Man sagt, er sei in den Straßen Palermos aufgewachsen. Schon früh hatte er beide Eltern verloren. Dennoch entwickelte sich der Junge aus Apulien zu einem der mächtigsten Herrscher Europas. Friedrich II war einer der legendärsten und gleichzeitig umstrittensten Herrscher des Mittelalters. Er war deutsch-römischer Kaiser, Dichter und Wissenschaftler, ein Jäger und unverbesserlicher Casanova, ein Tyrann mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn und ein gläubiger Christ, der auch Juden und Muslime tolerierte. Als ich vor dem Castel del Monte stehe, gehen mir viele Gedanken über diesen faszinierenden Mann durch den Kopf.

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friedrich II Staufer

Bis heute regt Friedrich II die Fantasie der Schriftsteller und Mystiker an, er weckt die Neugier der Geschichtswissenschaftler und Forscher. Zeitgenössische Bewunderer nannten ihn das Staunen der Welt, stupor mundi. Selbst die von seinen Feinden stammende Bezeichnung puer apuliae, Junge aus Apulien, verwandelte Friedrich von einer Beschimpfung, als die es gemeint war, in einen wohlklingenden Beinamen.

Das Castel del Monte soll der Kaiser im 13. Jahrhundert selbst entworfen haben. Diese beeindruckende Burg steckt voller Symbole und Legenden. Bis heute weiß man nicht genau, welchem Zweck es eigentlich diente. Für eine wehrhafte Festung fehlten ein Burggraben, Wehrgänge und andere typische Verteidigungsanlagen. Als einfaches Jagdschloss zum Vergnügen des Herrschers scheint das Castel jedoch zu groß. Und einen festen Wohnsitz hatte Friedrich nicht. Zu dieser Zeit reisten die Herrscher noch mit ihrem gesamten Hofstaat von Burg zu Burg.

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grundriss castel-del-monte

Auf mich wirkt das Castel del Monte wie ein mittelalterliches Statement, ein Bauwerk, das Friedrichs Welt darstellen soll, eine Verbindung von östlicher und westlicher Kultur, eine Burg aus Geometrie und Mystik.

Die Idee zu der achteckigen Burg auf dem kargen Hügel der Murgia soll auf die Korrespondenz zwischen Friedrich II und den Mathematiker Fibonacci zurückgehen. Der Briefwechsel mit dem Mathematiker, der die arabischen Zahlen und die Null in Europa einführte, habe den Kaiser dazu inspiriert, die Burg als eine steinerne Blume zu entwerfen. Architekten und Baumeister mussten seine Skizze dann in Konstruktionspläne umsetzen.

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Viele Legenden und Theorien sind um die Errichtung dieser ungewöhnlichen und geheimnisvolle Burg entstanden. Von den über 200 Bauwerken, die Friedrich errichten ließ, ist das Castel del Monte wohl das Bemerkenswerteste. Ein achteckiger Stern, der über die Murgia strahlt.

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castel-del-monte rote steine

Gebaut wurde das Castel del Monte unter anderem mit den rot leuchtenden Steinen der breccia coralina und weißem Marmor. Acht Türme und je acht Räume auf zwei Etagen bilden so eine steinerne Blume. Im Castel del Monte kommt das gesamte Wissen der mittelalterlichen Kulturen, der christlichen, jüdischen und arabischen Welt, in einem beeindruckenden Bau zusammen.

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Friedrich liebte nicht nur Algebra und Geometrie, er sprach auch mehrere Sprachen fließend, darunter Latein, Griechisch, Französisch, Arabisch, Apulisch („Italienisch“ gab es in dem Sinne noch gar nicht) und Deutsch. Er war mit den bedeutendsten Denkern seiner Zeit befreundet und galt als einer der gebildetsten Herrscher seiner Zeit. Von seinem deutschen Vater, dem Kaiser Heinrich II, der im Süden seines Reichs hart und grausam regiert hatte, stammte vermutlich neben den roten Haaren und der hellen Haut auch Friedrichs herrscherische Entschlossenheit. Von Seiten seiner Mutter, der Königin Siziliens, hatte der im Süden aufgewachsene Herrscher vermutlich die Liebe zur Kultur und Dichtung, zu den schönen Dingen dieser Welt, mit auf den Weg bekommen.

friedrich II Staufer

Friedrich war mit dem Mathematiker Fibonacci genauso befreundet wie mit jüdischen und arabischen Gelehrten und Kalifen. Er traf Franz von Assisi, um mit ihm zu philosophieren, schrieb Gesetzbücher und verfasste ein bedeutendes Werk über die Falknerei, in dem er all sein Wissen über die Jagd und Aufzucht dieser Vögel niederschrieb. Der „Junge aus Apulien“ entwickelte sich zu einem klugen, toleranten und wissenschaftlich denkenden Mann, der sehr charmant sein konnte aber auch eitel und arrogant war. Friedrich war von seiner göttlichen Bestimmung überzeugt.

castelo Gioia del colle thronsaal

Der Staufer-Kaiser krempelte in seinem Reich alte Strukturen um, entmachtete Fürsten und Barone, bekämpfte Ablass handelnde Priester und korrupte Päpste. Er machte sich zum Herrscher eines absolutistischen Reichs, indem er die Macht in seinen Händen zentralisierte. Doch er schuf auch Gerechtigkeit, sorgte dafür, dass Apotheker und Ärzte sauber arbeiten sollten, und er gestand Frauen erstmals das Recht zu, Titel und Ländereien zu erben.

Kleidung castelo Gioia del colle

Friedrich war ein ungewöhnlicher Mann, der den Luxus liebte und der Wert auf schöne Kleidung legte. In einer Zeit, in der schon die Pflege des Körpers, also das Waschen, als unchristlich galt, da man ja auf alles Fleischliche verzichten sollte, badete der Kaiser täglich. Zu seinem Hofstaat soll neben dem Schatz und einer Bibliothek auch ein Zoo exotischer Tiere gehört haben. Sogar einen Harem junger Frauen nach arabischen Vorbild habe Friedrich stets mit sich geführt.

thron castelo Gioia del colle

Dass der Kaiser Frauen liebte, ist unumstritten. Neben seinen offiziellen drei Gemahlinnen soll er viele weitere Frauen geliebt und mindestens 20 Kinder gezeugt haben. Seine unehelichen Nachkommen nahm er bei sich auf. Hochzeiten feierte man damals aus politischer Notwendigkeit. So heiratete Friedrich II selbst drei Mal und verheiratete seine Nachkommen taktisch klug mit verschiedenen Fürstenhäusern, um sich die Macht im Reich zu sichern.

In der Burg von Gioia del Colle soll der Kaiser viel Zeit mit seiner Geliebten Bianca Lancia verbracht haben. Drei Kinder gebar sie ihm. Nachdem Bianca zu Unrecht der Untreue beschuldigt wird, lässt Friedrich die schwangere Geliebte angeblich in einem Turm der Burg einsperren. Eine traurige Geschichte besagt, sie habe sich nach der Geburt des Sohnes die Brüste abgeschnitten und sie mit dem Säugling zu Friedrich geschickt. Im Kerker der Burg finden sich an einer Wand zwei faustgroße Ausbuchtungen, die wegen ihrer Form an zwei Brüste erinnern und vielleicht zu dieser Legende geführt haben.

castelo Gioia del colle

castelo Gioia del colle

Im fortgeschrittenem Alter feierte Friedrich dann die vierte und letzte Hochzeit, als er seine langjährige Geliebte auf ihrem Sterbebett heiratete. Bianca Lancia soll die Liebe seines Lebens gewesen sein, behaupten viele. So konnte er die Kinder aus dieser Verbindung wenigstens noch legalisieren. Vor allem Manfred war seinem Vater sehr ähnlich und teilte mit ihm die Leidenschaft der Falkenjagd.

treppe castelo Gioia del colle

Die Burg in Gioia del Colle beeindruckt mich persönlich mehr, als das imposante Castel del Monte. Sicher ist die steinerne Blume, die einsam auf dem Hügel der Murgia thront, als Bauwerk wirklich einmalig. Aber auf der kleinen Burg mitten in dem belebten Gioia del Colle menschelt es mehr. Durch die vielen erhaltenen Details, die Bilder an der schön geformten Treppe im Hof, den steinernen Thron und seine Verzierungen, kann ich mir hier ein höfisches Leben irgendwie besser vorstellen.

thron castelo Gioia del colle
castelo Gioia del colle     Thronsaal castelo Gioia del colle    kammer turm castelo Gioia del colle

Infos Castel del Monte und Castel Gioia del Colle

Michi

Castel del Monte
SS170 Strada Statale 170,
76123 Andria
Website www.casteldelmonteandria.it

Öffnungszeiten Castel del Monte
Im Winter von 30 Oktober bis 31. März: 9.00 Uhr bis 18.30 Uhr
Im Sommer vom 1. April bis 30. September 10.15 Uhr bis 19.45 Uhr

Eintritt Castel del Monte
Erwachsene 7 Euro, ermäßigter Eintritt 2 Euro. Mit Behindertenausweis ist der Eintritt frei, auch für eine Begleitperson

Mit dem Auto von Bari zum Castel del Monte fahren wir ungefähr 1 Stunde. Im Sommer kann man nur bis zu einem weiter unten gelegenen Parkplatz fahren, dann geht es mit Shuttlebussen weiter. Im Winter kommt man bis an den Fuß der Burg. Von dort ist es nur ein kurzer Fußweg. Wir haben eine Parkgebühr von 2 Euro gezahlt.

gioia del colle

Museo Archeologico Nazionale e Castello di Gioia del Colle
Piazza dei Martiri del 1799
170023 Gioia del Colle

Website: museo-archeologico-nazionale-castello-di-gioia-del-colle

Im unteren Geschoss befindet sich das archäologische Museum, in dem Fundstücke einer nahegelegenen Peuketiersiedlung zu sehen sind. Wie die Messapier im Salento, lebten die Peuketier hier in der Gegend lange bevor die Römer alles eroberten.

Museum castelo Gioia del colle

Öffnungzeiten und Eintrittspreise:
Täglich von 8 bis 19 Uhr durchgehend geöffnet. Der Eintritt kostet 5 Euro, ermäßigt 2 Euro. Für Menschen mit Behinderung und eine Begleitperson ist der Eintritt frei.

Lesetipps:

Die italienische Journalistin Bianca Tragni hat viele Artikel und Bücher über den Staufer Kaiser veröffentlicht. Super gut zu lesen ist „Der mythische Friedrich II von Hohenstaufen“. Das Buch gibt es in der Cafeteria des Museums für 10 Euro.

Schätze der Welt: www.swr.de