Auf unserem Sightseeing Programm steht heute der Tibidabo. Jetzt wohnen wir schon so viele Jahre hier und noch nie war ich auf diesem Berg. Das soll sich nun ändern. Vor ein paar Monaten wollte ich schon einmal die Tramvia Blau ausprobieren, einfach nur weil sie so schön alt. Aber da musste ich feststellen, dass sie ausschließlich in den Sommermonaten fährt, wenn Barcelona voller Touristen ist. Für die Einheimischen ist diese alte Bahn wohl nicht besonders nützlich, aber jetzt im August fährt sie die Besucher hinauf, auf den über 500 Meter hohen Gipfel der Bergkette Collserola. Lina und ich machen uns an den Aufstieg.
Tramvia Blau
An der Metrostation Avinguda Tibidabo steigen wir aus und entdecken auch gleich die Warteschlange für die Tramvia. Da trinken wir doch erst noch in Ruhe einen Kaffee. Meine Lieblingsfastfood Kette, genau genommen der einzige Fastfood Laden, den ich überhaupt betrete, ist Buenas Migas, auf Deutsch: gute Krümel. Die haben hier oben praktischerweise eine Filiale, in der wir uns etwas zu trinken holen und die genaue Route überlegen, die wir auf dem Tibidabo machen wollen. Und dann geht es los: Stolze fünf Euro fünfzig pro Kopf verlangt der Schaffner, von uns, bevor wir uns in die Schlange der Wartenden einreihen dürfen. Und das ist nur für die Hinfahrt. Runter geht es ja bekanntlich immer irgendwie, zur Not zu Fuß. So weit ist das ja nicht.
Die Tramvia Blau fährt nun schon seit über hundert Jahren auf den Tibidabo. 1901 wurde sie gleichzeitig mit dem Funicular del Tibidabo eingeweiht. Auch als in den siebziger Jahren die Straßenbahn in ganz Barcelona für einige Jahrzehnte abgeschafft wurde, blieb diese Tramvia als Einzige erhalten.
Nach nur wenigen Minuten kommt sie auch schon angerattert, die blaue Tramvia. Blau ist Katalanisch und heißt blau, genau wie auf Deutsch, jedenfalls in der männlichen Form. Warum diese Bahn jedoch ausgerechnet blau ist, und ob das ein Zufall ist oder eine Bedeutung hat, habe ich nicht herausgefunden.
Der Schaffner steigt aus und dreht mit einem Seil per Hand die Verbindung zu den Drähten oben auf dem Waggon in die andere Richtung. Wie niedlich. Auch drinnen ist die Bahn sehr antik. Holzbänke und lustig archaisch wirkende Lämpchen unter der hölzernen Decke. Die Bahn erinnert mich ein wenig an die Tram 28 in Lissabon. Der Unterschied ist nur, dass die Portugiesen diese Bahn bis heute als öffentliches Transportmittel wirklich benutzen.
Ein uralt wirkendes Schild weist die Besucher darauf hin, dass im Waggon nicht gespuckt werden darf: Se prohibe escupir. Gut, das hätten wir dann geklärt. Die Bahn rattert und schnauft sich den steilen Berg hinauf. Schnell ist sie nicht, aber zu Fuß gehen möchte ich auch nicht, da würde ich sicher genauso schnaufen. Rechts und links von uns reihen sich in der Avinguda del Tibidabo viele schöne, modernistische Gebäude aneinander. Eine arme Gegend war und ist das hier sicher nicht. Dann sind wir auch schon oben angekommen.
Die Tschechen, Amerikaner und Deutschen, die mit uns in der Tramvia Blau gesessen haben, strömen alle direkt ins Mirablau, das Restaurant, das in jedem Reiseführer für seine tolle Aussicht auf Barcelona erwähnt wird. Direkt daneben soll eigentlich das Mirabé liegen, aber das hat heute wohl zu.
Lina und ich gehen in die andere Richtung, zum Funicular, der Standseilbahn, die uns ganz nach oben auf den Gipfel des Tibidabo bringen soll. Dort, wo der kleine Vergnügungspark und die Kirche Sagrat Cor stehen. Mit uns sind hauptsächlich Eltern mit Kindern unterwegs.
Auf dem Tibidabo
Dieses Mal geht es richtig steil bergauf. Jetzt kriegt man auch langsam einen Eindruck davon, wie hoch oben wir eigentlich sind. Um uns herum ist grüner Wald, weit, weit unter uns kann ich Barcelona erkennen. Allerdings ist es trotz der Hitze so diesig, dass ich das Meer gar nicht sehe.
Oben angekommen steigen wir aus und stehen direkt im Vergnügungspark. So kommt es mir jedenfalls vor. Genau genommen, braucht man ein extra Ticket, um zu den Attraktionen des Parks heranzukommen, aber die Aussicht und eine große Terrasse hier oben sind frei zugänglich.
Das ziemlich altmodisch klingende Wort Vergnügungspark passt hier total. Die Attraktionen sind niedlich und charmant. Es gibt keine wilden Loopingbahnen oder Hightech-Karusselle. Wer Fahrgeschäfte wie im Hansapark erwartet, liegt hier völlig falsch. Stattdessen dreht ein niedliches, altes Kinderkarussell mit Pferdchen seine Runden. An einem kleinen Riesenrad schaukeln bunte Gondeln und unter uns kann ich eine Schwebebahn erkennen, mit der mutige Eltern mit ihren Kindern direkt über dem Abgrund schweben können. Sehr charmant ist ein uraltes Flugzeug, das in stoischer Ruhe an einer langen Stange immer im Kreis über den Miniatur-Aeropuerto fliegt. Alles total unspektakulär, aber sehr, sehr niedlich. Ich fühle mich wie in einer Spielzeugschachtel aus den fünfziger Jahren.
Am Rande der Aussichtsplattform versuchen Lina und ich Barcelona zu erkennen. “Das da ist der Park Güell” sagt sie und zeigt auf einen kleinen Hügel links von uns. Der Park ist ja ziemlich groß und die meisten Besucher laufen immer nur durch das kleine von Gaudi bebaute Stück seiner Traumstadt, aber die Parkanlange ist noch so viel größer.
Ich entdecke den Torre Calatrava auf dem Montjuïc. “So weit unten steht der Turm?” Ich bin gerade völlig überrascht über die neue Perspektive. Ich dachte immer, er stünde ganz oben auf dem Montjuïc. Von hier aus scheint es aber eher, als stehe er nicht mal auf halber Höhe des anderen Hausbergs der Stadt. So kann man sich irren. Die Sagrada Familia sehe ich gar nicht. Aber nach einer Weile kann ich immerhin die Torre Agbar ausmachen, diesen glitzernden Phallus, in dem die Wasserwerke ihr Büro haben.
Wir gucken noch eine Weile, dann machen wir kehrt und gehen zum Sagrat Cor, dieser merkwürdigen Kirche, die hier oben wie eine Kirsche auf der Torte thront. “Temple Expiatori del Sagrat Cor” lautet der offizielle Name dieses hässlichen Dings vor uns. Sorry, aber schön ist wirklich anders. Erst 1961 wurde das auf alt gemachte Gotteshaus fertiggestellt. Angefangen hatte man mit den Bauarbeiten immerhin schon 1902, zur selben Zeit, als der Vergnügungspark und die Seilbahn eingeweiht wurden.
Die Vermutung liegt nahe, dass sich der Architekt der Sagrat Cor von der berühmten Kirche Sacre Coeur in Paris inspirieren liess. Immerhin bedeuten beide Namen Herzjesu Kirche. Aber irgendwie ist das hier in Barcelona nur ein schlechter Abklatsch. Der Stil der Pariser Kirche ist zwar auch nicht gerade jedermanns Sache, aber immerhin ist sie schön weiß, während auf dem Tibidabo mausgraue Mauern in den Himmel ragen. Die werden von einem Cristo, der wohl wiederum an Lissabon oder Rio de Janeiro erinnern soll, gekrönt. Theoretisch kann man mit einem Aufzug bis zur Christusstatue hochfahren. Aber das machen wir jetzt nicht, sondern fahren mit dem nächsten Funicular wieder bergab.
… sonst so oben am Berg:
Unten an der Station nehmen wir dieses Mal den Linienbus 196 zur Metrohaltestelle Avinguda Tibidabo. Auf der Strecke kann man einen ganz kurzen Blick auf die Torre Bellesguard, mein Lieblings-Gaudi-Haus, erhaschen. Zurück an der Plaça Kennedy, an der die Tramvia Blau startet, haben wir nun zwei Möglichkeiten: Entweder wir nehmen den 22er (oder 75er) Bus Richtung Pedralbes, um uns das Kloster anzusehen, in das sich Königin Elisenda vor vielen hundert Jahren zurückgezogen hatte, oder wir nehmen den 73er Bus in die entgegengesetzte Richtung, um zum Parc del Laberint d’Horta zu fahren. Wir überlegen kurz und entscheiden uns für das Kloster.
Eine halbe Stunde später stellen wir jedoch fest, dass wir die falsche Wahl getroffen haben. Heute ist Montag und montags hat das Kloster nämlich geschlossen. Zum Glück kommen wir auf dem Weg vom Monestir de Pedralbes zur Metrostation aber wenigstens noch an den Pavellons Güell vorbei. Die sind zwar auch zu, aber von außen können wir immerhin ein paar Fotos von dem echt beeindruckenden, schmiedeeisernen Eingangstor machen. Das ist nämlich, ebenso wie das Pförtnerhaus, von Antoni Gaudí. Es war der erste Auftrag, den Gaudi von seinem später wohl wichtigsten Sponsor Eusebio Güell erhalten hat.
Der reiche Industrielle beauftragte den noch jungen Gaudí 1887 mit einer Umfriedungsmauer des Grundstücks, samt Pförtnerhaus und Eingangspforte. Der Drachen soll den Ladon aus der griechischen Mythologie darstellen, einen Drachen, der die Äpfel der Hesperiden bewachte und von Herkules erschlagen wurde.
Aber sowohl das Kloster als auch das Laberint d’Horta stehen noch immer auf meiner Barcelona Bucket List.
Nützliche Infos Seilbahn und Parc d’atraccions Tibidabo:
Preis Vergnügungspark und Funicular:
Barcelona Tibidabo Seilbahn:
Preis Funicular 7,70 Euro
Vergnügungspark Parc d’atraccions Tibidabo:
Preis Erwachsene 28,50 Euro
Kinder unter 1,20 Meter: 10,30 Euro
Website: www.tibidabo.cat
Barcelona Tramvia Blau:
Die alte Straßenbahn fährt nur in den Sommermonaten!
Preis einfache Fahrt mit der Tramvia Blau: 5, 50 Euro
Start und Ziel: Plaça Kennedy
Ferrocarrils Linie 7: Avinguda Tibidabo
So geht es billiger:
Preis für ein einzelnes Busticket: 2,15 Euro
Tipp:
Preis für eine Zehnerkarte T-10, 1 Zone (gilt für Bus, Metro und RENFE): 9,95 Euro. Pro Fahrt also nur 0,99 Euro und man kann etwas über eine Stunde lang damit umsteigen.
Busfahrplan (zum downloaden)
Die Fahrt mit der Tramvia Blau ist zwar teuer, aber niedlich. Eigentlich reicht es jedoch, ein Foto von dem blauen Waggon zu machen und dann den Bus nach oben zu nehmen. Der in die Jahre gekommene Vernügungspark ist schon etwas Besonderes. Aber auch hier kann man sich den Eintritt zum Park sparen und einfach von der Aussichtsterrasse gucken. Wenn man klare Sicht hat, liegt einem Barcelona zu Füßen (Obwohl es auch schönere Plätze mit Aussicht auf die Stadt gibt.) Die Kirche Sagrat Cor ist nicht unbedingt unser Ding, aber auch irgendwie einzigartig kitschig und schräg.
Der Ausblick ist ja mal super!
Damit hätte ich jetzt nicht gerechnet.
😉 wenn es nur nicht so diesig gewesen wäre. Ich glaube bei gutem Wetter ist die Sicht der Hammer.
Der Park sieht wirklich aus, wie aus einer anderen Zeit. Richtig schön kitschig, wenn man das denn mag. 😀 Ich glaube, ich könnte mich da auch erst mal drauf stürzen und müsste ihn mir ansehen, zumindest von der Aussichtsterrasse – was den Ausflug ganz sicher auch für meinen Mann erträglicher machen würde. 😉
Lg aus St. Leonhard Passeier
Wenn man auf nostalgisch – kitschig steht ist der Park echt eine gute Empfehlung! Ich hab es jedenfalls nicht bereut, mir das mal angesehen zu haben 🙂
Nur für die Aussicht hochzufahren… kann man machen, muss man aber nicht. Es ist schon schön, aber es gibt eindeutig billigere Möglichkeiten Barcelona von oben zu sehen
LG ins Wellness Hotel nach Südtirol
Nicole