Über eine einsame Landstraße nähere ich mich Carmona. Auf einer kleinen Anhöhe ragt die Stadt aus der flachen Ebene heraus. Die Straße schlängelt sich den Hügel hinauf bis ich vor der Eingangspforte einer alten Festung stehe. Mit seinen zwei hintereinander gebauten Toren in der typisch maurischen Hufeisenform ist die Puerta de Sevilla mega beeindruckend. Wie einen Hochsicherheitstrakt scheint die mächtige Mauer einst die Stadt umgeben zu haben. Für mittelalterliche Angreifer mit Pfeil und Bogen uneinnehmbar.
Ungefähr 200 v. Chr. herrschten die Römer in dieser Gegend der Iberischen Halbinsel. Carmona lag damals als Carmo zwischen Hispalis (Sevilla) und Corduba (Córdoba) an der Via Augusta, einer wichtigen Römerstraße, die Cádiz und Narbonne verband. Doch lange vor den Römern hatten sich auch schon die Phönizier hier niedergelassen, um in den nahe gelegenen Minen der Sierra del Norte Eisenerz abzubauen und es über die Flüße, wie den Guadalquivir, zur Küste zu transportieren und von dort zu verschiffen. Vertrieben, oder abgelöst, wurden die Phönizer von den Karthagern, die die strategisch günstige Lage Carmonas zu schätzen wussten.
Bevor Karthago diese Gegend dann aber nach dem dritten Punischen Krieg an die Römer verlor, hatten sie die kleine Burg auf dem Hügel mit einem doppelten Festungsgraben versehen. Das Besondere an Carmonas Burg ist, dass man hier bis heute Überreste aus der Zeit der karthagischen Herrschaft sehen kann! In den nachfolgenden zweitausend Jahren wurde die Festung zwar so oft umgebaut, dass von den beiden paralell gezogenen Gräben, die die Siedlung vor Widersachern schützen sollten, kaum noch etwas erhalten ist. Doch wenn man genau hinsieht, dann ist an einer Stelle nahe der Puerta de Sevilla die U-Form des karthagischen Burggrabens noch deutlich zu erkennen.
In der alten Festung, dem Alcázar de la Puerta de Sevilla, befindet sich heute die Oficina de Turismo de Carmona. Für ein paar Euro kann man auf eine Art Terrasse steigen und den Blick von den alten Mauern aus über die Dächer der Stadt genießen. Besonders schön ist das Kuppeldach der San Pedro Kirche, die direkt gegenüber der Puerta de Sevilla liegt. In den Ausstellungsräumen wird die Entwicklung der Burganlage im Laufe der Jahrtausende anhand von Skizzen und Fotos erklärt.
Über kleine Plätze, vorbei an prachtvollen Gebäuden, wie einem im Muedéjar-Stil verzierten Palast, bummele ich den Hügel hinauf und entdecke dabei einen netten Marktplatz, der im Innenhof eines ganzen Straßenzuges verborgen liegt. Auch dem kleinen Museo de la Ciudad statte ich einen kurzen Besuch ab, in der Hoffnung, dort noch etwas mehr Informationen über die Zeit der punischen oder phönizischen Herrschaft zu finden. Und tatsächlich. Ein Saal des Museums ist der Epoche des Königreichs Tartessos, einer Kultur, die um das Jahr 300 vor Christus im südwestlichen Zipfels Andalusiens lebte, gewidmet. Ein anderer zeigt Alltagsgegenstände aus Turdetania, so wurde dieser Teil des heutigen Spaniens zu Zeiten des römischen Reichs genannt.
Die historische Altstadt ist nicht groß und schon nach wenigen Minuten bin ich am anderen Ende, an der Puerta de Córdoba angelangt. Am höchsten Punkt des Hügels liegt die andere große Festung der Stadt, der Alcazár del Rey Don Pedro, in der sich heute ein Luxushotel befindet. Der Parador de Carmona hat eine nette Bar mit Balkon, in der man auch dann etwas trinken kann, wenn man nicht im Hotel zu Gast ist.
Die archäologische Ausgrabungsstätte mit römischem Amphitheater und Nekrople liegt am entgegengesetzten Ende Carmonas. In einem kleinen Museum werden die Fundstücke, auf die man in der Nekropole und um das Amphitheater herum stiess, gezeigt. Die Grabkammern waren zum Teil richtige kleine Paläste, größer als so manche Mietwohnung heutzutage.
Eine ganz andere Art von Geschichte kann man in der Destillerie Puerto de Indias entdecken. An einer Stelle an der schon die Römer das aus dem Untergund quellende Wasser zur Errichtung einer Therme nutzten und an dieser Stelle in Zeiten des maurischen Kalifats eine Mühle betrieben wurde, wollte ich mir das unbedingt ansehen. Ende des 19. Jahrhunderts wurde dann eine Destillerie gebaut. Seit die alte Destillerie „Los Hermanos“, bei der es sich um eine der ältesten Destillerien Andalusiens handeln soll, 2013 die Besitzer wechselte, wird dort kein Anís oder Pacharán mehr hergestellt, sondern Gin.
Obwohl ich mich mit Gin nicht wirklich auskenne, war ich von der hübsch gelegenen Anlage und dem neuen Konzept begeistert. In ganz kleinen Auflagen stellt Puerto de Indias nämlich verschiedene Sorten Gin aus natürlichen Früchten her. Das Besondere an der kleinen Produktion ist, dass sie zu speziellen Anlässen, wie Valentinstag, der Feria de Abril, Muttertag und dem Weltfrauentag Sondereditionen herausbringen. Besonders schön fand ich die regenbogenbunte „Proud Bottle“ für die LGTB+ Gemeinde, die 365 Tage im Jahr daran erinnert, wie wichtig es ist, ein Zeichen für Diversität zu setzen.
Nützliche Informationen zu Carmona
Tourismusinformation/ Oficina de Turismo de Carmona: Alcázar de la Puerta de Sevilla, 41410 Carmona/ Sevilla, Website: www.turismo.carmona.org
Museo de la Ciudad, Calle San Ildefonso, 1, 41410 Carmona/ Sevilla www.museociudad.carmona.org
Carmona auf der Website der Provinz Sevilla: www.turismosevilla.org
Conjunto Arqueológico De Carmona, Avenida Jorge Bonsor, 9, 41410 Carmona, Sevilla www.museosdeandalucia.es
Destillerie – Finca Brenes, Carretera Carmona, 41410 El Viso del Alcor, Sevilla, Website ginpuertodeindias.com
(privat bereist im November 2023)
Hinterlasse einen Kommentar