Reus hat mich richtig überrascht. Ich weiß gar nicht, warum ich diese hübsche kleine Stadt nicht schon viel früher entdeckt habe! Schöne, alte Gassen mit modernistischen Gebäuden, und immer wieder stößt man zwischendrin auf eine kleine oder große Plaça mit netten Bars und Restaurants.
Antoni Gaudí wurde hier geboren, soviel wusste ich immerhin. An der Plaça Mercadal befindet sich das Gaudí Center. Das im Vergleich zu den hübschen Altbauten ringsum sehr moderne Gebäude fällt sofort ins Auge. Drinnen zeigt es auf mehreren Etagen die Gedankenwelt des Antoni Gaudí. Die Besucher sollen verstehen, wie und wodurch der bekannteste Sohn der Stadt inspiriert wurde, wie seine Werke zustande gekommen sind und welche bedeutende Rolle die Natur in seinen Entwürfen spielte. Die Erklärungen und Filme gibt es sogar auf Deutsch.
Obwohl ich ehrlich gesagt kein großer Gaudí Fan bin, war ich von dem Museum echt begeistert. In seiner speziellen Art hat Gaudí wie kein anderer die Natur als Lehrmeister gesehen, ihre Formen für seine Werke genutzt. Obwohl ich schon so Einiges über ihn wusste, hat mir diese Ausstellung doch noch mal Respekt vor diesem außergewöhnlichen Architekten.
Die vielen schönen modernistischen Bauten, die man in der Altstadt von Reus findet, stammen allerdings nicht von Gaudí. Zum größten Teil sind sie das Werk eines anderen großen Stararchitekten des katalanischen Jugendstils, nämlich von Domènech i Montaner. Der hat in Barcelona u.a. dem Palau de Música Catalana entworfen.
Was mich in Reus aber am meisten begeistert hat, ist die Geschichte des Vermuts. Dass man hier so viele verschiedene, unglaublich gute Drinks probieren kann, und Reus einst sogar die „Hauptstadt“ des Vermut genannt wurde, war mir neu. Da kann Martini glatt einpacken!
Schon im Touristenbüro kann man einen Vorgeschmack darauf kriegen, was einen in der Altstadt erwartet. Für drei Euro kann man bei einer kleinen Verkostung die traditionellen Vermuts der Stadt probieren. Allein das Gebäude ist wahnsinnig schön! Lange ehe das Fremdenverkehrsbüro dort eingezogen ist, befand sich hier nämlich das Weinbauinstitut, die Estació Enològica. In diesem Labor forschte man nach der schlimmen Krise, die die Phylloxera verursacht hatte, eifrig daran, wie man solche Plagen in Zukunft vermeiden und den Weinanbau professioneller gestalten konnte. Wir verzichten jedoch erst mal auf die Verkostung, denn wir wollen uns das Vermut Museum ansehen und dort das eine oder andere Schlückchen des Aperitifs probieren.
Das Museu del Vermut ist eigentlich eine private Sammlung, die mit einer einzigen alten Flasche Vermut begann. Das schöne Etikett im modernistischen Stil weckte die Sammelleidenschaft von Joan Tàpies, dem Gründer und Besitzer des kleinen Museums. So füllten sich bald schon die Regale mit Flaschen, Schildern und anderen Gegenständen und Materialien aus der Welt des Vermuts. Natürlich probiere ich den hauseigenen Vermut, einen roten Cori, den das Museum zusammen mit Vermuts Miró herstellt. Gerade erst hat Cori sogar eine Goldmedaille (Girovi 2020) eingeheimst. Voll zu Recht wie ich finde, denn der Vermut ist wirklich total lecker. Ich schmecke sogar ein wenig Orangenschale.
Die Grundlage aller Vermuts ist übrigens immer ein möglichst neutraler Weißwein. Dem werden dann ganz bestimmte Gewürze und Kräuter zugefügt, die jedem Vermut seinen einzigartigen Geschmack verleihen. Diese Rezepte sind natürlich streng geheim – nur Wermut muss immer drin sein. Die Pflanze Wermut (Artemisia absinthium) heißt auf Katalanisch übrigens donzell und wurde auch zur Herstellung von Absinth benutzt.
Vom Museu del Vermut aus gehen wir zum Restaurant der Bodegues Rofes, einer ehemaligen Fabrikhalle, in der bis vor Jahren tatsächlich noch Vermut herstellt wurde. Aus dem rein medizinischen Getränk, das ein paar bayrische Mönche Ende des 19. Jahrhunderts zur Belebung und Erfrischung zusammengebraut hatten, entwickelte sich in Norditalien bald ein beliebter Aperitif. Die wohltuende Wirkung des Weins mit einer bestimmten Kräutermischung kannten angeblich sogar schon die Ägypter.
Es dauerte nicht lange, bis sich dieser nun total angesagte Vermut auch über Frankreich bis nach Spanien verbreitet hatte. In Reus war die Infrastruktur zur Herstellung von Wein und Branntwein war hier bereits vorhanden. Und so entstanden bald 30 kleine Fabriken, die ihre Produkte in ganz Spanien verkauften. Ein „Vermut de Reus“ war quasi gleichbedeutend mit hoher Qualität und Reus wurde zum Zentrum der Vermutproduktion Spaniens. Bis heute sagt man hier „anar a fer un vermut“ , wenn man sich mit Freunden kurz vor dem Mittagessen trifft, um auf der Plaza noch einen Aperitif zu trinken.
Doch irgendwann geriet dieser Brauch des Vermut-Trinkens immer mehr in Vergessenheit. Man bestellte sich lieber Wein, Bier oder andere moderne Getränke. Nur die älteren Herren tranken noch ihren Vermut. Viele der kleinen Fabriken verschwanden. Erst die junge Generation der „Hipster“ entdeckte den Vermut plötzlich wieder neu. Neben den alten Fabriken wie Rofes, Miró, Yzzaguirre oder entstanden nun sogar wieder neue Vermut-Hersteller und erfanden ihre eigenen Rezepte.
Zum Nachreisen – Infos zu Reus
Leider war das Institut Pere Mata gerade geschlossen. Allein um dieses Krankenhaus von Domènech i Muntaner zu sehen, werde ich aber garantiert bald noch mal nach Reus fahren. Vielleicht kann ich dann auch noch die Casa Nàvas und die anderen Vermut Bodegas besichtigen. Reus ist so eine nette, authentische kleine Stadt, dass ich mich echt frage, warum ich sie nicht schon viel früher entdeckt habe. Das ist mal ein echter Geheimtipp!
Hinkommen:
Mit dem Auto sind es von Barcelona aus rund eineinhalb Stunden Fahrt mit dem Auto in südliche Richtung. Kurz hinter Tarragona fährt man von der A7 ab und ist auch gleich in Reus. Sowohl von Barcelona als auch von Tarragona aus gibt es zahlreiche Bahnverbindungen. Wer mit dem eigenen Auto fährt, findet neben dem alten Schlachthof Escorxador, in dem sich heute die Bibliothek befindet, einen großzügigen und günstigen Parkplatz (sogar mit Plätzen für Campervans!).
Estació Enológica – Oficina de Turisme
Passeig de Sunyer, 4, 6
43202 Reus
Bar und Museu del Vermut
Carrer de Vallroquetes, 7
43201 Reus
Website www.museudelvermut.com
Restaurant Vermuts Rofes
Carrer de Sant Vicenç, 21, 23
43201 Reus
Website www.vermutsrofes.com
Gaudí Centre
Plaça del Mercadal, 3
43201 Reus
Website: www.gaudicentre.cat
Eintritt Erwachsene 10 Euro
Jugendliche bis 15 Jahre 5 Euro
Kinder bis 9 Jahre Eintritt frei
Öffnungszeiten Mo-Sa 10 -14 und 16 – 19 Uhr. Sonntags bis 10 -14 Uhr
Im Sommer Mo-Sa durchgehend von 10 -20 Uhr geöffnet.
Audioguide auf Deutsch ist im Eintritt inbegriffen.
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