Langsam, wie in Zeitlupe, verziehen sich die Nebelschwaden und geben nach wenigen Minuten einen atemberaubenden Blick auf den Montserrat frei. Wie aus dem Nichts erscheinen die bizarr geformten Felsen vor meinen Augen. Riesige Finger aus Sandstein ragen in den Himmel. Der Montserrat ist eben nicht so, wie andere Berge. Jahrtausendelang hat die Natur an diesem Gebirge geformt, die Steine modelliert, bis schließlich durch Erosion, Wind und Wetter diese einmalige Landschaft entstand.

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Vielen Katalanen ist das Gebirge heilig. Es ist ein Symbol ihrer Identität, ihre Zuflucht und ihre Hoffnung. Schon früh wurde hier ein Kloster gegründet. Im elften Jahrhundert war das Benediktinerkloster im Montserrat ein viel besuchter Pilgerort. Der Jakobsweg verlief in früheren Jahrhunderten nämlich weiter südlich als heute und die Klosterkirche lag damals noch direkt am Weg der Pilger nach Santiago de Compostela.

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Ricard, Bergführer und unser Guide heute, begleitet uns nicht nur durch die engen Pfade des Gebirges, sondern erzählt auch viele Geschichten. Von den Mönchen, die einst hier lebten, von den Bergziegen und schöne Sagen und Legenden des Montserrat. Schon vor langer Zeit erzählten die Leute sich die Geschichte, der Schlangenfrau Melusine, eine Art Fee, halb Frau halb Schlange. Seit sie von ihrem Mann verlassen wurde, weil er ihr Geheimnis entdeckte hatte, irrte sie weinend und lamentierend durch die Berge.

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Während es unten im Tal, nahe dem Kloster oft rappelvoll ist, treffen wir hier oben auf den Waldwegen im Berg kaum eine Menschenseele. In der Ferne kann ich hin und wieder eine der Einsiedeleien erkennen, in die sich die Mönche, die auch heute noch im Kloster leben, manchmal zurückziehen.

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Die berühmteste Legende des Montserrat ist die Geschichte der Madonnenstatue „La Moreneta“. Angeblich sollen ein paar Schäfer die Statue der Heiligen Jungfrau in einer Höhle gefunden haben. Ricard erklärt uns aber, dass es viele ähnliche Legenden an anderen Orten gibt. Es ist also wahrscheinlicher, dass die Moreneta aus dem Kloster Ripoll stammt, zu dem das kleinere Kloster Montserrat ursprünglich gehörte. Die braune Farbe der Madonna ist übrigens auch kein Wunder, sondern das Ergebnis jahrhundertelanger Weihrauchbedampfung und einer verunglückten Restaurierung. Aber das tut dem guten Ruf der heiligen Dame natürlich keinen Abbruch. Sie wird heute wie früher geliebt und verehrt. Besonders gern sollen sich die Fußballfans des FC Barcelona bei der Madonna für gute Spiele bedanken.

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Immer wieder bleiben wir stehen, weil Ricard uns etwas erzählt oder uns eine besondere Pflanze zeigt. Sonst ist es ganz still. Nicht einmal die Bergziegen begegnen uns auf dem Weg. Nach einer Weile geht es steiler bergab. Zum Glück aber gibt es dafür eine Treppe. Ich bin heilfroh, dass wir hinab und nicht hinaufsteigen. Die Nebelschleier haben sich mittlerweile vollkommen verzogen und im Tal unten kann ich das Kloster sehen.

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Zur letzten Jahrhundertwende war der Montserrat ein beliebtes Ausflugsziel für die Bewohner Barcelonas. Im Grunde ist es das auch heute noch. Aber während sich die Besucher jetzt eher an der Natur erfreuen und zum Wandern und Klettern hierherkommen, waren die Gäste vor Hundert Jahren eher an Restaurants und einer bequemen Anreise interessiert. Zum Glück hat man diese Lokale aber längst wieder geschlossen. Nur die Zahnradbahn finde ich nach wie vor sehr praktisch. Obwohl die Mönche bei deren Einrichtung den Bau als einen Affront empfunden haben sollen. Denn die gläubigen Männer laufen nach wie vor vornehmlich zu Fuß durch den Berg, was ihre Fußspuren auf einer der Treppen beweisen. Obwohl der Beton nach den Instandsetzungsarbeiten noch gar nicht getrocknet war, sind sie schnurstracks ihrer Wege gezogen. Spuren hin oder her.

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Da es in letzter Zeit außergewöhnlich viel geregnet hat, finden wir so gar einen kleinen Bach auf unserer Wanderung. Das ist sehr ungewöhnlich, meint Ricard. Normalerweise ist der Montserrat nämlich eher trocken.

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Aus dem Tal unten kann ich schon die Glocken des Klosters hören. Sie rufen zum Abendgebet. Mit etwas Glück sind wir rechtzeitig zu den Vespergottesdienst dort. Noch eine Kehre, eine weitere Treppe und dann stehen wir auch schon vor der großen Pforte, durch die die Pilger einst das Kloster betreten haben.

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Wir sind rechtzeitig zum Abendgebet und betreten leise die Kirche. Nachdem die Mönche ihre Gebete abgehalten haben, tritt der Knabenchor des Musikinternats auf. Während die hellen Stimmchen erklingen, lasse ich meinen Blick durch die Kirche streifen. An den Seitengängen sorgen uralte Leuchter für ein warmes, buntes Licht. Ganz vorne, hoch über dem Altar thront die winzige Madonnenstatue, die Moreneta. Auch wenn ich nicht katholisch bin, kann ich die magische Anziehung des Montserrat gut verstehen. Es ist eine erhabene Ruhe und Gleichmut, die der Berg verströmt. Die Mönche scheinen hier genauso zu leben wie vor hunderten von Jahren. Es ist, als könne die Zeit der Welt dem Montserrat nichts anhaben.

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Infos zum Montserrat

Gegründet wurde das Kloster schon im neunten Jahrhundert und stand zunächst unter der Obhut des im Mittelalter wichtigsten Klosters in ganz Katalonien, dem Kloster Ripoll. Dessen Gründer, Abt Oliba, war ein enger Freund Ermessendas von Carcassonne – eine unglaubliche Frau, die im Mittelalter drei Generationen lang das gerade im Entstehen begriffene Katalonien lenkte. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.

Ricard unseren Guide findest Du hier:  https://gdm.cat/en
Die Termine des Chors sind auf der Website des Internats zu finden: www.escolania.cat

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Von der Plaça Espanya in Barcelona fährt die Bahn der Ferrocarriles Line R5 direkt zum Aeri de Montserrat oder bis Monistrol. Die Fahrt dauert circa eine Stunde. Von dort aus geht es dann entweder mit der Zahnradbahn oder der Seilbahn weiter den Berg hinauf. Man kann auch mit dem Auto fahren. Es gibt einen großen, aber meist völlig überfüllten Parkplatz oben am Kloster. Vom Kloster aus führt dann noch mal ein Funicular, eine weitere Bahn, hinauf  auf den Berg.

Die Basilika ist in den Sommermonaten Juli- September von 7.30 Uhr bis 20.30 Uhr geöffnet, die restlichen Monate von 8.00 bis 18.30 Uhr.

Mein Tipp: Besuche den Montserrat am Nachmittag (am besten noch an einem Regentag), sodass Du zum Vespergottesdienst in der Kirche sein kannst. Allerdings auch nicht später, sonst gibt es keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr nach Barcelona. Noch besser ist es natürlich, Du bleibst eine Nacht hier oben. Dann kannst Du bereits früh am Morgen, bevor die ersten Touristen kommen, die Morenta ganz aus der Nähe betrachten. Günstig übernachten kannst Du in den Gästezimmern des Frauenklosters Sant  Benet, das nur wenige hundert Meter neben dem Kloster der Mönche liegt: www.monestirsantbenetmontserrat.com

Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Reise zum Thema Nachhaltigkeit im Tourismus, zu der ich von Forum Anders Reisen und Katalonien Tourismus eingeladen wurde.