In jedem Kuss wird die Welt neu geboren. Das ist der Titel eines Foto-Kunstwerks in Barcelona. Mitten in der Altstadt ist es einfach so an einer alten Mauer zu sehen. Frei zugänglich und kostenlos.

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Der katalanische Künstler Joan Fontcuberta ist in seinem Fach eine Art Nobelpreisträger. Mit seinen googlegrams und fotograms hat er die Welt der Fotografie neu definiert. Für ihn gleicht die Bilderflut der heutigen Zeit einem Tsunami. Tausende Fotos, die das gleiche Motiv zeigen. Tausende Fotos, die sich zum Verwechseln ähnlich sehen. Millionen Sonnenuntergänge, Strandbilder, beleuchtete Skylines der Großstädte, Selfies. Heute ist alles schon fotografiert worden. Und das meist gleich millionenfach.

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Erstaunlicherweise stehen die Leute hier für ein Selfie manchmal Schlange und verschwinden sofort wieder, sobald das Bild „im Kasten“ ist. Street Art – abgehakt. Kaum jemand nimmt sich die Zeit, die Geschichten der einzelnen Bilder zu entdecken. Dabei gibt es hier doch so unendlich viel zu sehen.

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Fontcuberta hat sich über seine reine Arbeit als Fotograf hinaus zu einem Mosaikkünstler entwickelt. Mithilfe des Internets und der Flut an neuen Bildern will er mit den Menschen kommunizieren. Für seinen Kuss hatte er einen Aufruf in einer spanischen Tageszeitung gestartet. Die Leser konnten für sein Projekt ihre ganz persönlichen Bilder zum Thema „Momente eines freien Lebens“ einschicken. So entstand eine Wand mit insgesamt 4.000 bedruckten Kacheln. In fünfzig Reihen aneinandergeklebt ergeben alle zusammen ein neues Bild, nämlich die sich küssenden Lippen. Überdimensional groß und leidenschaftlich. Der Titel des Fotomosaiks lautet eigentlich El món neix en cada besada, also auf Deutsch übersetzt „Mit jedem Kuss wird die Welt geboren“. Erst bei näherem Hinsehen des großen Kuss-bildes erkennst Du die vielen einzelnen Welten in den unzähligen kleinen Bildern.

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Für jeden Leser, der an dem Projekt teilgenommen und ein Bild eingesandt hat, bedeutet „frei zu leben“ offenbar etwas anderes. Während der eine darunter versteht am Strand mit Freunden zu feiern, denkt ein anderer an Natur und weite, unberührte Landschaften. Für manche Leser ist das Zusammensein mit Familie und Freunden Ausdruck ihrer Freiheit, wieder andere denken an Reisen in ferne Länder.

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Infos zu Fontcubertas Kuss

Ganz in der Nähe der Kathedrale befindet sich das Fotomosaik „El món neix en cada besada“ an der Plaça d’Isidre Nonell an einer alten Mauer. Außer Fontcuberta hat auch der Keramik-Künstler Antoni Cumella i Vendrell mit an dem Werk gearbeitet. Eingeweiht wurde das Fotomosaik 2014 zur Dreihundertjahrfeier des katalanischen Nationalfeiertags. Jedes Jahr am 11. September gedenken die Katalanen der dramatischen Schlacht von 1714. Mit dieser Niederlage Barcelonas wurde das Ende des Spanischen Erbfolgekriegs eingeläutet.

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Außer dieser Fotowand gibt es in Barcelona immer mal wieder Ausstellungen Fontcubertas zu sehen, wie 2021 „Evidència“ in der Galeria Àrea Tallers oder „Jardines de polvo“, Gärten aus Staub, im Herbst 2023 in der Galeria Àngels im Carrer Pintor Fortuny. Auf seinem Instagram Account erklärt Joan Fontcuberta das Leitmotiv dieser letzten Ausstellung und äußert sich zur neusten Entwicklung der Fotografie. In bezug auf Bilder, die von künstlicher Intelligenz entwickelt werden, spricht er von den Ruinen der visuellen Kultur und dem Verschwinden der Fotografie. Diese neue Bilderflut künstlich geschaffener „Fotografien“ enthalte keinerlei „Erinnerungen“ mehr, sondern kreiere vielmehr die Illusion einer Geschichte.

Noch mehr Kunst auf den Straßen Barcelonas:

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In den Straßen Barcelonas gibt es viele Kunstwerke zu sehen. Außer den Streetart Wandmalereien bekannter und unbekannter Künstler, gibt es Denkmäler, Skulpturen, Brunnen und das Straßengemälde Joan Mirós, das mitten der Rambles von vielen Besuchern übersehen wird. Keith Haring hat der Stadt in der Nähe des Museu d’Art Contemporani das Mural del Sida hinterlassen, Rebecca Horn erinnert am Strand der Barceloneta mit dem „Estel ferit“, dem verletzten Stern, an die Geschichte dieses Teils Barcelonas.

raval el gato de botero barcelona

Fernando Botero hat neben der dicken Katze auf der Rambla del Raval auch eine Skultpur am Flughafen entworfen (im Terminal 2), Antoni Llena erinnert mit seinem Gerüst aus Draht an die mutigen Menschen die die Tradition der Castells pflegen (indem sie meterhohe Menschentürme bauen) und einer der überdimensionalen Köpfe Jaume Plensas ist vor dem Palau de la Musica Catalana zu finden. Es gibt so viel zu sehen! Man muss nur die Augen aufmachen!

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Es gibt sogar eine offizielle Website der Stadt, auf der einige Kunstwerke aufgelistet und vorgestellt werden: https://www.diba.cat/es/web/art-al-carrer.  Für das neue Jahr habe ich mir vorgenommen, ein paar Routen zu entwerfen, damit Ihr auf einem Spaziergang (oder mehreren) zu all diesen Kunstwerken gelangt. Ich weiß gerade noch nicht, wann genau ich das schaffen werde, aber der Artikel kommt bestimmt.