Das Licht weckt mich. Ich blinzele kurz, als ich die ersten Sonnenstrahlen im Gesicht spüre. Es zieht mich nach draußen. Ich will den Tag sehen, dieses Licht genießen. Um halb acht bin ich auf dem Gelände der alten Finca unterwegs, noch bevor wir zum Cabo de Gata fahren. Ich staune, wie die Sonne Andalusiens die hügelige Landschaft um mich herum in diese unwirklichen Farben taucht. Hier ein Schimmer von Rosa, dort etwas Rötliches, da ein goldgelbes Licht. Sobald die Sonnenstrahlen auf die schneeweißen Wände fallen, strahlen sie wie von einem Scheinwerfer beleuchtet, das neue Licht in den Tag hinein.
Andalusien ist so ganz anders als der Norden Spaniens. Das Licht hat hier seinen ganzen eigenen Charakter. Und gerade jetzt im Frühling liegt der Duft von Orangenblüten und Jasmin in der Luft. Eine märchenhafte Landschaft, die man sehen, riechen und fühlen kann.
Cabo de Gata nennt man die Gegend, die sich von kurz hinter Mojácar bis nach Almeria erstreckt. Der mittlerweile zum Glück als Naturpark geschützte Landstrich wird von unzähligen Hügeln und kleinen Schluchten durchzogen, die am Meer in einer zerklüfteten wildromantischen Küste enden.
Der erste Strand im Cabo de Gato ist die Playa de los Muertos. Von oben blicke ich hinab auf das breite Stück Sandstrand, das weiter hinten an einer Felswand endet. Angeblich sollen Piraten früher nicht nur ihre Schätze, sondern auch ihre Toten hier versteckt haben. Irgendwann vor langer Zeit habe man eine Höhle voller Skelette entdeckt, die dem Strand dann seinen Namen gegeben hat.
Wir fahren einmal um die Mesa de Roldan, einen erloschenen Vulkankrater herum zur nächsten Bucht. Einst befand sich hier einmal ein echtes Korallenriff. Doch das ist viele Jahrtausende her. Hinter dem Dörfchen Agua Amarga kommen wir zur Cala del Plomo. Der Weg hierher führt ungefähr eine halbe Stunde lang durch eine Rambla, ein ausgetrocknetes Flussbett, von denen die gesamte Gegend durchzogen ist. Doch dann stehen wir vor einer Steilküste.
Um zur Cala de Enmedio zu gelangen, müssen wir zu Fuß den Hügel umrunden. Auf einem schmalen Trampelpfad geht es ungefähr zwanzig Minuten lang über Stock und Stein. Der Weg schmiegt sich an den kleinen Hügel. Die Aussicht ist fantastisch. Schon nach der ersten Biegung des Weges fühle ich mich wie in der Weite einer einsamen Steppenlandschaft. Verschwunden sind Städte, Menschen, Alltagssorgen. Hier ist nur Natur. Und heute noch jede Menge Wind. Meine Gedanken schweifen so vor sich hin, während ich einen Fuß vor den anderen setze. Jedes Mal wenn ich aufblicke, sieht der kleine Berg vor mir wieder anders aus.
Und dann stehe ich am Strand. An den Seiten der kleinen Bucht ragen die Klippen weiß wie Kreide und sehr steil in den blauen Himmel. Es sieht so wunderschön aus! Wenn es auch nur ein bisschen wärmer wäre, würde ich mich sofort ins Wasser schmeißen, so schön klar und hellblau leuchtet das Mittelmeer hier. Doch es ist windig und ziemlich frisch. Die Wellen brausen ans Ufer und treffen auf den Sand, der vom Strand herüber fegt.
Cortijo del Fraile
Auf unseren Wegen durch Cabo de Gata sehe ich viele einsame und verlassene Höfe am Wegesrand. Manche Gebäude sind nur wirklich noch Ruinen. Längst lebt hier niemand mehr und nur die Größe der Gebäude erinnert daran, dass dies einmal ein Ort voller blühendem Leben gewesen sein. Vielleicht standen hier ein paar Esel im Stall und Ziegen auf der kargen Wiese vor der Tür, Wäsche flatterte im Wind. Doch nun sind die Bewohner längst in eine der Städte gezogen und die alten Höfe verfallen.
Einer der schönsten dieser verlassenen alten Höfe ist der Cortijo del Fraile hinter dem Dorf Albaricoques. Das Gebäude war ursprünglich sogar mal ein Kloster, wurde aber im neunzehnten Jahrhundert verkauft und als Landgut bewirtschaftet. Wenn man den Leuten aus der Gegend glauben schenkt, hat sich hier einmal ein echtes Drama abgespielt. Der Besitzer des Cortijos wollte seine Tochter zwangsverheiraten. Die Geschichte geht nicht gut aus. Sie liebt einen Anderen und versucht zu fliehen. Das Ende ist blutig. Diese Tragödie muss sich hier wirklich abgespielt haben, denn der große spanische Dichter Federico Garcia Lorca hat nach einer Zeitungsmeldung über den Vorfall eine bewegende Erzählung geschrieben: Bodas de Sangre. Aber nicht nur Dichter hat dieser Ort inspiriert. Auch Sergio Leone hat das verlassene Gehöft so gut gefallen, dass er hier „The Good the Bad and the Ugly“ mit Clint Eastwood gedreht hat.
Minas de Rodalquilar:
Von hier aus auf dem Weg zur Küste kommen wir zu einer ganz anderen verlassenen Stätte mitten im Naturpark Cabo de Gata. In de Minen von Rodalquilar hatte man schon in früheren Jahrhunderten wertvolle Mineralien, Alaune, Amethyste, Blei und Silbererze gefunden. Gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts kam es schließlich zu einem echten Goldrausch. Bis in die fünfziger und sechziger Jahre wurde hier im Tagebau das wertvolle Edelmetall gefördert. Die Arbeiter lebten in kleinen Hütten dicht bei der Mine. Rodalquilar war eine der größten Goldgruben Europas. Schwere Goldbarren wanderten von hier aus direkt in die Tresore der spanischen Nationalbank in Madrid. Doch bald schon waren die Vorkommen erschöpft. Die verlassenen Anlagen und die Überreste der alten Hütten verwaisen. Die Planta Denver bei Rodalquilar ist heute so etwas wie eine kleine Sehenswürdigkeit geworden.
Playa del Mónsul und andere Strände:
In der Nähe von San José erreichen wir schließlich wieder die Küste. An der Playa de los Genoveses landeten im zwölften Jahrhundert mehrere Schiffe mit Soldaten aus der Republik von Genua. Die christlichen Truppen sollten König Alfons VII im Kampf gegen die Mauren beistehen. Auch wenn Genua längst ein Teil Italiens ist, erinnert der Name des Strands noch heute an diese Anladung der Genuesen.
Gar nicht weit von der die Playa de los Genoveses liegt einer der berühmtesten Strände des Cabo de Gata, die Playa del Mónsul. Ein großer Felsbrocken liegt dort wie eine fette Kröte im dunklen Sand. Obwohl die Bucht relativ abgeschieden liegt, kennst Du diesen Strand aber sehr wahrscheinlich schon. An der Playa del Mónsul spielt nämlich die nette Szene aus Indiana Jones und der letzte Kreuzzug, in der Sean Connery als pfiffiger Vater von Indiana Jones, die Möwen mit dem Schirm aufscheucht, um ein Flugzeug der Nazis zum Abstürzen zu bringen.
An der Playa de Playazo wacht die Ruine der Festung San Ramón über Strand und Meer.
Mojácar
Als wir am Abend in Mojácar ankommen und uns ein nettes Restaurant suchen, liegt wieder dieses besondere Licht über der Landschaft. Mojácar liegt circa dreißig Kilometer von Carboneras, dem Beginn des Naturparks Cabo de Gata entfernt, ganz oben auf einem Hügel. Weiße Häuschen, von den letzten Strahlen der Sonne erleuchtet, schmiegen sich an die Felsen. Zu Fuß muss man steile Straßen erklimmen, bevor man im Zentrum des kleinen Örtchens ankommt. Doch zum Glück gibt es einen Fahrstuhl! Direkt neben dem Parkplatz unten am Fuß des Hügels, wo wir den Wagen abgestellt haben. Ich drücke auf den Nach-oben-Knopf und schon stehen wirin den alten Gassen des kleinen Ortes. An den Wänden hängen bunte Blumen in kleinen Töpfen und zieren die schneeweiß getünchten Wände. Genau so sieht für mich Andalusien aus.
Mehr Infos zum Cabo de Gata
Total viele gute Infos zum Nationalpark Cabo de Gata findest Du auf der Website der Tourismusbehörde Andalusiens: www.andalucia.org
Unterkunft Cortijo el Sarmiento
Ein Duft von Jasmin lockt mich in eine Ecke des kleinen Gartens. Hier wachsen Jasmin und Orangenbäume und duften um die Wette. Insekten schwirren schon frühmorgens fleißig zwischen den Blüten umher. Carsten, der Besitzer des Cortijo del Sarmiento, kommt mir mit einem Korb voller frisch gepflückter Orangen entgegen. Die sind sicher für den Saft zum Frühstück! Carsten und Yvonne haben sich vor vier Jahren entschieden, hier in Almeria ein Bed and Breakfast zu eröffnen. Auf einem Stückchen Land in der Nähe von Mojácar haben sie ein gemütliches Bed and Breakfast geschaffen, mitten in der Natur, mit Blick auf die Berge. Das Cortijo ist ein altes Landhaus, ein Bauernhof, wie es früher viele hier in der Gegend gab. Nebenan auf dem Grundstück wachsen noch heute Orangen und Zitronen. Bei gutem Wetter kann ich von der Terrasse aus sogar die Gipfel der Sierra Nevada sehen!
Cortijo el Sarmiento
Camino de Gatar 2
04638 Mojácar (Almería)
Website: www.el-sarmiento.com
Klarstellung: Zur Übernachtung im Cortijo el Sarmiento wurde ich eingeladen. Vielen Dank dafür! Die im Text ausgedrückte Meinung ist davon unbeeinflusst. Alle eventuellen Ausbrüche von Begeisterung beruhen vollständig auf meinem ganz privaten Temperament und meiner persönlichen Überschwänglichkeit. 😉
Schöne Bilder von tollen Stränden – ein sehr ansprechender Reisebericht, Nicole! Die weiß getünchten Häuser und die karge Landschaft sprechen mich natürlich an :)) Ich weiß, dass ich Spanien irgendwann nochmals eine zweite Chance geben muss … LG aus Italien, Claudia
Hallo Claudia! Aber absolut! Ich finde der gesamte Mittelmeerraum ist einfach faszinierend schön <3
bis bald!!!
Nicole