auf den ersten Seiten stellt das Buch den Naturpark Cabo de Gata vor, eine paradiesische Landschaft, die schon 1997 zum Biosphären Reservat ernannt wurde. Yvonne kennt hier tolle Wege zum Wandern und Strände zum Baden, die sie uns schon bei meinem ersten Besuch gezeigt hat. Der Autor kennt sogar die Lost Places und einsame Höfe wie den Cortijo del Fraile, den ich besonders spannend fand, weil sich dort eine unglaubliche Geschichte verbirgt. Das halb verfallene Gutshaus inspirierte einst Federico García Lorca dazu, Bodas de Sangre, die Bluthochzeit, zu schreiben. Hier an diesem Ort hatte sich nämlich zu Beginn des letzten Jahrhunderts eine Tragödie abgespielt, die Lorca dann in seiner Geschichte verewigte. Wie kaum ein anderer spanischer Autor hat Lorca in seinen Werken den rauen Alltag, das Denken der Menschen und ihre Moralvorstellungen festgehalten.
Die Westerndörfer, in denen zahlreiche berühmte Filme gedreht wurden, kommen natürlich im Reiseführer auch vor. Ich finde die Landschaft des Desiertos de Tabernas, die einzige Halbwüste des europäischen Kontinents, so genial, dass sie auch ohne die Westerndörfer einen Besuch wert ist.
Ganz in der Nähe der Westernstädte liegt das Gold der Wüste, Oro del Desierto. Rafael und seine Söhne stellen hier seit vielen Jahren allerbestes Olivenöl her. Für die gute Bioqualität erhalten sie seit Jahren immer wieder die höchsten internationalen Auszeichnungen. Und es schmeckt eben einfach gut. Weil wir echt viel Olivenöl verbrauchen, habe ich mir während des Lockdowns sogar ein paar Kanister von hier nach Hause schicken lassen.
Fast tut es mir jetzt leid, dass wir noch in die Alhambra fahren. Ich wäre gern noch ein paar Tage länger bei Yvonne und Carsten geblieben. Aber zum Glück ist Andalusien nicht so weit weg. Wir kommen ganz bestimmt bald wieder. Außerdem muss ich ja noch Yvonnes Granatapfelgelee mit arabischen Gewürzen probieren. Das gibt es aber erst im Herbst, wenn die roten Kugeln mit den süßen Kernen reif sind.
Granada – die Alhambra
Die Fahrt von Almeria nach Granada bestand aus vielen Ahs und Ohs. Immer wieder entdeckten Michi und ich irgendetwas Faszinierendes in der vorbeifliegenden Landschaft. Unser Weg führte an der Tabernas Wüste und der angrenzende Alpujarra almeriense vorbei. Eine echt faszinierende Strecke durch eine mondartige Landschaft. Und dann waren wir auch schon in Granada. Zunächst hatte das GPS mal wieder seinen eigenen Kopf und wollte uns immer wieder in eine enge Fußgängerzone lotsen. Irgendwann hatten wir es dann aber doch geschafft und standen vor dem Haupteingang der Alhambra.
Nun kam mein Reiseführer wieder zum Einsatz. Dieses Mal aber richtig. Drei Mal hatte ich die mehr als dreißig (!) Seiten über Granada gelesen. Die Erklärungen der einzelnen Gebäude der Alhambra sind wirklich megaausführlich und enthalten zum Glück auch einen Plan der Anlage, denn leider gab es vor Ort – wegen Covid – keine Faltpläne zur Orientierung.
Ich hatte erwartet, dass der gesamte Hügel mit maurischen Palästen bedeckt sei. So wie der Alcázar in Sevilla, nur noch größer. Doch zunächst ging es durch eine weitläufige Gartenanlage. Erst nach rund zehn Minuten Fußweg kamen wir zu den Palacios Nazaries (Palacio Real). Allein der Besuch dieses alten Königspalasts der Nasriden lohnt den Weg hierher. Atemberaubend verzaubernd. Filigrane Malereien und Verzierungen, leichte, bunte Farben, Bögen, Kurven und Schnörkel ziehen sich durch den gesamten Palast, wie ein Netz aus feinen Fäden reichen sie von einem Raum zum anderen. Da es leider keinerlei Informationsmaterial gibt, bin ich echt froh, meinen gedruckten Reiseführer dabei zu haben, der uns durch die Räume führt. Michi war als Kind schon mal mit seinen Eltern hier, konnte sich aber nur noch an den Patio de los Leones erinnern. Dieser Löwenhof, so lese ich, war einst das Herz des Harems Mohammed V. Hier befanden sich die privaten Gemächer des Herrschers, die Räume, in denen er mit seiner Familie, also diversen Frauen und Kindern, lebte.
Wenn ich mir irgendwann einmal ein Haus bauen sollte, dann würde ich es in diesem märchenhaft-kitschig-orientalischen Stil bauen, in dem die Mauren vor Tausend Jahren überall in Andalusien ihre Paläste errichtet haben. Immer plätschert irgendwo klares Wasser, alles ist hell und leicht. Eine so freundliche und irgendwie sehr weibliche Architektur habe ich noch nirgendwo anders gesehen.
Leider können wir nicht endlos in den Räumen hin und her bummeln. Aufgrund der Covid-Bestimmungen gibt es strenge Zeitfenster für eine bestimmte Anzahl an Besuchern, die sich auch nur auf vorgegebenen Wegen bewegen dürfen, damit sich hier niemand zu nahe kommt. Aber ich bin froh und dankbar, das hier überhaupt alles sehen zu dürfen.
Infos zu Andalusien
Als Unterkunft in Andalusien kann ich – von ganzem Herzen- Yvonnes und Carstens kleines Paradies vor den Toren Mojacars wirklich empfehlen. Viel Platz, liebevoll eingerichtet, allerbeste Betütdelung der Gäste. Yvonne kennt sich richtig gut aus und macht wirklich tolle Vorschläge, was man alles unternehmen oder wo man gut essen kann.
Cortijo el Sarmiento
Camino de Gatar 2
04638 Mojácar (Almería)
Website: www.el-sarmiento.com
Oro del Desierto
Zum Nachhaltigen Reisen gehört auch, regionale Produkte vor Ort zu kaufen und damit die kleinen lokalen Anbieter zu stärken.
Website: orodeldesierto.com
Übrigens kann man in dem kleinen Restaurant nebenan das Öl gleich im Alltagseinsatz kosten!
Alhambra:
Eintritt kostet 14,85 Euro für mich, Michi hat ermässigt nur 8,48 Euro gezahlt. Die Eintrittskarten sind den ganzen Tag über gültig, wichtig ist nur die angegebene Uhrzeit für die Besichtigung der Palacios Nazaries zu beachten. Da muss man pünktlich am Eingang stehen. Im Winter ist die Alhambra von 8.30 bis 18 Uhr, im Sommer von 8.30 bis 20 Uhr geöffnet.
Als wir dort waren, konnte man an einem gesonderten Schalter Eintrittskarten für denselben Nachmittag kaufen. Ich bin mir nicht sicher, ob das immer so ist, aber ich habe gehört, es gibt auch in „normalen“ Zeiten ein kleines Kontigent an Karten, das nur direkt vor Ort verkauft wird.
Ofizielle Website: www.alhambra.org
An diversen Stellen mussten wir unsere Ausweise vorzeigen und einscannen lassen, damit nachverfolgbar ist, wo wir uns auf dem Gelände befinden. Eigentlich reicht ein einziger Tag gar nicht, um sich alles anzusehen. Die Alhambra ist nämlich kein einzelnes Gebäude, sondern eine weitläufige Anlage.
Andalusien Reiseführer:
Wie immer ist auch dieser MM Reiseführer gut recherchiert und gewohnt ausführlich geschrieben. Was mir persönlich außer den vielen Tipps von Almeria bis Cádiz besonders gut gefällt, ist der hintere Teil Nachlesen und Nachschlagen. Darin gibt es richtig viele Hintergrundinfos, unter anderem auch zur maurischen Geschichte Andalusiens. Für mich sind solche Abschnitte immer die, die entscheiden, ob ich mir ein Buch letztendlich kaufe oder nicht. Einen Reiseführer der nur aus Top-Sehenswürdigkeiten und Restaurantstipps besteht, würde ich ins Regal zurückstellen. Aber je ausführlicher Kultur und Geschichte in einem Reisehandbuch abgehandelt werden, umso besser kann ich eine Region schließlich verstehen.
Obwohl das Reisen im Augenblick leider schwierig ist, können wir trotzdem lesen. Auch als Vorbereitung für die Zeit „danach“ sozusagen. Und irgendwie ist Lesen auch eine prima Übung, um die gute Laune nicht zu verlieren. Ich lese einfach immer weiter und habe in meinem Andalusien Band bereits mehrere Orte entdeckt, die ich bei meinem nächsten Abstecher in den Süden auf jeden Fall angucken werde. Ich war nämlich immer noch nicht auf dem Caminito del Rey und auch den Parque Nacional de la Doñana kenne ich bislang nur vom Vorbeifahren. Und für die Alpujarras muss ich mir auch noch mal mehr Zeit nehmen … Das einzige, was dem Buch noch fehlt, ist eigentlich nur der Cortijo el Sarmiento als Unterkunftstipp. 🙂 In der nächsten Auflage hoffentlich!
Andalusien
von Thomas Schröder
ISBN 978-3-95654-719-5
Michael Müller Verlag
Hinweis: Der Reiseführer wurde mir vom Verlag kostenlos überlassen. Die Reise haben wir selbst bezahlt. Der Artikel beruht auf meinen persönlichen Erfahrungen.
Die Gegend ist wunderschön