Wie abgebrochene Zacken einer Krone erheben sich die Mauerreste auf dem kleinen Hügel kurz vor Bolvir, einem kleinen Dorf in den Pyrenäen. Eher durch Zufall sind Michi und ich auf unserer kleinen Reise durch die Cerdanya auf die Überreste dieser alten Siedlung gestoßen.

Im sechsten Jahrhundert lebten die Iberer in kleinen Stammesgemeinschaften im Osten der Halbinsel. Sie teilten denselben Glauben, pflegten dieselben Bräuche und sprachen dieselbe Sprache, aber sie regierten sich mehr oder weniger unabhängig voneinander. Von den Bewohnern dieser Siedlung bei Bolvir, den Ceretaniern, weiß man noch weniger, als über andere Stämme, wie die Illergeten,  die Indigeten oder die Laetanier (dort wo heute Barcelona liegt), die zur gleichen Zeit an der Küste siedelten.

Die Ceretanier waren die einzigen Iberer, die so weit oben in den Pyrenäen lebten. Vermutlich war ihre Sprache auch mit baskischen Elementen durchsetzt, denn Baskisch war in der vorrömischen Zeit die vorherrschende Sprache im gesamten Pyrenäenraum.

espai ceretània bolvir

espai ceretània bolvir

Aus den Schriften von antiken Schreibern wie Plinius dem Älteren oder Plutarch und den Funden, die man hier machte, konnten die Archäologen einiges über das Dorf erfahren. Erst in den 90er Jahren wurde die Ausgrabungsstätte überhaupt erst entdeckt. Seither fördern die Wissenschaftler hier Überreste ganz unterschiedlicher Besiedlungsphasen zu tage. Über den Mauern der Iberer fanden sie auf dem kleinen Hügel nämlich auch Reste einer römischen und einer mittelalterlichen Dorfanlage.

espai ceretània bolvir

Heute weiß man, dass die Ceretanier hier Ackerbau und Viehzucht betrieben. Im Dorf gab es gemeinschaftlich genutzte Getreidesilos, sie produzierten Textilien und verarbeiteten Metall. Mit den benachbarten Stämmen tauschten sie nicht nur Waren und Handwerkstechniken aus. Auch Nachrichten gelangten auf diesem Wege in die Berge. Zum Beispiel von den neuen griechischen Händlern, die sich an der Küste niedergelassen hatten. Doch die Handelsströme der Phönizier und Griechen hatten kaum Einfluss auf das Leben in der Cerdanya. Erst die Ankunft der Römer veränderte das Leben der iberischen Siedlung von Grund auf.

Hannibal zog durch die Pyrenäen

Besonders spannend finde ich, dass der aus Karthago stammende Hannibal mit seinen Elefanten genau hier entlang gezogen ist, um im zweiten Punischen Krieg gegen die Römer zu kämpfen. Seine 50 000 Männer, 9 000 Reiter und über 30 Elefanten müssen mächtig Eindruck auf die Bewohner des Bergdorfes gemacht haben. Diese riesengroßen Tiere mit ihren mächtigen Stoßzähnen, gaben mit ihren langen Rüsseln so laute Geräusche von sich, dass die Pferde erschraken. Hannibal und seine Männer müssen den Iberern unbesiegbar vorgekommen sein. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass viele Männer sich den punischen Truppen anschlossen, um mit ihnen gegen Rom zu ziehen.

Museum espai ceretània bolvir

Doch nachdem die Römer Karthago im zweiten Jahrhundert vor Christus endgültig besiegt hatten, fiel die Iberische Halbinsel, und damit auch die Ceretània, in den Herrschaftsbereich der Römer. Doch die wollten nicht nur Handel treiben, wie die anderen Völker vor ihnen. Sie wollten herrschen, brachten ihre Kultur und ihre Sprache mit. Aus der Gegend des heutigen Narbonne kamen die römischen Soldaten durch das Tal des Tête bis in die Cerdanya. Sie bauten Straßen, wie die Strata Confluenta, und errichteten in Iulia Lybica, dem heutigen Llívia, das Zentrum ihrer Provinz und in römischer Zeit eine bedeutende Stadt.

Irgendwann ging jedoch auch das Römische Reich unter. Die Westgoten brachten das Christentum in die Berge, dann folgten die Mauren. Doch die Zeit der Kalifen hinterließ kaum Spuren in der Cerdanya. Bald wurden sie von den Franken unter Karl dem Großen bis hinter Barcelona zurückgedrängt. Aber auch das mittelalterliche Dorf verschwand. Gras wuchs auf dem Hügel, bis die Archäologen die Ruinen der iberischen Siedlungen wiederentdeckten und 2014 ein Museum einrichteten, das die lange Geschichte des Ortes erzählt.

espai ceretània bolvir

Infos zum Espai Ceretània – Bolvir :

Der Espai Ceretània ist wirklich nett gemacht und es geht angenehm entspannt zu. Man muss nicht Schlange stehen und kann in den Ausstellungsräumen alles ganz in Ruhe ansehen. In der Ausgrabungsstelle auf dem Hügel waren Michi und ich sogar ganz allein, denn bislang finden noch relativ wenige Besucher das ziemlich neue Museum bei Bolvir. Der 10-minutige Film und die meisten Infos sind neben Katalanisch und Spanisch auch auf Englisch und Französisch vorhanden.

Espai Ceretània
Carrer la Corona, 46
17539 Bolvir, Girona

Eintritt:
3 Euro für Erwachsene

Öffnungszeiten:
Im Sommer täglich von 11 Uhr bis 14 Uhr und von 16 bis 19.30 Uhr geöffnet

Mehr Infos auf der Website 

 

Eponia bolvir Vor dem Museum steht eine moderne Statue der Epona, die keltisch-römische Göttin der Pferde und der Fruchtbarkeit.

In der Nähe: 

Puigcerdà mit seinem hübschen See mitten in der Stadt, und Llívia, die spanische Enklave auf französischem Gebiet, liegen ganz in der Nähe. Nur ein paar Kilometer weiter kommst Du nach Gòsol, zum Pedraforca, nach Bagà und in die von Gaudí entworfenen Jardins Artigas.