Ganz im Süden Italiens liegt das Salento. Wenn Du die lange Autobahn von Bologna aus immer weiter an der Adria entlang fährst, kommst Du irgendwann zur Hacke des italienischen Stiefels. Dort, wo es nicht mehr weitergeht, weil Du sonst ins Ionische Meer fallen würdest, liegt Salento, der südlichste Teil Apuliens.

salento
Dass es hier schön sein würde, habe ich geahnt. Deswegen wollte ich ja unbedingt hierherkommen. Aber dass es so schön ist, hätte ich im Traum nicht gedacht. Es scheint, als ob die Touristen einfach alle in der Gegend von Bari haltmachen und gar nicht bis in den untersten Zipfel fahren. So angenehm ruhig ist es hier. Wie ein verliebter Teenager renne ich durch die Gegend und finde einfach alles toll. Die kleinen Orte, die Küste, das Essen und natürlich die Menschen. Total verknallt eben.

Menschen wie Signora Teresa zum Beispiel. Wie jeden Morgen macht sie Ricotta. Weil wir zu Hause noch Kaffee getrunken haben, sind wir etwas zu spät dran und Teresa ist schon fast fertig mit ihrer Arbeit. Sie hat schon früh angefangen, denn die Milch muss möglichst sofort verarbeitet werden. Ihr Ricotta besteht zu gleichen Teilen aus Kuh-, Schaf- und Ziegenmilch erklärt sie mir. Die Milch stammt ausschließlich von ihren eigenen Tieren. Ihr Mann Pietro ist Schäfer und wandert jeden Tag in aller Herrgottsfrühe mit seiner Herde durch die Landschaft. Und das mit fast achtzig Jahren. Claudia (von penandsea), die seit über zwanzig Jahren im Salento lebt, kennt ihn gut und hat ihn schon oft morgens um fünf Uhr mit seinen Ziegen und Schafen vorbeiziehen sehen.

ziege

teresa ricotta salento

Auch jetzt ist Pietro natürlich wieder unterwegs. Gemolken sind die Tiere ja schon. Im Sommer geben sie allerdings weniger Milch als im Winter, wenn die Weiden und Wiesen üppig grün sind und das Futter für die Schafe und Ziegen viel nahrhafter ist, als in den trockenen Sommermonaten. Das leuchtet mir ein. Aus den bis zu zehn Litern Milch am Tag macht Teresa dann noch mehr Ricotta. Das Prinzip ist eigentlich relativ einfach. Die Milch wird aufgekocht und angedickt. Den ausgeflockten Käse schöpft Teresa dann ab und füllt ihn in kleine Körbchen, damit auch die restliche Flüssigkeit noch abtropfen kann.

ricotta

Dieses übergebliebene Wasser fängt Teresa auf und füllt es in Flaschen ab, denn es enthält noch viele Nährstoffe aus der Milch und sei sehr gesund. Schon reicht sie mir ein kleines Tässchen mit dem noch warmen Käse zum Probieren. Ich koste vorsichtig einen kleinen Löffel. Es schmeckt überraschend lecker! Sehr cremig und fast schon süß, obwohl da natürlich kein Zucker drin ist. Irgendwie erinnert es mich an den frisch gekochten Pudding, den ich bei meiner Oma manchmal noch warm genascht habe. Obwohl wir ja eigentlich gerade erst gefrühstückt haben, futtere ich den Becher frischen Ricotta fast leer. So schnell kriege ich das sicher nicht wieder.

Teresas Tochter hilft, den fertigen Käse in dem kleinen Hofladen zu verkaufen. Auch die beiden Enkeltöchter schauen vorbei. Nur Pietro mit den Tieren ist leider nirgends zu sehen. Schade. Ich nehme mir etwas von dem Hartkäse und ein Glas Ricotta Forte mit, denn der frische Ricotta überlebt die Fahrt zurück nach Spanien sicher nicht.

ionische ziege(bei meinem zweiten Besuch habe ich dann Pietro mit ein paar Ziegen und Schafen doch noch angetroffen)

salento

salento

Dann fahren wir an der Küstenstraße entlang Richtung Otranto. Die Ruinen der alten Wehrtürme, die früher die Küste bewacht und vor Piratenüberfällen geschützt haben, stehen heute dekorativ an den weißen Klippen. Wir müssen des Öfteren anhalten, einfach nur um von hier auf das Meer zu schauen. So schön ist diese karge und stille Landschaft. Auch an der Torre Minervino legen wir einen kurzen Halt ein. Dieser Turm wurde im sechzehnten Jahrhundert unter Carlo V (Carlo V war Habsburger und als Carlos I gilt er als erster König Spaniens) errichtet, als der Süden des heutigen Italiens unter spanischer Herrschaft stand.

salento torre

Torre Minervino salento

Bald sind wir auch schon im Hafen von Otranto. Die Betonung liegt übrigens auf dem ersten O, was für unsere Ohren sehr ungewöhnlich klingt. Wir brauchen eine Weile, bis wir das hinkriegen. Hoch über dem Hafenbecken mit seinen schicken Jachten thront die Altstadt von Otranto hinter mächtigen Mauern. Hier unten im Hafen erinnert ein rostiges Bootswrack als Denkmal an die ertrunkenen Flüchtlinge von 1997. Damals kam es hier vor der Küste nämlich zu einer traurigen Katastrophe, als ein Boot mit albanischen Flüchtlingen von der Küstenwache abgedrängt wurde, um zu verhindern, dass sie in Italien an Land gingen. Das Boot wurde bei diesem Manöver so sehr beschädigt, dass es sank. 57 Menschen starben. Der griechische Künstler Costas Varotsos hat das gehobene Wrack zu einem Denkmal umgestaltet.

Otranto Salento

memorial otranto salento

Wir gehen durch eine Art Hintereingang hinauf zur Altstadt. Mitten hindurch, durch die Überreste einer Kirche, betreten wir die kleine Stadt. Enge kleine Gassen führen um eine alte byzantinische Kirche herum. Doch die Kirche ist leider gerade geschlossen. Die Kathedrale auch. Da sind die Italiener sehr streng mit den Öffnungszeiten.

otranto haus salento

otranto altstadt salento
otranto altstadt salento-

Aber Claudia weiß uns zu trösten und führt uns nach Sant Andrea, ein winziger Ort kurz vor Torre dell’ Orso. Wenn das berühmte Blaue Fenster in Malta auch eingestürzt ist, hier an der Küste Apuliens gibt es die unglaublich schönsten Felsformationen überhaupt! Der Wind weht, das Meer duftet salzig und die Wellen schlagen rauschend an die Felsen. Es ist so schön, dass es mir die Sprache verschlägt! Doch dann verfalle ich in Fotografierpanik. Ich knipse ein und denselben Felsen an die zwanzig Mal. Immer wieder, um ihn auch ja richtig festzuhalten. Ich will diesen Ort gar nicht mehr loslassen. Irgendwann lasse ich erschöpft schließlich doch die Kamera sinken und genieße tief Luft holend dieses Bild vor mir, zum Anfassen nah. Live und in Farbe. Ich will es am liebsten einfangen und für immer festhalten.

sant andrea salento puglia
sant andrea salento puglia foto by claudia schulte (Foto by © Claudia Schulte)

 sant andrea puglia salento
Glücklich und gut gelaunt müssen wir uns von hier wieder losreißen. Auf dem Rückweg wollen wir nämlich noch baden. Claudia kennt da eine kleine Bucht bei Porto Badisco. Dort gibt es eine übrigens eine tolle Bar. Einfach und authentisch, wie vor fünfzig Jahren. Wunderschön!

 spiagga porto badisco salento

 porto badisco salento

Am Abend sind wir wieder zurück in Santa Cesarea Terme, einem alten Kurort, der schon bessere Zeiten erlebt hat. Es riecht leicht nach Schwefel. Das ist die Schwefelgrotte der Therme, erklärt Claudia mir. Wegen des schwefelhaltigen Wassers sind die Leute früher hierher gekommen. Das Baden in diesen Quellen soll sehr gesund sein. Doch irgendwann waren Thermen einfach nicht mehr angesagt, die Blütezeit der Seebäder vorbei. Santa Cesarea Terme geriet mehr und mehr in Vergessenheit. Aber gerade diese ruhige Abgelegenheit finde ich sehr charmant.

santa Cesarea terme villa sticchi salento

villa sticchi in santa cesarea terme salento

villa sticchi in santa cesarea terme salento

An die Zeit des mondänen Seebads erinnert noch immer die Villa Sticchi, die den kleinen Küstenort wie ein maurischer Märchenpalast krönt. Der alte Palazzo wurde gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts gebaut und ist leider in Privatbesitz. Wir können ihn also nicht besichtigen. Natürlich ist der bunte Prachtbau nicht wirklich arabisch oder byzantinisch. Das war damals einfach der Geschmack der wohlhabenden Familie, die nach Santa Cesarea Terme kam, um hier einen Kuraufenthalt zu verbringen.

villa sticchi santa cesarea terme salento puglia

Zum Abendbrot dürfen wir dann außer frischer Pasta mit Cozze und Tomaten noch eine besondere Spezialität des Salento kosten, la frisella salentina. Diese runden hart gebackenen Brote aus dunklem Gerstenmehl, frisa oder frisella genannt, sollen früher schon Fischer auf hoher See und die Pilger bei den Kreuzfahrten ins Heilige Land ernährt haben. Dadurch, dass diese kringelartigen Brötchen hart sind, sind sie auch bei großer Hitze fast unendlich lange haltbar.

Gianluca zeigt uns, wie man die Frisella isst. Die Zubereitung ist denkbar einfach. Die harten Brote werden ganz kurz in Wasser angefeuchtet, damit sie etwas weicher werden. Dann kommen Olivenöl, klein geschnittene Tomaten und frisches Basilikum oder Oregano darauf. Angeblich sollen sogar die wohlhabenden Einwohner des Salento diese einfachen Brote, die ja ursprünglich eher ein Arme-Leute-Essen waren, gern gegessen haben. Allerdings haben sie die Frisella aus hellem Weizenmehl bevorzugt.

frisella salentina frisa salento apulien italien

Das Loch in der Mitte sollte übrigens den Transport des Brotes erleichtern. So konnten die Fischer, Schäfer oder Pilger, wenn sie mehrere Tage unterwegs waren, die Brote auf eine Schnur fädeln und mit sich tragen.

Als wir das Salento schweren Herzens wieder verlassen, haben wir zwei Flaschen selbst gemachte Tomatensoße, Olivenöl aus den Oliven von Gianlucas Papa und den Ricotta forte von Signora Teresa im Kofferraum. Am Ende war es doch gut, dass unser Flug nach Apulien gecancelt wurde und wir mit dem Auto gekommen sind 🙂

castro abends salento

Salento zum Nachreisen:

Santa Cesarea Terme:
Der kleine Hof von Teresa und Pietro heißt Agricursano, hat aber keine eigene Webseite. Wenn Du in Santa Cesarea Terme bist, musst Du Dich einfach durchfragen. Ein echter Geheimtipp eben. Für den Ricotta forte hat Claudia mir auch schon ein Rezept verraten: Cavatelli con sugo di ricotta forte

Ein wunderschöner Strand in der Nähe von Santa Cesarea Terme ist übrigens die Spiaggia di Portomiggiano.

salento santa cesarea terme Spiaggia di Portomiggiano

Porto Badisco:
Bar Alimentari Tabacchi da Carlo
73028 Porto Badisco

 porto badisco salento

Castro:
Kurz hinter Santa Cesarea Terme liegt der kleine Ort Castro, zu dem auch die Grotte Zinzulusa gehört.

castro abends salento

castro abends salento
Piazzale Zinzulusa
73030 Castro
Website: grotta-zinzulusa
Die Besichtigung der Grotte kostet 6 Euro.  

salento castro Grotte Zinzulusa

Laghi Alimini:
Auf unserem Weg an der Küste entlang kommen wir an zwei besonderen Seen vorbei. In den Laghi Alimini mischt sich nämlich das Salzwasser aus dem Meer mit dem süßem Grundwasser.

laghi alimini salento

Otranto:
Das Wrack des gesunkenen Bootes Katër i Radës wurde vom griechischen Künstler Costas Varotsos zum Memorial umgestaltet: „L’Approdo. Opera all’Umanità Migrante“

otranto memorial