Wer heute an Italien denkt, denkt eigentlich automatisch auch an Pasta. Niemand hat die Zubereitung dieser Speisen aus Getreide und Wasser so vervollkommnet wie die Italiener. Natürlich will ich daher bei meinem Aufenthalt in Apulien auch in die Töpfe der Leute hier gucken und von einer Italienerin in diese Kunst eingeweiht werden. Der Schatz und ich wollen lernen, Pasta selber zu machen. Klischee hin oder her.
Wir sind mit Benedetta verabredet, Gianlucas Mama, die wir hier im Salento kennengelernt haben. Das Mehl kauft Benedetta in der Mühle, denn dort wird noch Getreide aus der Region verarbeitet. Und die Pasta soll natürlich auch besser schmecken, als wenn wir das Mehl einfach im Supermarkt kaufen würden.
Vollkornmehl aus Gerste und Weizen
Außer Mehl brauchen wir noch Wasser, etwas Olivenöl und ein Ei. „Ungefähr so viel“ – Die Mengenangaben hat eine italienische Hausfrau im Gefühl. Du musst einfach gucken, wie die Konsistenz des Teiges ist, erklärt Benedetta uns. Mit ihrer Erfahrung ist das sicher kein Problem. Ob ich allerdings zu Hause, wenn ich dann ohne ihre Hilfe Pasta machen will, auch das richtige Gespür haben werde? Daran zweifele ich gerade noch ein wenig. Es ist wohl einfach Übungssache. Zu Hause dürfen sich schon mal alle auf wochenlanges Pasta essen einstellen.
Die Zubereitung des Teiges sieht eigentlich nicht sehr kompliziert aus. Auf einem speziellen Holzbrett, das nur zum Pasta machen und für nichts anderes benutzt wird, werden die Zutaten verarbeitet. Ein Haufen Mehl, in die Mitte macht man eine Mulde für das Ei (und Salz nach Geschmack), später kommen Öl und Wasser dazu, bis diese mysteriöse Konsistenz stimmt.
Aber erst mal heißt es kneten. Das Kneten ist ein wirklich wichtiger Bestandteil der Arbeit, denn Benedetta massiert den Teig geradezu in alle Richtungen. Mit geschickten Fingern, denen man die jahrelange Übung einfach anmerkt, dreht, drückt und zieht sie die Masse auf dem Holzbrett immer wieder hin und her.
Schließlich ist es so weit. Sie schneidet einen Teil von der Teigkugel ab und formt daraus eine gleichmäßige, fingerdicke Rolle. Jetzt machen wir Orecchiette. Diese runden Nudeln, die wie ein winziges Hütchen aussehen, heißen übersetzt eigentlich „Öhrchen“. Orecchiette ist die typische Pasta aus Apulien. Besonders Bari ist für seine Orecchiette berühmt. In der Altstadt soll es eine ganze Straße geben, in der die Omis ihre Pasta draußen vor der Tür zubereiten und trocknen lassen. Das ist natürlich super für die vielen Touristen, die dort auch gleich echte Orecchiette aus Bari kaufen können.
Allerdings lachen die Einheimischen ein wenig über dieses scheinbar gut laufende Geschäft, weil es einfach zu touristisch, zu sehr Klischee ist. Die Pasta machende Oma in Bari ist wohl so etwas ähnlich, wie die Flamencotänzerin in Spanien, ein Bild, das sich im Ausland eben gut verkauft.
Orecchiette isst man hier wirklich viel. Das ist nicht nur Klischee, sondern Alltag in ganz Apulien. In Bari kommen die Öhrchen traditionell mit Tomatensoße auf den Teller, im Salento am liebsten mit rape, dem winterlichen Stängelkohl. Aber zu meiner Überraschung erfahre ich, dass das nicht immer so war. Benedetta erinnert sich, dass es früher höchstens zwei oder dreimal in der Woche Pasta gab. Meistens gab es einfach nur Hülsenfrüchte und Gemüse. Mehl für Pasta zu haben war nicht selbstverständlich.
La vita è una combinazione di magia e pasta – sagt Fellini
Diese kleinen runden Ohrennudeln sind gar nicht so leicht zu machen, wie gedacht. Man muss mit der Messerspitze leichten Druck auf den Teig ausüben und dann irgendwie ganz geschickt das Hütchen formen. Michi und ich geben uns alle Mühe, aber es dauert eine Weile, bis wir den Dreh raus haben und unsere Orecchiette nicht mehr als Pizza belächelt werden.
Benedetta schneidet ein weiteres Stück Teig ab. Aus der nächsten Portion machen wir Maccarruni, die salentinische Hausfrauenversion der Maccheroni. Wieder formt Benedetta eine dünne Rolle, von der sie dann längliche Stücke abkneift. Die werden auf eine dünne Nadel gedreht und schnell wieder abgezogen, damit der Teig nicht klebt. So erhält man eine längliche Nudel mit Loch in der Mitte.
Lu fierru te la pasta, das Nudeleisen, ist nur wenige Millimeter dick, circa 30 cm lang und aus Metall. Wie eine Fahrradspeiche praktisch. Das Geräusch beim Drehen der Nadel auf dem Holzbrett ergibt bald einen Rhythmus. Da hört man sogar, ob man alles richtig macht. Ich finde, diese Maccheroni sind sehr viel einfacher zu machen, als die Orecchiette und beschließe, dass das jetzt meine Lieblingspasta wird.
Anschließend machen wir gedrehte und gerade Bandnudeln. Sagne ‘ncannulate oder sagne ritorte heißen die gedrehten Streifen. Diese Pasta soll sehr typisch für das Salento sein, lasse ich mir erklären. Als Massa Salentina werden die gedrehten Nudeln dann mit Kichererbsen und cavolo nero (Palmkohl) gegessen. Obendrauf kommen zur Dekoration noch ein paar frittierte Nudelfetzen. Dazu nimmt man wohl die restlichen Schnipsel Teig, aus denen man keine ganzen Nudeln mehr drehen konnte, denn in der salentinischen Küche wird alles verwertet. Hier kommt nichts um.
Überhaupt sind die traditionellen Gerichte des Salento, nicht nur die Pasta, eher „arme“ einfache Gerichte, die aus wenigen Zutaten bestehen. Man hatte hier früher nicht viel zur Verfügung und musste von dem leben, was der Boden hergab. Da normalerweise die ganze Familie arbeitete, blieb auch nicht viel Zeit für die Zubereitung. Typische Gerichte sind daher in der Regel schnell gekocht oder gut vorzubereiten.
Mit dem allerletzten Klumpen Teig machen wir noch einfache Bandnudeln. Wie bei den Sagne ritorte rollt Benedetta einen dünnen Boden aus. Mit dem Nudelholz rollt sie so lange, bis die Masse aussieht, wie eine große flache Pizza. Während für die gedrehten Nudeln der Boden nur einmal umgeklappt wird, faltet Benedetta den Teig für die Bandnudeln jetzt mehrmals. Dann muss sie nur noch gerade Streifen abschneiden und auseinander falten.
Aus einem Teig haben wir vier verschiedene Sorten Pasta gemacht! Die muss jetzt nur noch ein paar Stunden trocknen. Je nach Wetter und Luftfeuchtigkeit geht das schneller oder langsamer. Bei Scirocco, dem feuchtwarmen Wind aus Süden, kann es schon mal länger dauern. Aber spätestens am nächsten Tag kannst Du die Pasta dann kochen. Allzu lange sollte man sie übrigens nicht liegen lassen. Denn wegen der frischen Zutaten rät Benedetta uns, die Pasta in den nächsten 4 bis 5 Tagen zu essen.
Rezepte für Pasta und andere traditionelle Gerichte aus Apulien findest Du auf dieser Website (auf Italienisch) www.lacucinapugliese.org
Über meinen ersten Versuch mich der italienischen Küche zu nähern, kannst Du diesen Artikel über die Casa Artusi in Forlimpompoli lesen.
…bis auf die Fingernägel!
Boah wie lecker! Ich will auch. Vielen Dank für die Inspiration!
Gerne!!! 🙂