José Antonio setzt die Baskenmütze auf und posiert mit dem Käse für die Kamera. Locker macht er das, gekonnt und mit viel Quatsch, da ist er Profi. Man merkt, er nimmt sich selbst nicht so ernst. Charmant und ein bisschen frech, mit viel Witz und lockeren Sprüchen führt er uns durch die kleine Käserei in den Bergen. Denn Toni und sein Bruder Oscar produzieren Käse im Vall d‘Aran.

käse bagergue vall d'aran

käse bagergue vall d'aran

Das kleine Dörfchen Bagergue liegt oben in den Pyrenäen, ganz nah an der französischen Grenze. Alles ist hübsch bunt und blüht in den schönsten Farben. Gerade erst ist es in die Liste der „pueblos con encanto“ aufgenommen worden und zählt nun offiziell zu den „schönsten Dörfern“ Spaniens. Im Vergleich zu anderen Bergdörfern, wirkt Bagergue hübsch zurechtgemacht, sehr sauber und adrett. Es ist kein armes, verlassenes Bergdorf, in dem nur noch wenige Rentner leben. Ganz im Gegenteil. Die Häuser sind nicht nur super instandgehalten, sondern auch noch hübsch dekoriert. Mal mit Maiskolben, mal mit roten Marienkäfern und eben mit vielen Blumen.

bagergue vall d aran f

 bagergue vall d'aran

bagergue vall d'aran

Im Vall d‘Aran ist irgendwie alles anders. Das kleine Tal im äußersten Nordwesten Kataloniens öffnet sich geologisch gesehen gen Norden. Es ist wesentlich einfacher und bequemer von hier aus nach Toulouse zu gelangen, als in eines der katalanischen Nachbartäler. Um die zu erreichen, muss man eine Bergkette auf 2.000 Metern Höhe überwinden. Die einzige Straße, die es heute zum Glück gibt, ist kurvenreich und mühsam zu befahren. Bevor diese Straße gebaut wurde, führten nur holprige Wege durch das steile Hochgebirge! Kein Wunder also, dass die Menschen früher eher mit den benachbarten Dörfern auf französischem Boden Handel trieben.

Die Sprache, die Menschen, die Traditionen hier sind mehr Richtung Toulouse, als Richtung Barcelona orientiert. Im Vall d‘Aran spricht man auch kein Katalanisch, sondern Aranés, eine offiziell anerkannte Sprache. Aranesisch ist zwar eng mit dem Katalanischen verwandt, gehört aber zum Gascognischen, einer Varietät des Okzitanischen, die man früher in dieser Ecke Frankreichs sprach und die man teilweise noch in Bordeaux findet.

Die Spanier kommen fast ausschließlich zum Skifahren ins Vall d‘Aran. Im Winter ist Hochsaison, im Sommer hingegen sind viele Hotels und Restaurants geschlossen. Doch die Skipisten hier kann sich nicht jeder leisten. Winterurlaub im Vall d‘Aran ist schon eine etwas teurere Angelegenheit. Ähnlich wie in Sankt Moritz und Davos treffen sich hier die Reichen und Schönen, die königliche Familie und eben Leute, die sich die Pisten und Häuser leisten können.

Aber jetzt im Sommer geht es hier angenehm ruhig zu. An der kleinen Kirche vorbei kommt man durch die hübschen steinernen Gassen schlendernd zu Tonis und Oscars Käserei, Hormatges Tarrau.

kirche bagergue vall d'aran

 bagergue vall d'aran

Weil jetzt nicht viel los ist, hat Toni Zeit uns herumzuführen. Und so erzählt er, wie sie damit angefangen haben, Großmutters Rezepte nachzukochen. Denn Oma Genoveva hat nicht nur Käse selbst hergestellt, wie das früher viele Haushalte hier oben gemacht haben. Die tüchtige Großmutter hat ihren Käse auch damals schon verkauft.

Längst schon kann man natürlich auch hier im „abgelegenen“ Gebirgstal die verschiedensten Käsesorten in jedem Supermarkt kaufen. Damit aber die einfachen, rustikalen Käsesorten des Vall d‘Aran nicht in Vergessenheit geraten, wollten Toni und Oscar die alten Rezepte wieder zu neuem Leben erwecken.

Vom kleinen Laden aus führt uns Toni durch einen kleinen Gemüsegarten in die Räume, wo der Käse gemacht wird. Das Gemüse kommt in dem kleinen Restaurant auf den Tisch. Wie sich das für einen Familienbetrieb gehört, kocht Mama in der Casa Rosa noch persönlich.

käse bagergue vall d'aran

garten bagergue vall d'aran

käse bagergue vall d'aran

käse bagergue vall d'aran

In vielen Kisten liegen ein paar kleine runde und viele große, eckige Käse. Ein Mitarbeiter ist gerade dabei, die Käse mit einer würzigen Flüssigkeit einzureiben. Toni erklärt, woraus dieser aromatische Sud besteht, in dem die Käse gebadet werden, während sie reifen. Kräuter sind darin, Essig, Rum, und noch ein paar andere Zutaten. Auch wenn der Käse heute nicht mehr wie zu Omas Zeiten in einem Kessel neben dem Feuer, sondern in großen Edelstahltanks gekocht wird, die tägliche Pflege erfolgt noch immer von Hand. Tag für Tag säubert ein Mitarbeiter die Käselaibe, tunkt sie in den Sud, dreht und wendet sie. Durch das Einreiben mit der würzigen Mixtur bildet sich eine Kruste, die man später mitessen kann.

käse bagergue vall d'aran

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Aber warum diese ungewöhnliche, quadratische Form? Normalerweise sind Käse eher rund. Doch den Käse aus dem Vall d‘Aran musste man nicht erst aufwendig pressen. Statt mit einer speziellen Käseform brachte man die Laibe mithilfe von Ziegeln in Form. Die kleinen runden Käse machen Toni und Oscar extra für die Touristen. Die kaufen offenbar lieber kleine runde, als große quadratische Käse. Auch wenn das Rezept der Käsemasse eigentlich das gleiche ist, verläuft die Reifung durch die unterschiedliche Form und Größe natürlich anders, was sich auch im Geschmack auswirkt.

In einem anderen Raum lagern die Blauschimmelkäse. Der gehört zwar nicht zu den „traditionellen“ Käsesorten des Tals, verrät Toni uns, aber er schmeckt einfach lecker. Viel sanfter soll er sein und nicht so streng wie ein französischer Roquefort. Ich liebe Blauschimmelkäse und als wir den Blu de Bagergue eine halbe Stunde später bei einer kleinen Verkostung probieren, bin ich total begeistert. Superlecker!

lenguat käse bagergue vall d'aran

Zum Schluss probieren wir dann noch etwas wirklich Besonderes, den Lenguat. In einem hübschen Keramikschälchen steht ein heller unschuldig aussehender Streichkäse. Wie bei einem Dip liegen neben dem Töpfchen Mini-Salzstangen, nur dicker und kürzer. Dieses einfache längliche Gebäck dippe ich also in den Lenguat und erlebe die Überraschung des Tages. Das nenne ich wirklich mal herzhaft. Dieser Käse ist nichts für Weicheier. Wahre Käseliebhaber werden diesen strengen Geschmack sofort lieben, alle anderen sollten lieber die Finger davon lassen. Ich kann gar nicht wieder aufhören von diesem würzigen Käse zu naschen.

Während Toni schmunzelnd erzählt, dass der Lenguat ursprünglich eine Art Resteverwertung war, dippe ich immer wieder und wieder kleine Salzstangen in diese Käsecreme. Da die Leute früher arm waren und man nichts umkommen ließ, sammelte man alte Käsereste und kochte sie in Milch wieder auf. Zum Desinfizieren oder um den Geschmack aufzupeppen, gab man einen ordentlichen Schuss Alkohol in die cremig-milchige Masse mit groben Stückchen drin. Toni verwendet bei der Herstellung des modernen Lenguats seinen hauseigenen fein geriebenen Hartkäse statt alter Käsereste. Und zum Abschmecken nimmt natürlich nur besten Armagnac …

käse bagergue vall d'aran neben Hartkäse und Blu Bagergue gibt es auch einen weißen Weichkäse 

Infos zum Käse im Vall d’Aran

Toni hat mir erzählt, dass er früher sogar mit Jordi Roca gearbeitet hat, ehe er sich entschlossen hat, in sein Heimatdorf zurückzukommen und gemeinsam mit seinem Bruder dem Käse zu widmen. Seit 2006 betreiben die Brüder also neben dem kleinen Restaurant der Familie auch noch diese Käserei. Nicht nur der Käse ist wirklich gut, mir gefällt das ganze Konzept und die Idee, diese alten Rezepte mit moderner Technik und dem Geschick der beiden Feinschmecker, zu neuem Leben zu erwecken. Und an Toni ist wirklich ein Entertainer verloren gegangen.

Hormatges Tarrau
Carrèr dera Hònt, 1
25598 Bagergue, Lleida
Website: www.quesosdelvalledearan.com

pla de beret vall d'aran

 vall d'aran

käse bagergue vall d'aran

Mein Abstecher ins Vall d’Aran fand im Rahmen eines Projekts von Katalonien Tourismus statt. Meine Geschichte erzähle ich hier aber völlig unabhängig davon, denn der Käse ist echt gut und ich habe ordentlich eingekauft 🙂