Unweit der Pedrera im Carrer Mallorca, einer Seitenstraße der Eixample, liegt der Palau Casades, einst das Wohnhaus der Familie Casades, später dann Sitz der Anwaltskammer Barcelonas. Erst seit Kurzem ist der Palauet für Besichtigungen geöffnet. Zusammen mit der lieben Céline, mit der ich in den letzten zehn Jahren schon viele Museen in Barcelona besucht habe (über die sie auf museos.com schreibt), haben wir uns durch die eleganten Räumlichkeiten führen lassen.

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Los geht’s!

Familie Casades

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam der aus Agramunt bei Lleida stammende Pau Casades i Espoy als junger Mann nach Barcelona und fand Arbeit bei dem wohlhabenden Bankier Girona (der die Fassade der Kathedrale Santa Eulalia sponsorte). Es dauerte nicht lange, bis Casades sich selbständig machte und eine Textilfabrik gründete, die er erfolgreich wieder verkaufte. Von da an erwarb er mit dem Kauf und Verkauf von Grundstücken ein kleines Vermögen, heiratete Dolores Xinxó Marton und bekam einen Sohn.

Schließlich beschloss der tüchtige Geschäftsmann, es sei an der Zeit, einen seinem neuen Stand entsprechenden Familiensitz zu errichten. 1883 beauftragte Casades einen Architekten mit dem Bau eines Wohnhauses in der gerade im Entstehen begriffenen Eixample. Das Grundstück dazu lag genau dort, wo sich zuvor der einzige Freizeitpark Barcelonas befand, el Jardí dels Camps Elisis, der den neuen Plänen zur Stadterweiterung hatte weichen müssen.

In nur drei Jahren entstand nach den Plänen Antoni Serra i Pujals ein Wohnhaus im neoklassischen Stil mit rechteckigem Grundriss und einem großen Garten. Etwa zur selben Zeit arbeite ein anderer junger Architekt namens Antoni Gaudí an der Casa Vicens. Sein einzigartiger Baustil war noch im Entstehen, die heute für Barcelona typisch gewordenen, modernistischen Bauten sollten sich erst entwickeln.

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Der Eingang des Palau Casades befindet sich heute an der Straßenecke Mallorca/ Roger de Llúria. Ursprünglich lag der Haupteingang jedoch am Carrer Mallorca. Von dort aus erreichte die Familie Casades über einen Treppenaufgang den großzügigen Innenhof ihres Wohnhauses. Mit seinen klassischen Säulen aus rotem Marmor, üppig dekorierten Wänden und Decken, wirkt der “Patio” äußerst elegant und teuer. An den glatt polierten Säulen sind teilweise noch Muschelverkalkungen zu sehen. Vielleicht hat das Haus seinen Spitznamen “Casa Pompejana” der dunkelroten Farbe des Marmors zu verdanken?

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Das Ambiente ist fraglos eindrucksvoll und ehrwürdig. Inmitten der roten Marmorsäulen, die alle Blicke auf sich ziehen, ziert ein Mosaik auf dem Fußboden den Innenhof. Die Anwaltskammer Barcelonas Col·legi d’Advocats de Barcelona, die heute ihren Sitz im Palau Casades hat, liess diese Darstellung Ramon de Penyaforts anstelle eines Brunnens, der ursprünglich den Innenhof zierte, anfertigen. Auch die aus Buntglas bestehende Oberlichter der Decke ersetzten die Anwälte durch schlichtes Weißglas.

Penyafort war ein aus dem Penedès stammender Dominikanermönch im 12. Jahrhundert, der als ein führender Experte im Kirchenrecht galt und hoch angesehen war. Er war ein wichtiger Berater des Königs Jaume I und spielte während der Inquisition eine bedeutende Rolle. Einer Legende nach soll er sogar auf seinem eigenen Mantel von Mallorca nach Barcelona gesegelt sein.

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Während Céline und ich uns umsehen, entdecken wir sogar eine kleine Kapelle. Es duftet nach altem Holz und Möbelpolitur. Aber vielleicht sind es auch nur all die alten Akten, die vermutlich in den Räumen der Anwaltskammer ruhen.

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Die Decken- und Wandgemälde sind größtenteils original erhalten. 

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In der oberen Etage befanden sich drei Schlafzimmer, für die drei Personen, die hier lebten – abgesehen von einigen kleineren Räumen für die Bediensteten. Der Hausherr und die Dame schliefen wie damals üblich getrennt. Viel Platz brauchte man nicht, daher konnte der überdimensionale Innenhof viel Licht und Luft in den Palast bringen. Die Wände sind mit Darstellungen der zwölf Monate des Jahres verziert. Klassische Motive zeigen Juni und Juli reich mit Früchten, September mit Wein und Dezember in kühlem hellblau.

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1902 starb Pau Casades i Espoy im Alter von 82 Jahren, 1915 sein Sohn Francesc Casades Xinxó. Der Enkel Carles de Casades i Còdols verkaufte das Haus 1922 an die Anwaltskammer. Doch die Juristen brauchten mehr Platz. Schon in den 50er Jahren war das Gebäude nicht mehr ausreichend. Ein Umbau wurde geplant, bei dem der Palau um ein weiteres Gebäude mit rechteckigem Grundriss erweitert wurde, das mittels eines Eckbaus mit dem ursprünglichen Wohnhaus verbunden wurde. Der Architekt achtete darauf, den klassischen Stil der Fassade beizubehalten, sodass die Casa Casades auch nach der Erweiterung wie “aus einem Guss” gemacht scheint.

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Doch die Anwälte hatten noch immer nicht genug Platz. In den 70er Jahren wurde der Garten des Hauses geopfert, um einen – ziemlich hässlichen – Neubau an der Stelle zu errichten, an der einst der Blick aus dem Wohnzimmer auf Pflanzen und Blumenbeete traf.

In dem Anbau aus den 50er Jahren, den wir bei der Führung auch betreten, befindet sich heute die Bibliothek der Anwaltskammer. Allein für den Besuch dieser Bibliothek lohnt sich der Besuch des Palauets. Jedenfalls, wenn man so bücherverliebt ist, wie ich. Beim Anblick von mit Büchern vollgestopften Regalen klopft mein Herz schneller.

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Im Stil englischer Bibliotheken der 20er Jahre errichtet, strahlt der alte Saal eine Erhabenheit aus, wie sie nur Bücher haben können. Auch wenn juristische Fachlektüre sicher nicht zur großen Literatur zählt, fordern die alten Bände Respekt und Achtung. Nicht umsonst, darf man sich nur im Flüsterton unterhalten! Noch besser, man spricht gar nicht und arbeitet konzentriert.

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Stolz erzählt uns Cristina, die uns durch den Palau Casades führt, die mit immerhin 350 000 Werken bestückte Bibliothek des Col·legi d’Advocats sei eine der bedeutendsten juristischen Bibliotheken Europas. Wobei der Großteil der hier ruhenden Veröffentlichungen vermutlich eher durch ihren historischen Wert, als durch aktuelle Gültigkeit der Texte beeindruckt.

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Nach dem Rundgang durch die Bücherhhalle ist die Führung beendet. Auch wenn hinter der Fassade des Palauets keine spannenden Familiendramen aufgedeckt werden, ist allein das Ambiente der eleganten Räume den Besuch absolut wert.

Infos zum Palau Casades

Palauet Casades
Carrer Mallorca, 283
08037 Barcelona

Der Besuch ist nur im Rahmen einer Führung möglich. Buchen kann man sie über die Website: casessingulars.com Bisher werden die Führungen nur auf Spanisch und Katalanisch angeboten, daher haben die wenigsten Touristen diesen wunderschönen kleinen Palauet entdeckt. Vorteil: hier gibt es garantiert kein Gedrängel. Was Céline von unserem Besuch im Palauet Casades zu erzählen hat, erfährst Du auf museos.com

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