Das antike Griechenland erstreckte sich einst bis in den Süden Italiens. Ungefähr ab dem achten Jahrhundert vor Christus gründeten die Griechen im östlichen Mittelmeerraum viele neue unabhängige Städte. Magna Graecia, Großgriechenland, reichte bis nach Sizilien. Besonders in Apulien und Kampanien zeugen noch heute viele griechische Tempel von der jahrhunderte andauernden Präsens der Hellenen. Eine dieser Städte war Poseidonia, das heutige Paestum.

griechische tempel in paestum poseidonia

Poseidonia

Doch wie überall kam es auch hier immer wieder zu Auseinandersetzungen. Die Herrscher der griechischen Stadtstaaten bekriegten sich gegenseitig und die Menschen mussten fliehen. Als die Stadt Sybaris eine Schlacht verloren hatte und von ihren siegreichen Gegner in Brand gesetzt wurde, flohen die Einwohner. Sie liessen sich an einer anderern Stelle der italienischen Küste nieder und gründeten eine neue Heimat. Ihre neue Kolonie nannten sie Poseidonia, nach dem Meeresgott Poseidon. Diese im sechsten Jahrhundert vor Christus entstandene Stadt befand sich in der Nähe des heutigen Paestum. Lange war die genau Lage der neuen Siedlung allerdings unbekannt. Zu oft waren die Überreste der griechischen Siedlung von den einheimischen Lukanern und später von den Römern erobert und überbaut worden. Einzig die Tempelanlagen der Griechen hielten über Jahrtausende.

poseidontempel paestum poseidonia

Als die Römer im dritten Jahrhundert vor Christus die Lukaner besiegten und die gesamte Gegend eroberten, übernahmen sie einfach die Stadt Poseidonia und benannten sie um in Paestum. Doch unter römischer Herrschaft verlor die einst prächtige Siedlung schnell an Bedeutung. Trotz diverser Umbauten und Veränderungen, begannen die Menschen abzuwandern. Durch die Lage in der sumpfigen Landschaft breitete sich Malaria aus. Wegen der Nähe zum Meer waren die Einwohner immer öfter den brutalen Piratenüberfällen der plündernden Sarazenen ausgesetzt.

Poseidona – Paestum versank im Schlamm. Es dauerte lange, bis man im 18. Jahrhundert die einsam und verlassenen in einem Sumpfgebiet aus dem Boden ragenden Tempel „wiederfand“. Natürlich waren sie nie „verloren“ gewesen, sie waren ja die ganze Zeit an derselben Stelle. Nur ein junger Italiener namens Vittorio Spinazzola begann hier geduldig zu graben. So kamen bald mehrere Ebenen mit spannenden Gebäuden, wie dem Amphitheater, dem Forum, den Thermen oder dem Heroon zu Vorschein.

cerestempel paestum poseidoniaCerestempel- Paestum

Als wir die Tempel von Paestum erreichen, ist schnell klar, dass wir viel zu wenig Zeit haben, um uns hier alles ansehen zu können. Das Gelände scheint wirklich riesengroß und sehr weitläufig zu sein. Also beschließen wir wenigstens die großen Tempel, die man schon vor der Straße aus sehen kann, aus der Nähe zu betrachten. Das Museum heben wir uns für ein anderes Mal auf.

Der Cerestempel ist der erste Bau, den wir ansteuern. Unglaublich gut erhalten ragen die dorischen Säulen hier immer noch in den Himmel. Doch so mächtig der Tempel erschient, ist er doch der kleinste und vermutlich der älteste der drei großen Bauwerke auf dem Gelände des archäologischen Parks. In den vergangenen Jahrhunderten soll es Mauern zwischen den Säulen gegeben haben, und der Tempel als Kirche und Stall benutzt worden sein. Aufgrund kleiner Statuen und anderer Gegenstände, die man hier fand, geht man heute davon aus, dass der Tempel nicht Ceres sondern Athene gewidmet war.

cerestempel paestum poseidonia tempel der Athene

Die Grand Tour

Bald schon nachdem diese Tempel im achtzehnten Jahrhundert wiederentdeckt worden waren, entwickelten sie sich zu einem beliebten Pilgerziel europäischer Adeliger und reicher Intellektueller. Auch Goethe stattete Paestum auf seiner Italien Reise einen Besuch ab. Später hielt er in seinen tagebuchartigen Reiseaufzeichnungen diese Erinnerungen fest (Italienische Reise, 23. März 1787):

Endlich, ungewiss, ob wir durch Felsen oder Trümmer führen, konnten wir einige große länglich-viereckige Massen, die wir in der Ferne schon bemerkt hatten, als überbliebene Tempel und Denkmale einer ehemals so prächtigen Stadt unterscheiden.

„Y. Gianni“ (19th/early 20th century) [Public domain]

Da Paestum sich im neunzehnten Jahrhundert so großer Beliebtheit erfreute, fingen die ersten Restaurierungsarbeiten der Baudenkmäler an. Während man noch mehr oder weniger erfolgreich versuchte, die Funde der Ausgrabungsstätte zu restaurieren und zu schützen, ließ der italienische Staat eine neue Nationalstraße quer durch die Anlage bauen. Die Tirrena inferiore führt als SS 18 mitten durch das ehemalige Poseidonia und teilt die uralte griechische Siedlung in zwei Teile.

basilika tempel der hera paestum poseidonia Basilika -Paestum

Das Pferd aus Sand

An einem antiken Schwimmbad und dem Friedenstempel vorbei, spazieren wir über das Forum. Dabei kommen wir an ein paar jugendlich wirkenden Archäologen und Archäologinnen vorbei, die hier gerade bei der Arbeit sind. Zu meinem großen Erstaunen sprechen sie auch noch Deutsch! Zu gern würde ich sie jetzt tausend Fragen fragen. Doch die Zeit drängt. Wir müssen weiter gehen. Ich verspreche mir selbst, bei meinem nächsten Besuch hier in der Gegend, unbedingt einen ganzen Tag nur für diese Anlage einzuplanen. Hier gibt es so viel zu entdecken!

ausgrabung und museum paestum poseidonia

Schließlich gelangen wir zum Poseidontempel und der Basilika, wie der Tempel der Hera auch genannt wird. Dazwischen steht ein vier Meter hohes Pferd. Auf seinem hohen Podest ist es unübersehbar und hat fast schon etwas Lebendiges, wie es da majestätisch zwischen den alten Säulen der Tempel thront.

hera tempel basilika paestum poseidonia

poseidontempel neptun tempel paestum poseidoniaNeptun oder Poseidontempel Paestum

Erst nach meinem Besuch finde ich heraus, dass dieses Pferd ein ganz besonderes Kunstwerk ist. Erst seit Juli steht es wieder hier in der Anlage. Das Pferd aus Sand ist das Werk Mimmo Paladinos, der eigentlich Domenico Paladino heißt. Ein Künstler der italienischen Transavanguardia, einer Kunstbewegung der achtziger Jahre.

Immer wieder geht es in den Kreationen Paladinos um mythologische Themen, um Pferde, um Reiter und um Rüstungen. Angeblich soll das Pferd sogar aus Sand vom Strand in Paestum gebaut worden sein. Über dem Kopf trägt es eine eiserne Maske. Die, so der Künstler, soll an die Gräber der luganischen Epoche erinnern.

Warum ausgerechnet ein Pferd, frage ich mich. Die Antwort finde ich in einem Zeitungsinterview. Dort erinnert Paladino daran, dass Paestum unter den Griechen Poseidon, dem Gott des Meeres gewidmet war. Und der war eben nicht nur der Gott des Meeres, sondern auch ein Beschützer und Verehrer der Pferde.

mimmo paladino pferd aus sand cavallo paestum poseidoniaIl Cavallo di Sabbia – di Mimmo Paladino

mimmo paladino pferd aus sand cavallo paestum poseidonia

Nützliche Infos zu Paestum

poseidontempel paestum poseidonia

Wie schon geahnt, hatte ich viel zu wenig Zeit, um mir alles genauer anzusehen. Das Museum musste ich dieses Mal auslassen. Aber ich komme sicher irgendwann wieder! Mein Tipp: Bring genügend Zeit mit!

Paestum Archeological Park
Via Magna Grecia, 919
84047 Capaccio Paestum (SA)
Website: www.museopaestum.beniculturali.it

Auf dem Youtube Kanal „Parco Archeologico di Paestum“ hält der Direktor des Museums, Gabriel Zuchtriegel, die Fans der Antike über die Ausgrabungen auf dem Laufenden.

Den erwähnten Zeitungsartikel über Paladino findest Du hier: www.corriere.it

Öffnungszeiten Paestum 
Das Museum in Paestum ist das ganze Jahr über geöffnet. Öffnungszeiten sind von morgens um 8.30 Uhr bis abends 19.30 Uhr.

Eintrittspreise Tickets Paestum
Im Winter ist es billiger, im Sommer teurer, die Anlage zu besichtigen. In den Wintermonaten von Dezember bis Februar kostet der reguläre Eintritt für Erwachsene nur 6 Euro. Jetzt im September zahle ich 12 Euro. Dafür kann ich die komplette Anlage mit den Ausgrabungen und das Museum besuchen.

Montags ist das Museum geschlossen. An diesem Ruhetag kann man (zu einem günstigeren Eintrittspreis), dann nur die Ausgrabungen besuchen.

2019 gilt noch bis Dezember eine besondere Aktion #iovadoalmuseo (ich gehe ins Museum): Donnerstags ist ab 18 Uhr der Eintritt frei!

Paestum Anreise
Die Anreise erfolgt von Neapel aus am einfachsten mit dem Zug. Die Fahrt dauert zwischen einer und eineinhalb Stunden. Vom Bahnhof in Paestum aus sind es noch rund 15 Minuten Fußweg bis zu den Ausgrabungsstellen. Die Frequenz der Züge auf der Strecke Paestum Napoli ist allerdings nicht besonders gut. Eine andere Option ist es daher den Zug bis Salerno zu nehmen und von da mit einem der Busse zu den Tempeln zu fahren. Die Busse halten direkt vor dem Bahnhof von Paestum.

Wenn Du mit dem Auto anreist, kommst Du auf der besagten Nationalstraße, der SS 18 nach Paestum.

Übernachtet haben wir in einer Ferienwohnung der Nähe von Castellabate. Infos dazu findest Du hier: www.azzurro-reisen.de 

Hinweis: Während unseres Aufenthalts im Cilento waren wir in der Ferienwohnung von Petra und Marko eingeladen. Natürlich ist die hier dargestellte Meinung wie immer meine eigene.