Wie Susi und Strolch laufen die beide Hunde vor mir auf dem Weg durch den Wald. Die  beiden sind ein Pärchen, das merkt man gleich. Sie, ganz weiß, bewegt sich äußerst elegant. Er, braun-weiß gefleckt, ist ein echter Kavalier. Branquinha, die kleine Hundedame, lässt sich nicht hetzen. Sie schnuppert in aller Ruhe am Gras, knabbert hier ein wenig und stöbert dort durch das wilde Grün am Wegesrand. Er wartet. Geduldig, wie sich das für einen Gentleman gehört. Erst als Branquinha fertig ist, gehen wir weiter. Eine breite Holzbrücke führt über das kleine Bächlein, in dem laut plätschernd frisches Quellwasser fließt. Und dann sind wir da, in Cerdeira.

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Cerdeira ist ein winziges Dorf in den Bergen Portugals. Es ist eins der über zwanzig Schieferdörfer hier in der Gegend, den aldeias do xisto, wie die Portugiesen diese kleinen Siedlungen nennen.

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Auf dem kargen Boden der Gegend konnten die Menschen kaum Landwirtschaft betreiben. Das schwarze Schiefergestein ist einfach überall. Lange Zeit schien diese Region im Zentrum Portugals von der Welt vergessen zu sein. Die Menschen lebten in einfachen Verhältnissen, ohne Strom. Fließendes Wasser gab es nur im Bach. Das Leben war hart in Cerdeira.

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In den sechziger Jahren wurden viele dieser Aldeias do Xisto verlassen. Die alten Steinhäuser verfielen und manche Dörfer verschwanden bald still und leise im Grün des Waldes. „Die Natur ist schnell“, sagt Kerstin, die hier seit dreißig Jahren lebt. In den achtziger Jahren zog sie mit ihrer Familie nach Cerdeira und begann gemeinsam mit Freunden und Bekannten ein paar der alten Häuser wieder aufzubauen, um das Dorf mit neuem Leben zu füllen. Ein aufwendiges und sehr ehrgeiziges Projekt, in das alle hier viele Jahre harter Arbeit gesteckt haben. Doch es hat sich gelohnt! Die aldeias do xisto sind ein Teil der Kultur und der Geschichte der Menschen. Sie zu erhalten ist eine Hommage an die kulturelle Identität und ein Zeichen der Wertschätzung dieser lange Zeit vernachlässigten Region.

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Heute gibt es in Cerdeira ein kleines Café, eine Bibliothek, ein Backhaus und viele liebevoll wiederaufgebaute Wohnhäuser. Ich beziehe für ein paar Tage das Haus der Nachbarinnen, die casa das vizinhas, dessen Inneneinrichtung Kerstin gestaltet hat. Unter den Händen der Künstlerin ist hier ein gemütliches Zuhause entstanden. Sie lockt die Figuren, die im Holz stecken heraus und verwandelt das raue Material in lebendige Geschichten. So erinnern die Figuren, die sie für die Casa das Vizinhas gemacht hat, an die früheren Bewohnerinnen des Dorfes. Lustig und ein bisschen frech dreinblickende ältere Frauen, mit Kopftuch oder auf den Gehstock geschützt, grinsen mich von der Wand an. Sie sehen aus, als hielten sie gerade ein nettes Schwätzchen. Mit dem Tonkrug in der Küche kann ich mir frisches Wasser aus der Quelle holen, erklärt Kerstin. Ich bin begeistert.

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Aber nicht nur biologisch-ökologisches Bauen und soziale Verantwortung machen das Leben im neuen Cerdeira Village aus. Neben der Natur ist die Kunst eine weitere Protagonistin im Dorf. Regelmäßig kommen Künstler aus verschiedenen Ländern der Welt, um hier zu arbeiten oder ihre Werke auszustellen. Für die Besucher Cerdeiras gibt es Schnupperkurse, wie Kerstin diese Zeit nennt, in der die Gäste lernen können, mit Materialien wie Holz, Ton oder Schiefer zu werkeln.

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Wirklich still ist es nicht, als ich am Morgen aufwache. Das Wasser des kleinen Bächleins plätschert laut. Ein glückliches Grinsen macht sich ungefragt in meinem Gesicht breit. Ganz allein stehe ich auf meinem Balkon und lache leise vor mich hin. Es fühlt sich so unglaublich richtig und gesund an, hier zu sein. So scheinbar einfach und doch mit allem Komfort mitten in der Natur zu leben, tut der Seele gut.

Der Weißdorn vor meinem Haus duftet ziemlich stark. Auch wenn er wirklich schön aussieht, finde ich aber ehrlich gesagt, er stinkt. Aber gut, das ist eben die Natur. Es gibt ja auch noch andere Bäume und Blumen hier. Ich mache mich auf den Weg zum Frühstück. Ariadna hat die Tische schon gedeckt. Honig, Marmelade, Käse, Brot – lauter Produkte aus der Region. Sogar einen frisch gebackenen Kuchen gibt es heute!

frühstück

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Chanfana

Nach dem Frühstück darf ich beim ersten Schnupperkurs dabei sein. Kerstin erklärt, wie eine traditionelle Chanfana zubereitet wird. Früher gab es viele Ziegen in den kleinen Bergdörfern. Auch hier in Cerdeira. Die Menschen lebten hauptsächlich von der Milch, dem Käse und dem Verkauf der Zicklein. Fleisch stand selten auf dem Speiseplan. Nur an hohen Feiertagen und zu besonderen Anlässen wurde schon mal eine alte Ziege geschlachtet. Da die älteren Tiere natürlich im Laufe der Jahre vom Klettern in den Bergen recht muskulös waren, musste man sie in Wein einlegen, um das Fleisch zarter zu machen.

Kerstin zeigt uns, wie das geht. Ein paar Gewürze, Öl, Zwiebeln, viel Knoblauch und jede Menge Wein werden in dem aus schwarzen Ton gebrannten Topf mit dem Ziegenfleisch vermengt. Der Ofen in dem wiederaufgebauten Backhaus ist schon vorgeheizt. Mit geschickten Bewegungen platziert Kerstin die Tontöpfe im Feuer. Dann wird der Backofen verschlossen. Nun heißt es warten, denn die Chanfana muss mehrere Stunden im Feuer schmoren.

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Wandern nach Candal

Mit Rucksack und Wanderschuhen wartet Ariadna schon auf uns. Während die alte Ziege im Ofen brät, machen wir uns auf den Weg in den Wald. „Diesen Weg mussten die Kinder aus Cerdeira früher laufen, um zur Schule ins Nachbardorf zu kommen“, erklärt Ariadna während die Schieferhäuser hinter uns langsam immer kleiner werden. Sommer wie Winter liefen die Kinder barfuß über Stock und Steine. Manchmal führt der Weg auch durch den Bach.

wald wanderweg cerdeira candal der dünne Strich in der Mitte ist der Schulweg 

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Ein großer, grüner Farn wächst am Wegesrand. Und ich entdecke noch mehr Weißdornbüsche. Auf dem Weg nach Candal kann es auch passieren, dass wir Rehe oder Wildschweine treffen, sagt Ariadna. Wenn sie nicht gerade im Café arbeitet, ist sie als Guide unterwegs und begleitet die Besucher des Schieferdörfchens auf den Wegen durch die Berge.

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Zwischendurch geht es immer mal wieder ein Stückchen bergauf. Kurz vor Candal, dem Nachbarort, wird es richtig steil! Als ich schnaufend oben ankomme, belohnt der Ausblick mal wieder für alle Mühen. Cerdeira liegt jetzt schon weit weg, aber noch kann ich die Dächer der Häuser deutlich im Grün des Waldes erkennen.

Nach ungefähr fünfzig Minuten haben wir schließlich Candal erreicht. Das Dorf ist wesentlich größer als Cerdeira und liegt an einem steil abfallenden Hang. Zwischen wunderschönen Schieferhäusern hindurch, bahnen wir uns den Weg nach unten.

cerdeira village portugal
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Im Tal plätschert ein Bächlein vor sich hin. Vermutlich ist es derselbe Bach, der auch weiter oben durch Cerdeira fließt. Am Ufer stehen eine alte Mühle und ein nettes kleines Restaurant. Hier kocht Anna für ihre Gäste, also heute für uns.

Anna ist vor vielen Jahren aus Lissabon in die Berge gezogen. In ihrer Küche brät und brutzelt sie traditionelle Gerichte, die sie in dem kleinen gemütlichen Gastraum auftischt. Mit ihrer herzlichen, warmen Art verbreitet Anna eine wunderbare Atmosphäre, in der ich mich sofort wie zu Hause fühle. Es gibt Lamm mit knackigem Gemüse, Kartoffeln und himmlisch guten Nachtisch! Betrunkene Birne, Milchreis, Eis und mein Lieblingsdessert, tigelada. Jede Köchin hat offenbar ihr eigenes Rezept für diesen Pudding, aber die Grundzutaten sind immer gleich: Eier, Milch, Zucker, Zitrone und eine Prise Zimt. Bei Anna ist die tigelada fast schon ein Kuchen – lecker!

tigelada
restaurant candal

Kreativ in Cerdeira

Zurück in Cerdeira erwartet uns Kerstin in der Werkstatt. Kleine Miniaturausgaben der alten Schieferhäuser stehen in einem Regal. Das Ergebnis eines anderen Schnupperkurses. Wir dürfen uns heute an dem roten Ton austoben. Bevor wir selbst kreativ werden, erklärt Kerstin uns die Entwicklung der traditionellen figurativen Keramik hier in der Gegend. Denn außer Teller und Schüsseln zu töpfern, haben die Leute immer schon ihrer Kreativität freien Lauf gelassen und kleine Kunstwerke geschaffen.

Im nördlichen Portugal sind die Figuren oft vom Glauben der Menschen geprägt. Dämonen und teuflische Fratzen tauchen in ländlichen Gegenden häufig auf. Doch es gibt auch andere Figuren, Szenen aus dem alltäglichen Leben. Je freundlicher die Landschaft, je wärmer und heller die Umgebung, umso bunter scheinen auch die Figuren zu werden. Die Natur prägt eben doch die Menschen und damit auch unsere Kultur.

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Unsere erste Aufgabe ist es, den Ton weich zu kneten und zu sehen, welche Figur sich darin versteckt. Es ist ein bisschen wie beim Bleigießen. Ich sehe eine Art Madonna, oder eine Mutter, die sich schützend über ein Kind in ihrem Arm beugt. Das soll ich nun versuchen herauszuarbeiten, sodass die anderen es auch sehen können.

Es geht darum das Zusammenspiel von Augen und Händen zu trainieren, erklärt Kerstin. Die Übertragung des Bildes in meinem Kopf auf das Material sozusagen. Gar nicht so einfach. Ich gebe mir wirklich Mühe, aber ich keine Ahnung, ob meine Fantasie da mit mir durchgeht. Zunächst noch zaghaft, dann mutiger, knete und forme ich mich langsam warm. Meine Finger scheinen sich an die weiche Masse zu gewöhnen. Nach den ersten Minuten bin ich total begeistert dabei und auch nicht mehr so schüchtern. Es macht richtig Spaß.

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Die nächste Aufgabe ist es, etwas aus unserem alltäglichen Leben darzustellen. Dabei kommt es nicht auf Schönheit an, sondern es geht wie gesagt darum, ein Gefühl für das Material zu kriegen und uns mit dem Ton vertraut zu machen. Völlig in unsere Arbeit versunken, kneten und schwatzen wir. Immer fröhlicher und mutiger werden unsere Figuren. Am Ende entsteht bei mir eine abstrakte Figur aus runden weichen Formen, eine Mischung aus Niki de Saint Phalle und Miró. Fehlt eigentlich nur noch die bunte Farbe, oder?

Cerdeira Village

Neben dem ganz besonderen Brennofen, den ein japanischer Künstler entworfen und hier gebaut hat, stehen ein paar Figuren in einem Beet, mitten im Gras. Ich sehe mir das genauer an. Es ist ein Schrein, den der Meister dem Dorf geschenkt hat. 108 Figuren sollen es mindestens sein, damit der Schrein Glück und positive Energie bringt. Oder so ähnlich. „Es sind sogar mehr“, weiß Kerstin, die auch ein paar der winzigen Statuen beigesteuert hat. Eine ihrer Figurn erkenne ich sofort . Sie erinnert nämlich verdächtig an die Nachbarinnen in meinem Häuschen.

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Am Abend verzehren wir dann alle zusammen das Chanfana, dass wir heute Morgen mit Kerstin zusammen in den Ofen geschoben haben. Einen ganzen Tag lang hat die Zubereitung gedauert. Dazu gibt es Pilze und Kastanien. Langsam wird es dunkel und die Sterne leuchten hell über uns. Das kleine Bächlein plätschert immer noch laut und fröhlich, als ich irgendwann todmüde und glücklich in mein Bettchen falle.

Infos zum Cerdeira Village

Infos zu den Schieferdörfern findest Du auf der Website der Vereinigung der Schieferdörfer www.aldeiasdoxisto.pt, zu denen auch Cerdeira gehört. Genauere Informationen über die Projekte, die Geschichte und natürlich auch über die kreativen Schnupperkurse im Cerdeira Village findest auf www.cerdeiravillage.com

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Wer statt im Café morgens lieber sein Frühstück „zu Hause“ haben möchte, kann sich das Frühstück morgens an die Tür liefern lassen. Auch am Abend kann man sich ein Essen vorbestellen. Nach einer langen Wanderung zum Beispiel wartet dann ein frisch gekochtes Mahl auf dem schön gedeckten Tisch. Super Idee oder? Ansosten gibt es in der Nähe auch ein paar Restaurants, die man allerdings nur wandernd oder mit dem Auto erreicht.

Traditionelle Küche rund um Cerdeira:

Restaurant in Lousã:
O Burgo
N.ª Sra. da Piedade
Lousã (Portugal)
Tel: +351 239 991 162

Restaurant in Candal:
Sabores Da Aldeia
Candal (Portugal)

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Mehr Geschichten aus dem Cerdeira Village kannst Du hier lesen: paradise-found.de

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Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Pressereise. Vielen Dank an das wundervolle Team des Cerdeira Village! Die hier durchklingende Begeisterung beruht einzig und allein auf meiner ganz persönlichen und privaten Faszination für diesen wundervollen Ort!