Für blühende Lavendelfelder sind wir zu spät dran. Es ist September, Lavendelzeit ist im Juli. Trotzdem ist die Landschaft zum Verlieben schön. Besonders an meinem ersten Tag hier ist das Licht irgendwie anders, sauberer, irgendwie … besonders. Vielleicht liegt es am Mistral, dem „lou manjo“, diesem Wind, der aus den Bergen herunter weht und den ganzen Staub einfach hinwegfegt. Lila Lavendel wächst nur noch vereinzelt am Wegesrand. Stattdessen gibt es jede Menge Silber-Pappeln, die silber-weiß (deswegen heißen sie ja so) in der Sonne glänzen. Und natürlich Obst- und Gemüseplantagen, teilweise so weit das Auge reicht!

Provence Lavendel

Schon vor über hundert Jahren hat ein verrückter Holländer hier in der Provence seine Staffelei aufgebaut und wie ein Wahnsinniger gepinselt. Er wollte dieses unglaubliche Licht und diese knall-kräftigen Farben in seinen Bildern festhalten. Viele der schönsten Gemälde Van Goghs sind deswegen genau hier entstanden.

Nach ihm kamen noch viele andere Maler. Gaugin und Van Gogh waren sogar gleichzeitig hier. Heute sind es vor allem Fotografen, die wie Motten von diesem Licht verzaubert und magisch angezogen werden. Wie so oft wünschte ich, ich hätte mehr Ahnung vom Fotografieren, um die Schönheit der Welt um mich herum in einem Bild einfangen zu können.

Arles Provence

Arles…

… ist die heimliche Hauptstadt der Provence, jedenfalls die der Touristenherzen. Ich will unbedingt ein ganz bestimmtes Café finden, das Van Gogh auf einem Gemälde verewigt hat. Ich bin sehr gespannt, ob es das Etablissement überhaupt noch gibt. Viel schneller als gedacht, stehe ich direkt davor: eine knallgelbe Hauswand und viele kleine Tische, an denen ausschließlich Touristen sitzen.

Ich versuche die ungefähre Position zu finden, in der Van Gogh seine Staffelei aufgebaut haben muss. So ganz genau kriege ich das leider nicht hin. An eben der Stelle, an der Vincent damals gestanden haben muss, befindet sich leider ein vollbesetztes Restaurant. Da ich mich ja schlecht zu den Leuten an den Tisch setzen kann, suche ich eine möglichst ähnliche Stelle, um mein Foto zu schießen. Schließlich habe ich mehr oder weniger die Perspektive erwischt, aus der der berühmte Mann diese Straßenszene vor hundert Jahren gemalt hat. Nur ist es auf seinem Bild Nacht, während auf meinem Bild eine glühendheiße Mittagssonne strahlt. Aber das macht nichts. Auch wenn ich sicherlich nicht die Einzige bin, die auf diese Idee gekommen ist, bin ich trotzdem froh und glücklich. Und auch ein bisschen beeindruckt, an der Stelle zu stehen, die der berühmte Van Gogh damals auserwählt hat.

(Später zuhause muss ich dann beim Zoomen feststellen, dass in der Ecke des Fotos, also in Arles ca. 1 m vor mir, ein fetter Stein mit dem aufgedruckten Gemälde Van Goghs zu sehen ist, der den genauen Standpunkt kennzeichnet! Ich nun wieder… 😉 )

Arles Provence

Durch kleine, enge Gassen, in denen kleine Cafés winzigkleine Tische für zwei aufgestellt haben, schlendern wir zum Ufer der Rhône. Charmant putzen sich alte Häuschen mit bunten Blumen fein raus. Bunt und grün blüht es zwischen den vielen Steinen. In der Ferne kann man ein paar steinerne Löwen am Rand des Flusses erkennen. Wir rätseln, warum und wieso diese steinernen Wächter gerade dort platziert wurden. Als Michi am anderen Ufer zwei weitere Löwen entdeckt, ist es klar: hier führte früher mal eine Brücke über die Rhône.

Am Rhôneufer steht auch eine alte Therme, les Thermes de Constantin. Zu Zeiten des römischen Kaisers Konstantin des Großen, so im 4. Jahrhundert n.Chr, traf sich hier die Elite der Stadt, die Reichen und Schönen, um zu baden und vor allem um zu quatschen. Diese Badehäuser waren ja eher ein sozialer Treffpunkt und dienten praktisch nebenbei auch der Hygiene.

Arles Provence   Konstantin Therme

Obwohl es im September schon fast Herbst ist, scheint die Sonne unbarmherzig von Himmel. Als wir am Amphitheater vorbeikommen, dringen von irgendwo her klassische Flamenco-Töne an mein Ohr. Ein Typ im Anzug spielt auf seiner Gitarre.

Arles erinnert mich ein ganz klein wenig an Verona. Auch hier erhebt sich das alte römische Amphitheater majestätisch und selbstbewußt aus dem Häusermeer empor, mitten im Zentrum der Altstadt. Der große Unterschied ist, dass hier keine Opern gesungen, sondern Stierkämpfe veranstaltet werden.

Arles Amphitheater

Arles Provence Amphitheater

Wie schon in Saintes Maries habe ich auch in Arles manchmal das Gefühl eher in Andalusien, als in Frankreich zu sein: Stiere, gitanes und Flamenco Gitarren gibt es an fast jeder Ecke. Aber es ist total schön, nur für mich etwas unerwartet. In Katalonien sieht man nirgends Stiere. Keine echten und erst recht keine Andenken. Stierkämpfe sind in Barcelona seit Kurzem sogar verboten.

Ein weiteres Überbleibsel der Römer ist ein altes Theater, nur wenige Schritte vom großen Amphitheater entfernt. Das „theatre antic“ besteht fast nur noch aus Ruinen. Viele Steine des Römischen Theaters wurden im Mittelalter recycelt und zum Häuserbau verwertet. Arles ist also ein buntes Durcheinander alter und noch älterer Steine, die jeder für sich ihre ganz eigene Geschichte erlebt haben.

Arles römisches Theater Provence

Am Eingang des Theaters hängt eine Gedenktafel. Es muss wohl Provençal sein, denn überraschenderweise ist es dem Katalanischen sehr ähnlich. Ich kann es auf jeden Fall lesen und weiß jetzt, dass hier im 16. Jahrhundert eine Sant Jordi Bruderschaft gegründet wurde. Als ich am Ende des Texts ankomme, sehe ich dass es auch eine französische Übersetzung gibt… ;-).

Nebenan, hinter einer hohen Mauer versteckt, liegt eine Schule: Kinder toben lautstark spielend auf dem Pausenhof. Die Ferien sind in Frankreich schon vorbei. Der Sommer geht langsam echt zu Ende.

Arles Provence Altstadt

Arles Provence Altstadt

Arles Provence Altstadt Fenster

Arles Flamenco Gitarre

Arles Provence Stier

Arles Provence

Arles Provence alte Fassade

Arles Provence Fenster grün

Arles Provence Haus Ecke

Nützliche Infos zum Nachreisen:

Therme Constantin:
Öffnungszeiten: Mai bis September täglich 9-12 h und 14- 19 h
(nur im Sommer!  Oktober bis Februar reduzierte Zeiten)
Eintritt: Erwachsene 3 Euro, Kinder unter 18 Jahre frei

Amphitheater und Römisches Theater:
Für die beiden Theater gibt es eine gemeinsame Eintrittkarte :
Preis Eintritt Erwachsene 6,50 Euro, Kinder unter 18 Jahre frei
Öffnungszeiten: Mai bis September täglich 9-12 h und 14- 19 h
(nur im Sommer!  Oktober bis Februar reduzierte Zeiten)

Mehr Infos auf der Website l’Office de Tourisme: www.arlestourisme.com

In Arles gibt es übrigens auch eine coole Monumenttracker App! …sagte jedenfalls der super nette Herr im Büro der Touristeninformation dort. Konnte ich leider noch nicht selbst ausprobieren, werde ich aber beim nächsten Mal versuchen!

Arles blühende Fassade Provence

Arles Provence Fassaden

Arles Provence  Andenken

 

…ach ja, und hier noch das Foto, das ich versucht habe, aus der Van Gogh- Perspektive zu schießen:

Arles Provence Cafe Van Gogh