Früh am Morgen ist es noch leer auf dem großen Platz. In einem netten kleinen Café hole ich mir einen Kaffee, suche mir einen Tisch und blicke auf den Obelisk, der sich inmitten der Praça do Marquês de Pombal erhebt. Ich bin zum ersten Mal in Vila Real de Santo Antonio, einer kleinen Stadt am Grenzfluss Guadiana, die ihr pulsierendes Zentrum dem Marquês de Pombal, gewidmet hat. Einem portugiesischen Staatsmann, der im 18. Jahrhundert die treibende Kraft hinter der Entstehung dieser schachbrettartig angelegten Siedlung nahe der spanischen Grenze war.

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Pombals Plan

Bei dem schweren Erdbeben, das 1755 Lissabon und weite Teile der Algarve zerstörte, wurde auch das kleine Fischerdorf Santo Antonio de Avenilha fast vollständig verwüstet. Am anderen Ufer des Guadiana liegt Ayamonte. Spanien ist hier in Sichtweite. Um den damals nicht immer friedlich gesonnenen Nachbarn gegenüber keine Schwäche zu zeigen, ließ der portugiesische Minister innerhalb von nur fünf Monaten eine prachtvolle neue Stadt errichten. Nach dem gleichen Schema, das er bereits in Lissabon angewandt hatte, um die zerstörte Altstadt neu aufzubauen, plante Pombal auch am Guadiana die neue Siedlung im praktischen Schachbrettmuster.

 pombal santo antonio algarve
Das Projekt der neuen Stadt mit prächtigen, eindrucksvollen Gebäuden diente jedoch weniger den aus ihren Hütten vertriebenen Fischern und deren Familien, sondern sollte wohl eher die spanischen Nachbarn beeindrucken. Um die Menschen jenseits des Guadianas von der Stärke und Effizienz Portugals zu überzeugen, musste der Aufbau zügig voranschreiten. Die Spanier sollten gar nicht erst auf die Idee kommen, sie könnten leichtes Spiel haben, wenn sie hier einmarschierten. Im Grunde genommen war Vila Real de Santo Antonio ein städteplanerisches Aufplustern, das der Verteidigung dienen sollte.

 santo antonio algarve

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Heute sind sie trotzdem hier, die Spanier:innen. Unter all den Reisenden, die aus der ganzen Welt hierherkommen, um durch die hübschen Fußgängerstraßen zu bummeln, hört man vor allem spanischsprachige Menschen. Sie sind wie immer laut, aber sie kommen in friedlicher Absicht und genießen den Einkaufsbummel in den freundlich hellen Straßen. Spätestens seit dem Bau der Autobahnbrücke ist man dies- und jenseits des Guadianas zu einer Gemeinschaft zusammengewachsen. Viele Menschen leben auf der einen und arbeiten auf der anderen Seite des Flusses. Oft sind sie sich hier näher, als ihren Landsleuten der nächstgelegenen Großstadt.

ayamonte

Real Café

Hier sitze ich also, denke nach und träume vor mich hin. An den kleinen Bäumen auf dem Platz vor mir leuchten die Orangen aus dem Grün der Blätter hervor. Vermutlich sind es gar keine Orangen, sondern Pomeranzen, die bittere Variante. Ich überlege kurz, ob ich vielleicht ein paar Früchte stibitzen kann oder ob die von offizieller Seite geerntet und irgendwie verwertet werden? Andererseits, wohin soll ich damit? Wenn es bittere Orangen sind, will ich sie lieber nicht essen. Dann hole ich mir lieber noch ein Küchlein aus der Real Cafeteria hinter mir. Da türmen sich die süßen Versuchungen nämlich in den buntesten Formen und Farben.

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kuchen

Außer den traditionellen Natas, den mit Vanillecreme gefüllten Törtchen gibt es auch welche mit Mandeln, Kokosteilchen und sogar Dom Rodrigos. Das ist eine ganz besondere Spezialität, die gar nicht so leicht zu finden ist. In buntes Alupapier gehüllt und zu einem pyramidenartigen Säckchen geformt, befinden sich aus Eigelb und Zucker gekochte Fäden, die ein wenig an klebrige Vogelnester erinnern. Auf den ersten Blick sehen sie vielleicht nicht so verführerisch aus. Sie sind in der Tat auch megasüß, aber nachdem ich sie probiert hatte, bin ich ein echter Fan geworden und kann nicht nein sagen, wenn ich sie irgendwo entdecke.

dom rodrigo

Hafen und Balneario

Nachdem ich wieder einmal, selbstlos wie ich bin, den heimatlosen, süßen Kalorien ein Zuhause gegeben habe, mache ich einen Verdauungsspaziergang durch die Gassen mit den vielen Boutiquen. Außer Kork und typischen Andenken gibt es überraschend viele Läden, die bestickte Handtücher zum Verkauf anbieten.
Besonders witzig finde ich das „Balneario publico“. Unter diesem wohlkingenden Namen stelle ich mir so etws wie ein luxuriöses Thermalbad vor. Doch inmitten der Stadt befindet sich kein SPA oder ein Thermalbad, sondern ein öffentliches Klo mit Dusche. Das Balneario ist ein Badehaus. In diesem hübschen historischen Gebäude können sich Einkaufende, Camper oder wer auch immer, duschen, waschen, säubern oder auf Klo gehen.

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Wenn ich in dem schachbrettartigen Straßenmuster Richtung Osten laufe, komme ich an die schicke Uferpromenade, die am Guadiana entlang führt. Hier liegen auch der Busbahnhof, der Hafen und die Fähranlegestelle nach Ayamonte. Im Arquivo Historico erinnert eine kleine Ausstellung daran, dass die Menschen hier bis vor nicht allzu langer Zeit vom Fischfang lebten. Traditionelle Fangmethoden werden anschaulich mit  Modellen erklärt. Es gibt viele alte Schilder, Dosen und Maschinen der Fischkonservenindustrie zu sehen.

Grand House

Nur wenige Schritte weiter, liegt ein auffälliges Gebäude, das zwischen den kleinen einstöckigen Fischerhäusern heraussticht, das Grand House. Als das Luxushotel zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts errichtet wurde, war es eines der ersten Hotels an der Algarve. Die Besitzer glaubten am Ufer des Guadiana einen idealen Standort gefunden zu haben, um den Handelsreisenden, die von Portugal mit der Fähre nach Sevilla oder Madrid reisen wollten, hier eine standesgemäße Übernachtungsmöglichkeit anzubieten. Anfangs war das luxuriöse Hotel ein großer Erfolg, doch bald kamen schwierige Zeiten. Zwei Weltkriege, der Spanische Bürgerkrieg und diktatorische Herrscher in Portugal und Spanien prägten die folgenden Jahrzehnte. Urlauber verirrten sich damals nicht in diesen entlegenen Winkel Europas und so musste das Hotel geschlossen werden.

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Erst vor wenigen Jahren eröffneten neue Besitzer das restaurierte und renovierte Grand House im alten, glanzvollen Charme der zwanziger Jahre. Rechts und links der Empfangstreppe im Eingangsbereich hat man Kerzenständer und alte Bücher auf den Stufen verteilt. Im ersten Stock liegt das Restaurant, von dem aus man einen tollen Blick auf den kleinen Hafen hat. Doch der heimliche Star des Luxushotels ist Hündin Grand. Eigentlich begrüßt sie hier die Neuankömmlinge und begleitet sie auf ihre Zimmer. Grand ist ein echter Cão de Água Português, ein portugiesischer Wasserhund.

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Diese besondere Hunderasse half früher den Fischern der Algarve beim Fischfang. Dank ihres besonderen Fells und mit einer Frisur, die an eine Löwenmähne erinnert, fuhren die Hunde mit auf See. Doch gerade an dem Tag, an dem ich in Vila Real de Santo Antonio bin, ist die schwarz gelockte Schönheit in Mutterschaftsurlaub. Grand ist nämlich Mama geworden und hat ein paar Tage „Urlaub“. Vermutlich hockt sie mittlerweile schon wieder unter dem Tisch der Rezeption. Vielleicht tobt sogar ihr tapsiger Nachwuchs um sie herum, und bezaubert die überraschten Gäste.

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Karibik Feeling

Nachdem ich Grand leider nicht angetroffen habe, mache ich mich auf den Weg in die Strandbar des Hotels. Der Beach-Club liegt ein ganzes Stück weiter südlich an der Mündung des Guadianas. In dem Restaurant sorgen Palmen, Hängematten und ein Pool für Karibik-Feeling. Zuerst wundere ich mich natürlich über das Schwimmbad am Strand, aber dann erfahre ich, dass man hier besser nicht im Fluss  schwimmen sollte, weil die Strömung des Guadianas wirklich gefährlich sein kann.

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Infos Vila Real de Santo Antonio

Nach Vila Real de Santo Antonio kommt man von Spanien aus mit dem Auto über die moderne Autobahnbrücke oder mit der Fähre über den Guadiana von Ayamonte aus. Von Lagos und Faro aus gibt es eine Bahnverbindung, die niedliche Linha do Algarve. Von meiner Bahnfahrt entlang der Küste erzähle ich in einem anderen Artikel: Bahnlinie der Algarve VRSA bis Faro 

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  • bereist im November 2021