Lange bevor die Römer den Süden Italiens eroberten, lebten in der Gegend des heutigen Salento die Messapier. Woher diese frühen Einwanderer Apuliens ursprünglich stammten, darüber streitet man sich noch. Einige sagen, sie seien aus Griechenland geflohen und hätten sich hier niedergelassen. Andere behaupten die Messapier stammten aus Illyrien, also der westlichen Balkangegend. Fest steht jedenfalls, dass genau dort, wo sich heute der kleine Ort Muro Leccese befindet, im sechsten Jahrhundert vor Christus eine der bedeutendsten Siedlungen des heutigen Apuliens lag: Myron, das messapische Muro.

Mauer messapier muro leccese

Die Messapier

Die Stadt, die hier einst stand, war relativ wohlhabend. Ihren Einwohnern ging es gut. Sie lebten gesund, und ernährten sich hauptsächlich von Gemüse und Hülsenfrüchten. Die Messapier trieben regen Handel mit den Griechen. Als im vierten Jahrhundert vor Christus die Bedrohung durch Überfälle immer größer wurde, errichteten sie eine Mauer. Sieben Meter hoch und vier Kilometer lang war der Schutzwall, der ihre Siedlung umgab. Bis heute sind in Muro Leccese noch Teile dieser Schutzmauer erhalten geblieben.

mauer  messapier muro leccese

Doch dem Expansionsdrang der wohlorganisierten römischen Truppen hielt selbst die dicke Mauer nicht stand. Schon hundert Jahre nachdem die Messapier ihren Verteidigungswall angelegt hatten, eroberten die Römer die kleine Stadt. Sie überfielen die Siedlung und machten sie dem Erdboden gleich. Vermutlich noch während dieses Angriffs, der das Ende der kleinen messapischen Stadt bedeuten sollte, hatte jemand versucht, seine Ersparnisse zu retten. In der Hoffnung später zurückzukehren, versteckte er seine Münzen. Doch dieser Schatz blieb in der Erde, bis ihn die Archäologen wieder ans Tageslicht beförderten.

messapier roemer eroberung muro leccese

opfergaben

Anhand archäologischer Funde konnte man einige Riten der Messapier nachvollziehen. Zur Verehrung der Gottheit der Erde wurden Tiere geopfert und wertvolle Gegenstände in einem Loch im Boden versenkt. Auch Trankopfer zählten wohl zum Kult der Messapier, wie ein kleines Modell im Museum anschaulich zeigt.

An den gefundenen Keramikresten kann man auch die Ähnlichkeit der messapischen Arbeiten mit den griechischen Vasen und Tellern erkennen. Die Messapier verzierten ihre Keramik mit geometrischen Mustern und ahmten auch die typisch griechischen Mäander nach. Doch die aus Griechenland stammenden Stücke waren weitaus feiner und eleganter gefertigt, als die einheimischen Produkte. Die wenigen importierten griechischen Vasen müssen sehr wertvoll gewesen sein und waren mit Sicherheit den wohlhabenden Einwohnern vorbehalten.

griechische vase muro leccese

Von Bildern und aus Inschriften weiß man auch, dass es bei den Messapiern üblich war, dass Klagefrauen die Toten beweinten. Noch im letzten Jahrhundert gab es in einigen Dörfern Süditaliens ganz ähnliche Bräuche. Klageweiber kamen zusammen, um am Bett des Verstorbenen singend zu weinend und zu lamentieren, sich auf eine rituelle Art die Haare zu raufen und mit Taschentüchern zu wedeln.

klageweiber muro leccese

Muro im Mittelalter

Von der ursprünglich blühenden Stadt der Messapier ist nach der Eroberung durch die Römer nichts mehr übrig geblieben. In den folgenden Jahrhunderten finden sich nur wenige Aufzeichnungen, die lediglich vereinzelte kleine Höfe erwähnen.

Helm osmanisch i turci museum

Erst im sechsten Jahrhundert entsteht unter der Herrschaft der Normannen wieder eine kleine Siedlung. Immer wieder kommt es zu Überfällen durch osmanische Truppen, die die gesamte Gegend erobern wollen. Im späten Mittelalter streiten dann das Haus Anjou und die Venezianer um die Vormacht im Salento, bis schließlich die Könige von Neapel und Sizilien über den kleinen Ort regieren.

mittelalter museum muro leccese

Muro Leccese besteht im Mittelalter aus einer Kirche und einem kleinen Friedhof mit Kapelle außerhalb der Mauern. Wie auf dem Reißbrett ist eine neue kleine Siedlung mit geradlinigen Straßen und einfachen Häusern entstanden. Der Palast des Feudalherren gleicht einer Festung, in die sich die Einwohner des Dorfes bei Angriffen flüchten.

In den Kirchen folgten die Einwohner viele Jahrhunderte lang noch dem griechisch-byzantinischen Kult. Spätestens mit der Ansiedlung eines dominikanischen Klosters im 15. Jahrhundert wurde der alte Ritus jedoch durch den katholischen Kirchenritus ersetzt. Das geschah sicherlich nicht ganz freiwillig.

muro leccese

muro leccese
 muro leccese

Unterhalb des Palazzo kann man noch die mittelalterlichen Lagerräume der Burg besichtigen. Außer den Silos für das Getreide und den Behältern für das Öl, die im Keller der Festung gelagert wurden, befand sich dort in einem winzigen Raum, der Kerker.

gravuren kerker

Die Wände des Kerkers sind mit Gravuren geradezu übersät. Die Gefangenen haben nicht nur die Tage gezählt und ihre Namen in den Stein gekritzelt. Viele haben während ihres tristen Zwangsaufenthalts in der dunklen Zelle kleine Kunstwerke an den Wänden hinterlassen.

Nicht nur im Kerker, auch in der Ölmühle des Feudalherren von Muro Leccese sind solche „Graffitis“ erhalten geblieben. Die Szenen, die die Arbeiter hier in den Stein geritzt haben, stellen eine Seeschlacht dar.

muro leccese

frantoio graffiti in oelmuehle muro leccese

Wenn im Winter die Oliven gepresst wurden, um daraus das wertvolle Lampenöl zu gewinnen, kamen die Arbeiter wochenlang nicht ans Tageslicht. Sie schliefen und arbeiteten direkt in der Mühle und vertrieben sich wohl mit diesen Gravuren die Zeit. Man nimmt an, dass die Zeichnungen in der Ölmühle von Männern stammen, die 1571 bei der Schlacht von Lepanto mitgekämpft haben. Zumindest müssen es wohl Zeitzeugen gewesen sein, die sich an dieses bedeutende Ereignis erinnerten. Immerhin hatte damals in Messina die Liga des christlichen Abendlandes gegen die gefürchteten Truppen des osmanischen Sultans gesiegt.

Ölmuhle Muro Leccese

in der oelmuehle muro leccese


Der Palast

Im oberen Stockwerk des Museums kann man durch die Säle des ehemaligen Palasts wandeln. Auch wenn die Kristallleuchter natürlich nicht original, sondern moderne Nachahmungen sind, kann man die elegante Pracht noch erahnen. Vom Thronsaal aus überblickt man den zentralen Marktplatz vor der Kirche. Hinter einem unauffälligen Regal findet sich dann auch prompt ein Geheimgang mit einer Treppe aufs Dach des Palastes. Hinter einer anderen geheimen Tür im Schlafgemach befindet sich wieder ein Gang. Doch der führt nicht aufs Dach, sondern zum Klo des Fürsten.

thronsaal       leuchter

Infos zu Muro Leccese

In dem ehemaligen Palast von Muro Leccese ist heute ein Museo diffuso eingerichtet. Dieser Name bedeutet, dass sich das Museum nicht nur im Palast selbst befindet, sondern sich auf verschiedene Gebäude im historischen Zentrum erstreckt. Es lohnt sich rechtzeitig vorher nach einer Führung zu fragen. Dabei wirst Du durch alle Räume und Gebäude geleitet und verpasst garantiert nichts. Der Eintritt kostet (mit Führung) 3 Euro.

Museo di Borgo Terra
Piazza del Popolo
Muro Leccese
Website:  museoborgoterra

Auf der Website gibt es sogar eine App zum downloaden: Muro Amica app.