Als wir im Maestrazgo ankommen, regnet es. Das kann im Herbst schon mal vorkommen und das Wasser brauchen wir dringend. Wir lassen uns deswegen also nicht die Laune verderben. Aber womit wir nicht gerechnet haben, sind die Feiertage. Wenn man auf den kleinen Ort zufährt, sieht Morella wirklich beeindruckend aus. Die Stadt liegt auf einem steilen Berg. Ganz oben, wie eine Kirsche auf der Torte, thronen die Überreste der alten Burg, also die Mauern und Säle, die von der einst mächtigen Festung erhalten ist.

Morella Maestrazgo Valencia

Sobald die Wolken sich verzogen haben, beginnen wir den kleinen Ort zu erkunden. Doch schnell stellen wir fest, dass alle Geschäfte, Restaurants und sogar das Museum der Dinosaurier geschlossen sind. “Descanso del personal” Ruhetag für das Personal, erklärt man uns im Hotel. Außerhalb der Hauptsaison unterwegs zu sein hat zwar den Vorteil, dass es schön ruhig ist und wenig Menschen unterwegs sind, aber dafür sind eben auch die Öffnungszeiten nicht so üppig – besonders in so einsamen Gegenden wie dem Maestrazgo.

Morella Arena

Morella blick auf die Kirche

Die Burg ist zum Glück nicht geschlossen und ich beginne mit dem Aufstieg. Es ist schon ein recht sportliches Unterfangen, bis zum alten Burghof, der Plaza de Armas, aufzusteigen. Immer höher geht es hinauf, durch alte Pforten und an dicken Mauern vorbei, bis ich endlich am Fuße einer steilen Steintreppe stehe. Auch diese letzten Stufen erklimme ich noch. Jetzt, wo ich schon so weit gekommen bin, lasse ich mir auch die höchstgelegene Etage dieser Burg nicht entgehen. Und tatsächlich, die Aussicht ist wirklich unglaublich, trotz des schlechten Wetters. Weit erstreckt sich das flache Land in alle Richtungen.

Morella Burg

Es fühlt sich an, als könnte ich von hier oben bis ans Ende der Welt sehen. Ganz so weit vermutlich dann doch nicht, aber die ganze Ebene habe ich von hier aus immerhin im Blick. Weiter als bis zum nächsten Gebirge geht sowieso wegen meiner Sehschwäche nicht ;-). Nachdem ich stolz es bis ganz oben geschafft zu haben und eine Weile auf der Plaza de Armas herumgeschlendert bin, mache ich mich wieder an den Abstieg.

Morella Maestrazgo Burg

Morella Burgmauer

Der Audioguide, den man sich per App aufs Handy laden kann, ist nicht sonderlich praktisch. Was ich von dem Text noch erinnere, ist lediglich, dass bereits die Mauren hier eine erste Festung errichtet haben sollen, die im Laufe der Zeit immer weiter ausgebaut wurde. Und dass zu Anfang des 15. ten Jahrhunderts der Papa Luna eine Zeit lang hier verbracht haben soll. Papa Luna nennt man in Spanien Papst Benedikt der XIII, der mit bürgerlichem Namen Pedro Martínez de Luna hieß und aus Aragon stammte. Als Gegenpapst hatte er Ende des 14. Jahrhunderts in Avignon residiert, bis er Frankreich verlassen musste und in seine Heimat floh. Nach dem Tod König Martin des Humanen soll er sich in Peñiscola verschanzt und bis zu seinem Tod an der Papstwürde festgehalten haben. Aber das ist eine andere Geschichte …

Maestrazgo

Das Maestrazgo ist eine historische Region, die ihren Namen den Großmeistern, els Grans Maestres, des Tempelritterordens verdankt. Heute erstrecken sich die zum Maestrazgo zählenden Dörfer auf die Provinzen Castellón (in Valencia) und Teruel (in Aragón). Aber es sind nicht nur die gut erhaltenen Ortskerne der kleinen Dörfer, sondern vor allem die Naturlandschaften, die dazu beigetragen haben, dass die Gegend zum “Geoparque” und “Parque Cultural del Maestrazago” erklärt wurde.

ares del maestrat ausblick Maestrazgo

Ares del Maestrat

Am nächsten Tag fahren wir weiter bis Ares del Maestre (oder auch Ares del Maestrat). Die Straße windet sich in schmalen Kurven, bis der kleine Ort vor uns erscheint. Noch so eine Stadt auf hohen Felsen – aber dieses Mal ganz anders. Die Leute hier haben früher ganz offensichtlich bevorzugt auf schwer erreichbaren Berggipfeln gebaut. Das ist eindeutig. Aber rund um Ares ist das gesamte Gelände terrassiert. Teilweise kann man die Mauern und ehemalige Felder noch deutlich erkennen. Und Ares ist sehr viel ruhiger als Morella. Es gibt eine kleine Bar und einen Rundweg zu Füßen der Burg. Wir spazieren einmal um den zentralen Felsen herum und lassen uns die herbstliche Sonne ins Gesicht scheinen.

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Auch hier waren die Mauren offenbar die ersten, die eine Festung an dieser Stelle errichteten. Schon im 12. Jahrhundert eroberten christliche Könige die Gegend, aber erst im 13. Jahrhundert unterwirft Jaume I. der Eroberer Ares endgültig und übergibt die Burg den Tempelrittern. Als Gegenleistung für die Hilfe in der Schlacht beschenkten die Könige damals häufig die Ordensritter mit Ländereien und eroberten Festungen. Die bauten dort Burgen und Kirchen aus, Siedler ließen sich nieder.

Das alles diente natürlich dazu, die neu eroberten Gebiete auch dauerhaft zu halten. Denn sobald ein König mit seinem Eroberungsheer weiterzog, könnte ja der gerade erst besiegte Feind auf die Idee kommen, den Ort erneut für sich in Anspruch zu nehmen. Also hinterließen die klugen Herrscher gern Tempelritter oder andere Landherren als Wächter der eroberten Stätten und Regionen zurück.

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Leider ist von der Burg selbst nicht viel erhalten geblieben. Die Zerstörung ist jedoch nur zum Teil dem Lauf der Zeit zuzuschreiben. Ein Teil der Zerstörung geht nämlich auf das Konto deutscher Flugzeugstaffeln, die hier 1938 im Spanischen Bürgerkrieg ihre Waffen testeten. Bei den Bombenangriffen starben 38 Menschen.

Ares del Maestrazgo Mauer

Maestrazgo in Aragón

Vom Maestrazgo in Valencia fahren wir weiter in die Nachbarregion Aragón. Hohe Berge trennen die kleinen Dörfer in der dünn besiedelten Region. Immerhin bewegen wir uns hier in einer Höhe von 1300 bis 1500 Metern. Gefühlt leben hier nicht mehr als drei Menschen pro Quadratkilometer, vielleicht auch vier. Es ist wirklich einsam und still. Das nebelig feuchte Wetter passt zur Landschaft. Oft fahren wir durch eine heideartige Landschaft mit buschigen kleinen Sträuchern, die mich an die schottischen Highlands erinnert. Alte Trockensteinmauern ziehen sich überall durch die Felder und Äcker. Dazwischen treffen wir immer wieder auf Schäfer, die mit ihren Schaf- und Ziegenherden durch das Land ziehen. Seltener hören wir vereinzelte Kuhglocken in der Ferne. Jetzt im Oktober ist gerade Pilzzeit. Das Klima scheint ideal dafür zu sein, denn überall entdecken wir Leute, die mit ihren Körbchen durch das Dickicht der kleinen Wälder huschen und klettern.

schafe maestrazgo

Ganz plötzlich ändert sich dann die Landschaft wieder. Unerwartet strecken sich schroffe Felsen aus dem Boden und erheben sich majestätisch, manchmal schon fast bedrohlich wirkend, gen Himmel. Am Grunde der Schluchten plätschert Wasser in einem mit Kieselsteinen ausgelegten Flussbett.

route of silence maestrazgo ruta del silencio

Doch unser Problem aus Valencia verfolgt uns auch in Aragón: In der Nebensaison ist nicht viel los. Auch hier ist wieder vieles geschlossen. Wir wollten keine Menschenmassen und sind absichtlich unter der Woche unterwegs. Doch mit den vielen regionalen Feiertagen und spärlichen Öffnungszeiten hatten wir nicht gerechnet. Feiertage stehen im Herbst offenbar auf der Tagesordnung. Darauf sollte man sich besser einstellen. Warum hier wann, was geöffnet oder geschlossen ist, konnten wir in einer Woche nicht entschlüsseln, aber wir haben es mit Humor genommen und uns vorsichtshalber mit Proviant eingedeckt. Unsere kleinen Picknicke in der tollen Landschaft waren sogar schöner als viele Restaurants.

La Iglesuela del Cid

Iglesuela gehört zu einer der Wanderrouten des “Camino del Cid”. Der spanische Nationalheld hat auf den Eroberungszügen, an denen er für verschiedene Könige beteiligt war, seinen Namen in diversen Dörfern hinterlassen. Von der Burg des Templerordens, zu dem der Ort einst gehörte, ist bis auf einen einzigen Turm nichts erhalten geblieben. Im Zentrum nahe der Kirche gibt es einen hübschen Platz mit dem durch Bögen verzierten Rathaus und einer einzeln stehenden, sehr alten, vermutlich romanisch oder gotischen Säule, die an die prachtvolle Vergangenheit Iglesuelas erinnern.

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Cantavieja

Auch Cantavieja liegt wieder an einem Berghang. Im Gegensatz zu den anderen Orten treffen wir hier zum ersten Mal auf andere Menschen, die wie wir unterwegs sind, um die Gegend zu erkunden. Sogar die Touristeninformation und ein paar Bars haben geöffnet. Am Ende der hübschen Hauptstraße durch die Altstadt, die an einem großen, bedeutsam wirkenden Platz mit prachtvollen Palästen vorbeiführt, gelangt man zu den spärlichen Resten der Templerburg. Nicht viel mehr als ein Türmchen ist von der Befestigungsanlage der Ordensritter erhalten geblieben.

cantavieja maestrazgo templerburg
cantavieja maestrazgo

Den besten Blick darauf hat man übrigens entweder von oben per Drohne oder von unten, wenn man an Cantavieja in Richtung vorbeifährt. Dann kann man auch erkenne, wie sich die Häuser am Hang an den Felsen schmiegen. Da wir relativ früh am Tag von hier aus die Ruta del Silencio erkunden wollen, liegt Cantavieja noch im morgendlichen Nebel verborgen. Erst gegen Mittag, mit steigender Temperatur, hebt sich der tiefliegende Wolkenschleier und gibt einen sauberen Blick auf den kleinen Ort frei.

Ruta del Silencio – die Route der Stille

Durch die Berge des Maestrazgos führt eine gute ausgebaute, aber sehr einsame Straße. Weil diese Straße so wenig befahren wird, aber tolle Aussichten bietet, hat man sie “la ruta del silencio” getauft. Besonders für Motorradfahrer ist diese Route ein Träumchen, denn es geht in engen Kurven durch die Landschaft. In den einsamen Bergen sollen sich hier nicht nur im Spanischen Bürgerkrieg die Widerstandskämpfer verborgen haben. So menschenleer und unwirtlich wie diese Gegend wirkt, haben die Menschen hier sicher auch in früheren Jahrhunderten Unterschlupf gefunden.

route of silence maestrazgo ruta del silencio

Von Cantavieja aus machen wir uns auf den Weg nach Montoro de Mezquita, einem winzigen Dorf, gleich hinter einer ziemlich spektakulären Felsformation, die sich die “Orgeln von Montoro” nennt. Langsam verzieht sich der morgendliche Nebel und die Sonne bricht durch die Wolken. Dann erscheint hinter einer Kurve plötzlich Villarluengo vor uns. Stolz strahlt das Dorf im Sonnenschein und trotzt der Einsamkeit der Berge.

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route of silence maestrazgo ruta del silencio Organos de Montoro

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Viele Ahs und Ohs begleiten uns auf dieser “Route der Stille”, denn still sein kann ich hier nicht. Natürlich muss ich den Schatz ständig fragen, wie die merkwürdigen Felsformationen zustande kommen. Da sich er sich mit solchen geologischen Besonderheiten gut auskennt, erklärt er mir wie genau sich die Erde gehoben und gesenkt hat. Atemberaubende Kräfte waren hier am Werk und haben eindrucksvolle Spuren hinterlassen. Immer wieder stoßen die Felsen wie aus dem Nichts in den Himmel, während sich nach unten hin mächtige, fast unsichtbare Abgründe auftun, die man manchmal nur erahnen kann.

Schließlich erreichen wir das winzige Örtchen Montoro de Mezquita. Michi hat ein Gänsegeierpärchen entdeckt, das weit oben in den Lüften schwebt. Während er auf einer Wiese liegend die Greifvögel am Himmel beobachtet, mache ich an den Abstieg hinunter zum Fluss. Schon oben am Weg höre ich das Wasser plätschern. Leider ist es ziemlich matschig und von dem vielen Schlamm recht glitschig. Doch unten angekommen entdecke ich nicht nur einen hübschen Wasserfall, sondern auch die “Pasarelas de Valloré”. Am Rande des Rio Guadalope ist nämlich ein Steg angebracht, sodass man trockenen Fußes am Bächlein entlang bis zum Mirador de Valloré, einem Aussichtspunkt, wandern kann.

montoro-de-mezquita Wasserfall

montoro-de-mezquita Wasserfall

pasarelas montoro-de-mezquita Wasserfall

Bis zum Mirador schaffe ich es heute leider nicht, denn dazu ist der Weg von dem Regen gestern zu aufgeweicht und außerdem wartet Michi ja oben bei den Geiern auf mich. Als ich schnaufend bei ihm ankomme, sehen meine Wanderschuhe aus, als hätte ich ein Schlammbad genommen. Aber kein Problem, ich habe Wechselklamotten im Auto. Im Dorf gibt es eine winzige kleine Bar namens “El Horno”, die den Eindruck eines Treffpunkts älterer Herrschaften im Dorf macht. Doch wir sind hier herzlich willkommen. Drei sehr liebenswerte Opis begrüßen uns freundlich und bewirten uns mit kühlen Getränken.

Im Fernsehen läuft ausnahmsweise kein Fußball, sondern eine Live-Übertragung der Feierlichkeiten zum “Día del Pilar” aus Zaragoza. In Aragón ist er 12. Oktober nämlich das wichtigste Ereignis des ganzen Jahres. Die gesamte Einwohnerschaft der Region lässt an diesem Tag die Arbeit ruhen und pilgert nach Zaragoza, um dort Blumen zu Füßen der Madonna nieder. Diese “Ofrenda de Flores” ist für die Gläubigen ein hochemotionales Ereignis, das mehrstündiges Schlangestehen und eine Prozession umfasst.

In dieser eher menschenleeren Gegend hatten wir bisher eher das Gefühl, die Menschen hier seien Fremden gegenüber erst einmal abwartend und sogar ein wenig misstrauisch allem gegenüber, was sie nicht kennen. Doch diese drei herzensguten älteren Herren in Montoro de Mezquita sind so nett und gastfreundlich, und lachen sogar mit uns, dass wir uns gern eines besseren belehren lassen. Der Tag, der so neblig begonnen hat, ist hier oben in den Bergen doch noch wunderschön geworden.

ruta del silencia maestrazgo VillarluengoVillarluengo del Maestrazgo erscheint am Wegesrand auf der Ruta del Silencio

Infos zum Maestrazgo

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Die Definition des Maestrazgos hat sich im Laufe der Zeit geändert. Eine Weile zählte man auch Mosquerela und Beceite noch zum Maestrazgo. Heute werden diese in anderen Gebirgstälern liegenden Ortschaften jedoch nur ihren jeweiligen Comarcas zugeordnet.

Zorita del Maestrazgo und Mirabel haben wir uns auch angesehen, aber Zorita del Maestrazgo lohnt sich nicht so wirklich. Das Dorf lag still und verlassen. Vermutlich muss man dort zu einer der Ermitas wandern, doch bei dem Wetter waren die Wege zu matschig und Spazierengehen nicht so angesagt. Mirabel hat zwar ein hübsches Portal, doch wir fanden den Ort ansonsten ziemlich ausgestorben.

Geopark: www.geoparquemaestrazgo.com
Morella: www.morella.net
Camino del Cid www.caminodelcid.org