Die Weinrebellen des Arribes del Duero:
Ganz im Westen Spaniens, kurz vor der portugiesischen Grenze, erfindet eine junge Generation Winzer den traditionellen Weinanbau der Region wieder neu. Viele Jahrhunderte lang hatte hier jede Familie ein paar Meter Land, auf dem sie Wein für den Eigenbedarf anbaute. Da das Erbe unter den Söhnen gleichmäßig aufgeteilt wurde, wurden die Weinstöcke im Laufe der Zeit immer kleiner. Wirtschaftskrisen schüttelten das Land und führten zur Abwanderung großer Teile der Bevölkerung. Viele der über 100 Jahre alten Weinstöcke lagen brach und verwilderten. Doch genau das reizte ein paar junge Weinbauern. Statt typische Weine zu produzieren, wie es sie anderswo schon gibt (gut und günstiger als man sie hier produzieren könnte), wollten sie etwas Neues schaffen.
Während Weinanbaugebiete wie La Rioja oder Ribera del Duero längst über Spaniens Grenzen hinaus bekannt sind, sind die Weine aus Zamora, der Sierra de Francia oder Arribes del Duero noch weitgehend unentdeckt.
Bodega el Hato y el Garapato
José und Liliana gehören zu den jungen Winzern, die sich an den Ufern des Duero (der Name „Arribes“ stammt von dem lateinischen Wort für Ufer) niedergelassen haben. Nachdem sie in Australien, Kalifornien und Portugal bereits Erfahrungen im Weinanbau gesammelt hatten, kehrten sie in das Dorf der Großeltern zurück, um sich hier in das Abenteuer einer eigenen Bodega zu stürzen. Voller Energie und mit vielen neuen Ideen machten sie sich daran, die verwilderten Weinstöcke wieder nutzbar zu machen.
Zu den in der D.O. Arribes angebauten Rebsorten gehören neben Tempranillo vor allem die autochthonen Trauben Juan Garcia, aus denen üblicherweise kräftige Rotweine gemacht werden, wie man sie aus anderen Weinregionen kennt. Juan Garcia sind sehr große und kompakte Trauben. Da es schwere Rotweine schon in La Rioja und La Ribera del Duero gibt und die teilweise über hundert Jahre alten Weinstöcke auf den Böden in Arribes del Duero per Hand bearbeitet werden müssen, war bald klar, dass sich die neue Bodega nicht mit Quantität, sondern nur mit Qualität durchsetzen würde.
Früher legten die Familien die Weinstöcke nicht sortenrein wie heute an. Auf den alten Reben wachsen zwischen den roten Juan Garcia oder Tempranillo Trauben in kleineren Mengen auch weiße Trauben, wie Malvasia oder Verdejo. Da die Menschen den Wein nur zum Eigenverbrauch produzierten, pflanzten sie rote und weiße Sorten nach ihrem persönlichen Geschmack nebeneinander. Statt sortenreine Weine herzustellen, komponierten sie aus den Eigenschaften verschiedener Rebsorten ihren individuellen Hauswein.
José und Liliana beschlossen, ein Experiment zu wagen. Sie begannen einen Wein so zu produzieren, wie es früher üblich war, und kombinierten die roten und weißen Trauben des über 100 Jahre alten Weinstocks miteinander. Das Ergebnis war ein überraschend frischer, sehr viel leichterer Wein, als die heute produzierten Rotweine. „Die Redewendung „Sin Blanca“ bedeutet ungefähr so etwas wie „blank sein“ im Deutschen. Wörtlich übersetzt heißt es aber „ohne Weiße“, doch genau das ist das Flagschiff des Bodega eben nicht, denn zu den 80 % Juan Garcia kommen noch Anteile an Bruñal, Bastardillo und Rufete Trauben.
José und Liliana nutzen die auf verschiedene Weinstöcke verteilten Reben der weißen Trauben nicht nur zum Abrunden des Rotweins, sondern produzieren mit den selten gewordenen Trauben, wie Puesta en Cruz, die es in Spanien kaum noch gibt, oder Doña Blanca, ganz besondere Weißweine.
Bodegas Frontio
Ein anderer Wein-Rebell ist Chus, der eigentlich Thyge Benned Jensen heißt und auf den ersten Blick so gar nicht ins Bild passt. Der sympatische Däne, dessen Name niemand im Dorf richtig aussprechen kann, kam erst 2016 in diesen abgelegenen Winkel Spaniens, um sich hier dem Weinanbau zu widmen. In Kopenhagen hatte er seinen gut bezahlten Job an den Nagel gehängt, um sich in Südeuropa nach einem geeigneten Ort umzusehen, an dem er seine eigenen Weine produzieren konnte. Erst kurz vor der portugiesischen Grenze fand er, was er suchte, und machte sich in Fermoselle an die Arbeit.
Als passionierter Weinkenner wusste er ganz genau, wohin die Reise gehen, und wie seine Weine schmecken sollten. Mit José und Liliana teilt er die Vision, aus den autochthonen Reben der alten Weinstöcke neue, frische Weine herzustellen. Gegen den Rat der Alten, macht Thyge alles anders, als die Leute hier. Bis heute schütteln sie den Kopf und nennen ihn den „verrückten Dänen“, erzählt er selbst grinsend. Doch Thyge weiß genau, was er tut. Natürlich musste auch er Lehrgeld zahlen. Nicht alles, lief auf Anhieb glatt. Doch der Erfolg gibt ihm recht, denn seine Weine sind nachgefragt – allerdings vorwiegend im europäischen Ausland.
Statt die Trauben so lange wie möglich reifen zu lassen, damit sie eine schwere Süße entwickeln, beginnt Thyge jedes Jahr als Erster mit der Weinlese. Um die besonderen Eigenschaften der Juan Garcia Trauben in seinen Weinen hervorzuheben, pflückt er die Trauben schon Mitte August. So bewahren sie ihre natürliche Säure, sind leichter und frischer.
Dank des besonderen Klimas, das hier nicht mehr mediterran ist, muss er die Reben kaum vor Schädlingen oder Krankheiten schützen. Chemie kommt hier ohnehin nicht zum Einsatz, denn der dänische Winzer arbeitet, wie Liliana und José, rein ökologisch.
Im Gegensatz zu den älteren Kollegen im Dorf ist Thyge sich der Folgen des Klimawandels bewusst. Es regnet weniger als früher. Das stellen auch die Alten fest. Doch während die jungen Winzer ihre Weinstöcke an das neue Klima anpassen, und sich auf die Rebsorten konzentrieren, die es nur hier gibt, und die eine inzwischen sehr nachgefragte Frische mitbringen, bleiben die Alten bei den schweren Weinen, die längst schon anderswo günstiger hergestellt werden.
An den Ufern des Duero
Südlich von Salamanca, in der Region Castilla y León, erstreckt sich der Naturpark und das Biosphärenreservat Arribes del Duero, in dem sich das kleine Weinanbaugebiet befindet. Die Landschaft an den Ufern des Duero, oder Douro, wie er auf Portugiesisch heißt, ist von tiefen Schluchten geprägt.
Der Duero ist einer der längsten Flüsse der Iberischen Halbinsel. Er durchquert Zamora, bildet über eine weite Strecke die Grenze zwischen Spanien und Portugal und mündet schließlich bei Porto ins Meer. Viele Millionen Jahre hat das Wasser gebraucht, um die tiefen Schluchten zu graben, die heute die Landschaft des Naturparks Arribes del Duero (Douro Internacional) prägen. Es gibt viele Miradores, Aussichtspunkte, von denen man die 400 Meter tiefen Gräben, die der Fluss in den Granit gefressen hat, bestaunen kann.
Mirador de las Barrancas
Trockensteinmauern werden hier so gebaut
Eine internationale biologische Forschungsstation bietet „environmental cruises“ auf dem Grenzfluss an. In Miranda do Douro (auf portugiesischem Boden) besteigen wir ein elektrisch betriebenes Boot. Laura ist Mitarbeiterin der Bio- und Umweltstation und erklärt unterwegs Flora und Fauna. Während das Boot leise durch das Wasser plätschert, kann ich an einer Stelle Überreste einer kleinen Siedlung erkennen. Hier sollen sich früher Familien niedergelassen haben, die zu arm waren, um oberhalb der Schlucht Land zu kaufen. Doch in dem Mikroklima unten am Fluss konnten sie überleben und pflanzten sogar Olivenbäume an. Auch Löwenmäuler, die hier boca de dragon (Drachenmaul) genannt werden, und einige besondere Moose und Flechten gedeihen hier prima.
In der Luft sind Geier, Adler und Schwarzstörche zu Hause, im Wasser sind niedliche Fischotter unterwegs. Doch am erstaunlichsten finde ich etwas ganz anderes. Laura holt mit einem speziellen Planktonfilter etwas Wasser aus dem Duero und zeigt unter dem Mikroskop, wie viel Leben in einem einzigen Tropfen Wasser steckt! Vor unseren Augen zappelt ein Copepoda mit den Fühlern, die Bosmina wackelt mit ihrer Trompete und bei der Daphnia kann ich ein winzig kleines Herz schlagen sehen.
Fermoselle
Die Hauptstadt der Gegend ist das kleine Örtchen Fermoselle. Angeblich sollen schon die Römer hier gesiedelt haben. So richtig in Erscheinung getreten ist das kleine Dorf jedoch erst im Mittelalter. So nah an der Grenze, zuerst zwischen maurischer und christlicher Welt, später zwischen den Königreichen Portugal und Spanien, beherrschte einst das Castillo de Doña Urraca den Ort. Heute sind von der Burg nur noch Ruinen erhalten geblieben. Aber das Besondere an Fermoselle liegt sowieso unter der Erde. Das ganze Dorf ist untertunnelt. Angeblich sollen diese Höhlen schon im Mittelalter entstanden und zunächst von jüdischen Familien als Wohnraum genutzt worden sein. Nach der endgültigen Vertreibung der jüdischen und mozarabischen Bevölkerung, begannen die Menschen die unterirdischen Räume zur Weinproduktion zu nutzen.
Olvido Peños ist eine aktive Unternehmerin, die uns die unterirdischen Schätze ihres Dorfes zeigt. Auf ihren Routen führt sie Besucher in diese ganz besonderen Weinkeller, von denen es hier über 1.000 geben soll – so behaupten es die Leute hier jedenfalls. Anschaulich erklärt sie wie die verwinkelten Säle und Galerien miteinander verbunden waren und unter der Erde zu verschiedenen Häusern führten. Im Mittelalter, so Olivdo, habe man diese Bodegas stets mit einer brennenden Kerze betreten. Die funktionierte wie eine Warnlampe, denn wenn aufgrund der Fermentation der Trauben der Sauerstoffgehalt in der Höhle zu niedrig war, erlosch das Licht umgehend und ein Aufenthalt hier konnte gefährlich werden.
Fermoselle ist auf in die Felsen aus Granit gebaut. Es geht steil bergab und bergan, von einigen Stellen aus hat man einen tollen Blick hinab ins Tal. Überall stehen liebevoll bemalte Paletten, bunt umhäkelte Laternenpfähle und andere Straßendekorationen. Sogar eine bestrickte Telefonzelle habe ich entdeckt!
Infos zur Weinroute
D.O. Arribes
Die D.O. Arribes ist ein kleines Weinanbaugebiet mit weniger als 300 Hektar Fläche. Früher wuchsen hier einmal viel mehr Trauben, an die 3000 Hektar sagt man, doch im Laufe der Zeit wurden viele Weinstöcke herausgerissen und das Land anderweitig genutzt. Heute liegen die verbliebenen, kleinen Weinstöcke oft weit auseinander, was den Anbau für die Winzer nicht unbedingt einfacher macht. Für die Weine der D.O. dürfen ausschließlich die Trauben Juan García, Rufete, Bruñal, Tempranillo, Albillo, Mencía, Garnacha, Syrah, Malvasía Castellana und Verdejo verwendet werden. Bei den roten sind Juan Garcia und Rufete neben Tempranillo, die wichtigsten Rebsorten. Bei den weißen spielen vor allem die Malvasia Trauben eine bedeutende Rolle. Von der Puesta en Cruz, einer einheimischen weißen Traube, sind nur noch sehr wenige Weinstöcke verblieben.
Website www.doarribes.es
Weinroute Arribes
Außer kleinen Bodegas wie El Hato y el Garapato oder Frontio gehören zu der Weinroute Arribes del Duero auch große Haciendas wie Zorita, kulturelle Sehenswürdigkeiten wie die Bodegas von Fermosella, die Biostation des Duero und Hotels wie die Pousada Doña Urraca.
Website Ruta del Vino Arribes
Bodega El Hato y el Garabato
(José und Liliana)
Calle Palazuelo , 4
49230 Formariz
www.elhatoyelgarabato.com
Bodega Frontio
Thyge (Chus) Benned Jensen
Calle Requejo 170,
Fermoselle
www.instagram.com/bodega_frontio/
Hazienda la Zorita
schickes Weingut und Pousada (machen sehr professionelle Verkostungen!)
Ctra. Ledesma, Km. 10
37115 Valverdón
www.haciendazorita.com/
Estación biológica internacional – Website www.duerodouro.org/
Die unterirdischen Bodegas von Fermoselle findest Du hier: www.instagram.com/bodegas_fermoselle/
Übernachtet habe ich in Fermoselle, in der
Posada Doña Urraca
Calle Requejo, 217
Fermoselle
www.posadadedonaurraca.com
Wenn Du gern wanderst, kannst Du Dich auf dem GR 14 austoben. Der Fernwanderweg Senda del Duero verläuft weitgehend am Duero entlang.
Hinweis: Der Artikel entstand im Rahmen einer Pressereise, zu der ich vom Spanischen Fremdenverkehrsamt eingeladen wurde.
Sehr schöner und informativer Bericht, werde meine nächste Urlaubsplanung
in diese Richtung lenken.