Vor ein paar Jahren war ich schon einmal hier, im Palau Güell. Damals war ich eher enttäuscht, weil ich einfach nicht alles gesehen habe. Irgendwie habe ich den Weg in die oberen Etagen nicht gefunden. Damit mir das nicht noch einmal passiert, habe ich mich heute mit Romina verabredet. Sie kennt sich bestens aus, denn sie ist nicht nur offizieller Barcelona-Guide, sondern hat jahrelang im Palau Güell gearbeitet. So oft schon hat sie von dem Gebäude geschwärmt, an dem viele Besucher Barcelonas achtlos vorbeigehen. Wer könnte mich also besser durch dieses Gebäude führen als sie?
Eingangspforten mit dem Phönix – Modell des Palau Güell
Wir treffen uns vor dem eher unauffälligen Palast in einer Seitenstraße der Ramblas. Lange Warteschlagen am Eingang, wie vor der Pedrera oder der Casa Batlló, gibt es hier nicht. Wer die sonst so überschwänglichen Form- und Farbspiele Antoni Gaudís sucht, wird vermutlich am Palau Güell vorbeilaufen. Das Haus ist eines der ersten Werke des berühmten Architekten. Es stammt aus der Anfangszeit der ein Leben lang andauernden Freundschaft zwischen dem reichen Industriellen Eusebi Güell und dem Sohn eines Kesselschmieds aus Reus.
Güell war gerade erst bei der Weltausstellung in Paris auf den jungen Architekten aufmerksam geworden. Die beiden verstanden sich auf Anhieb und Güell erteilte Gaudí den Auftrag, hier in der Altstadt einen prächtigen Palast zu errichten. Warum hier und nicht in der gerade aufblühenden, neuen Eixample? Zur Jahrhundertwende wollte jeder, der es sich leisten konnte, in dem neuen, hellen Viertel, das gerade zwischen Barcelona und Gràcia entstand, bauen. Doch bis die alten Stadtmauern fielen, waren die Ramblas die Flaniermeile der Reichen. Hier standen die großen Theater, Casinos und Opernhäuser. Der Palau Güell sollte einfach in der Nähe des kulturellen Zentrums liegen.
Romina führt mich als Erstes ins Untergeschoss. Eine schmale Rampe schraubt sich wie ein Schneckenhaus nach unten in den Keller. Eigentlich viel zu schön, eher wie ein nobler Weinkeller sieht die Etage aus, die zum Unterstellen der Pferde gedacht war. Während die Kutschen im Eingangsbereich geparkt wurden, brachte ein Knecht die Pferde in dieses gut durchlüftete Untergeschoss.
Auch wenn im Palau Güell viele der später für Gaudí so typischen Eigenschaften noch nicht zu erkennen sind, ist der Entwurf doch eindeutig modernistisch. Der Einsatz von regionalen Baumaterialien, der Mix aus Holz, Keramik und Eisen, ist dem Architekten genauso wichtig wie dem Bauherrn. Beide verbindet ein ausgeprägtes Bewusstsein für die gerade wiederauflebende katalanische Identität und ein starker Glaube. Diese Religiosität und das katalanische Nationalbewusstsein kommen im Palau Güell in vielen Symbolen zum Ausdruck. Schon der Phönix an der Eingangspforte ist ein Symbol des untergegangen und wieder auferstandenen Kataloniens.
Dann stehen wir vor einer imposanten Treppe. Die Herrschaften, die diese Stufen hinaufstiegen, wurden von den leuchtenden Farben der katalanischen Flagge am Kopf der Treppe empfangen. Eine sehr massive Eingangstür mit filigran gearbeiteten Verzierungen führt zum Vestibulo, dem eleganten Flur des Hauses. Von dort aus gelangen wir über eine weitere Treppe in die Planta noble, die erste Etage, wo die Besucher empfangen wurden. Vor den Fenstern stehen ganz besondere Säulen. Statt normaler, dicker Säulen hat Gaudí hier jeweils drei schmale, anmutig wirkende Säulen zusammengefaßt, die so aneinandergereiht eine kleine Galerie bilden.
Durch diese über die Straße ragende Galerie gewinnt Gaudí nicht nur mehr Platz, sondern auch mehr Licht. In den dunklen engen Gassen der damals völlig überfüllten Altstadt spielten Licht und frische Luft eine wichtige Rolle! Überall weist Romina mich auf Details und Symbole hin, die es zu bestaunen gilt. Hier hat alles etwas zu bedeuten. Gaudí hat nichts dem Zufall überlassen. Selbst die kleinste Ecke wird noch verziert und geschmückt. Besonders die Decken dieser Empfangsräume sind unglaublich aufwendig gearbeitet. Sie müssen Güell ein Vermögen gekostet haben. Doch an Geld sollte es hier nicht mangeln.
Im hinteren Teil der Planta Noble liegen der Rauchersalon und das elegante Esszimmer der Familie. Über eine kleine Außenterrasse gelangen wir in ein Billardzimmer, das Güells kunstinteressierter Tochter eine Zeit lang als Atelier gedient haben soll. Wesentlich spannender ist aber die Terrasse selbst. Regelrecht monströs wirkt die Gitterkonstruktion vor den Fenstern, die innen für Schatten sorgt.
Gaudís Baustil ist im Palau Güell noch sehr von mittelalterlichen Anklängen geprägt. Aber auch das ist ziemlich typisch für den damals gerade erst aufkommenden Modernisme. Es ist wie eine Rückbesinnung auf die die glorreiche Hochzeit der katalanischen Kultur.
Plötzlich beginnt im zentralen Salon eine Orgel zu spielen. Wir eilen in den Konzertsaal, setzen uns auf die Bank und lauschen. Eine richtige Kirchenorgel in einem Privathaus – das ist schon echt beeindruckend! Dieser Raum in der Mitte des Gebäudes diente gleichzeitig auch als Kapelle für private Gottesdienste. Hinter einer goldenen Schranktür findet sich nämlich ein Altar, auf dem früher auch noch eine Madonna gestanden habe. Anhand alter Fotos zeigt mir Romina, wie der Saal früher ausgesehen hat. Von den Privatgemächern im oberen Stockwerk hatten Herr Güell und seine Frau noch Zutritt zu einer Art Galerie, von der aus sie das Geschehen hier unten im zentralen Salon verfolgen konnten. Sei es, um ungesehen die Gäste zu beobachten oder um im Schlafanzug an einer Messe teilzunehmen.
Die Krönung des zentralen Salons ist aber der Blick nach oben: Die Decke ist wesentlich höher als die angrenzenden Räume und erstreckt sich hinauf bis zum Dach. In der Mitte der kuppelartigen Decke fällt Licht durch ein Oculus. Wie an einem Sternenhimmel scheinen dort viele kleine Lichter am Firmament. Schön!
Natürlich wurde hier im Konzertsaal auch live Musik gespielt. Die Musiker nahmen dann auf einer kleinen Anhöhe gegenüber dem Altar Platz. Als ich mit Romina zusammen die knarrende Holztreppe zur Tribüne erklimme, entdecke ich dort in de Ecke eine Tür. Hier geht es also in die privaten, oberen Gemächer! Diesen Aufgang habe ich bei meinem ersten Besuch im Palau Güell einfach nicht entdeckt! Wie gut, dass Romina sich hier auskennt!
Wir landen in einem schicken Salon mit einem wunderschön gearbeiteten Kamin, der allerdings so gar nicht Gaudís Stil entspricht. Der Kamin stammt aus einem anderen Palast und wurde sozusagen recycelt. Und das ist nicht das einzige Stück, dass die Familie Güell wiederverwertet hat. Auch Teile der Holzpaneele an den Wänden stammen ursprünglich aus anderen Palästen.
Den winzigen Balkon in der Ecke des Salons hat Gaudí geschickt mit einem Spiegel optisch vergrößert, sodass mehr Licht in das Zimmer fällt. Direkt dahinter befinden sich die Schlafräume von Señora Lopez und Herrn Güell, durch eine diskrete Tür miteinander verbunden.
Romina zeigt mir viele kleine Details, wie die Katze und die Mäuse 🙂
Schließlich führt mich Romina über eine schmale Treppe aufs Dach. Nur die Bediensteten des Palau Güell kamen, wenn überhaupt hier hoch. Für die Herrschaften bestand zur Jahrhundertwende keinerlei Anlass, sich auf das Dach eines Hauses zu begeben. Diese wunderschöne Aussicht auf den Montjuïc, die Kathedrale und die Dächer der Altstadt hat Herr Güell wohl also verpasst. Obwohl im Grunde genommen niemand diese Dekorationen sehen würde, hat Antoni Gaudí hier oben bereits damit begonnen, die Schornsteine mit Kacheln zu verzieren. Wie ein Wald aus bunten, überdimensionalen Pilzen ragen sie hier in den Frühlingshimmel empor! Diese Schornsteine sind einfach zu schön, auch wenn viele von ihnen gar nicht Original von Gaudí sind, sondern zu den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona nachgebaut wurden. Aber egal! Wir genießen den Blick und fotografieren um die Wette!
Durch diesen hohen mittleren Turm wird der Saló Central mit Licht versorgt
Hintergrund zum Bau des Palau Güell:
Eusebio Güell war einer der wichtigsten Sponsoren Antoni Gaudís. Der erste Auftrag, den Gaudí für den Industriellen umsetzte, war die Finca Güell mit den Pavillons für die Arbeiter.
Gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts, als Gaudí dann den Auftrag zum Umbau des Palau Güell erhielt, befanden sich die Häuser und Paläste der Reichen noch in der Nähe der Ramblas. Die Eixample, die rasterartig angelegte Erweiterung der Altstadt, war damals noch in Planung. Erst 1854 hatte Barcelona die Erlaubnis erhalten, die uralte, verhasste Stadtmauer abzureißen, die schon viel zu lange die Bevölkerung in engsten Verhältnissen zusammengepfercht hatte. Die schlimmen Lebensbedingungen damals leisteten Epidemien und Krankheiten Vorschub. Das Durchschnittsalter, das ein reicher Katalane im sechzehnten Jahrhundert erreichte, lag bei 36 Jahren. Für die Armen war es noch schlimmer. Da lag die durchschnittliche Lebenserwartung sogar nur bei 23 Jahren.
Ildefons Cerdàs revolutionärer Entwurf der Stadterweiterung beruhte daher vor allem auf gesundheitlichen und sozialen Aspekten. Er wollte viel Licht, Luft und soziale Gerechtigkeit im neuen Barcelona schaffen. Das war den Adeligen und den reichen Katalanen gar nicht recht. Sie bevorzugten einen anderen Plan, der die sozialen Unterschiede berücksichtigte, und die Viertel der Besserverdienenden und der Armen voneinander trennte. Zum Glück setzte sich in diesem Fall die Regierung in Madrid durch und befahl die Umsetzung des Cerdà-Plans. Die ursprüngliche Idee erlebte zwar noch viele Änderungen und Abweichungen, aber im Großen und Ganzen prägt dieser Entwurf der Eixamples bis heute das Gesicht Barcelonas.
Vor diesem Hintergrund entwarf Gaudí also die Pläne für das Wohnhaus der Familie Güell, wie gesagt noch im alten Teil von Barcelona, das von 1886-1890, rechtzeitig zur Weltausstellung, umgebaut wurde.
Eintritt Palau Güell:
Adresse:
Carrer Nou de la Rambla 3-5
Barcelona
Metro: Liceu oder Plaça Catalunya
Website: www.palauguell.cat
Eintritt:
- normaler Eintrittspreis für Erwachsene: 12 Euro
- Infos über Preisnachlässe und Ermäßigungen gibt es auf der Website.
- Ein Audioguide ist im Eintrittspreis inbegriffen. Bei meinem ersten Besuch hatte ich einen Audioguide – und habe mich verlaufen. Allerdings bin ich grundsätzlich kein Fan von diesen Ohrflüsterern. Denen kann man ja keine Fragen stellen …
Mein persönlicher Tipp: Schreib meiner Freundin Romina einfach eine Mail und frag, ob sie Zeit für Dich hat! Mailto: rominaprincep@gmail.com
Öffnungszeiten:
- Im Sommer (1. April bis 31. Oktober) von 10 bis 20 Uhr
- Im Winter (1. November bis 31. März) von 10 bis 17.30 Uhr
- Der Schalter zum Ticketverkauf schließt jeweils eine Stunde vorher
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