Vom Coll d‘Estenelles laufen wir Richtung Montcau. Auch la Cova Simanya und La Mola liegen in dieser Richtung. Der Naturpark Sant Llorenç del Munt i Obac ist voller Wanderwege und toller Aussichtspunkte. Wir marschieren im Schatten der Bäume steil bergauf. Nach wenigen Metern lichtet sich der Wald und der Blick fällt auf die Landschaft unter uns. Ausgerechnet heute ist die Sicht allerdings schlecht. Vor lauter Hitze ist es so dunstig, dass der Blick in die Ferne verwehrt bleibt.

geoparc Naturpark Sant llorenc de munt i Obac

Diese Gegend ist nicht nur Naturpark, sondern auch zu einem Geoparc erklärt worden. Die außergewöhnliche Geschichte der Entstehung dieser Landschaft ist hier direkt an der Erdoberfläche zu sehen. Vor Millionen Jahren haben sich hier echte Dramen abgespielt. Natürlich so langsam, dass es keinem aufgefallen ist. Aber wenn wir die Entstehung der Landschaft mitgefilmt hätten und im Zeitraffer ablaufen lassen würden…

Vor vielen Millionen Jahren befand sich vor uns ein Meer. Die gesamte Ebene des Bages ist genau genommen Meeresboden. Nach Westen hin war dieses Urmeer geöffnet, sodass der Atlantik frisches Wasser brachte. Auch die Berge auf denen ich stehe, trugen mit ihren Flüssen und Bächen neben Wasser auch jede Menge Sedimente in die Ebene.

geoparc Naturpark Sant llorenc de munt i Obac

Während sich die Pyrenäen immer weiter aufrichteten, bis sie unser Meer vom Atlantik abtrennten, entstand hinter unserem Rücken das Mittelmeer. Nach Westen hin war die Verbindung zum Ozean unterbrochen. Auch die Flüsse, die einst unser Urmeer gespeist hatten, verstummten, denn durch die Anhebung der Erdplatte floss das Wasser aus den Bergen nun Richtung Osten, in das neu entstandene Mittelmeer. Das einst mächtige Binnenmeer trocknete mit der Zeit immer weiter aus, bis es schließlich ganz verschwand. Zurück blieb nur eine dicke Salzschicht.

Oben auf dem Hügel stehend liegt dieses weite Tal direkt vor mir. Hinter uns liegt der Montserrat, weiter rechts liegt Sant Llorenç und irgendwo dort unten Mura. In der Ferne sind die Gipfel der Pyrenäen zu erkennen, in der Ebene davor ragt Cardona auf einem Hügel aus der Landschaft heraus. Diese großen Mengen salzhaltiger Ablagerungen befanden sich in Cardona durch einen geologischen Zufall so dicht an der Oberfläche, dass Menschen schon sehr früh diese riesigen Vorkommen entdeckten und abbauten. Im Mittelalter war Salz besonders wertvoll und verhalf den Herren der Burg von Cardona zu Macht und Reichtum.

Vom Coll d‘Estenelles geht es auf der anderen Seite nun hinab Richtung Mura. Während der Weg auf den Berg hinauf bewaldet war, säumen nun rundlich abgeschliffene Felsformationen in verschiedenen Rottönen die Straße. Wirklich erstaunlich, dass die fast schon aggressiven Felsenfinger und spitzen Steinnadeln des Montserrat nur wenige Kilometer entfernt liegen. Diese Felsen hier wirken weicher und sanfter, wie dicke, gutmütige Riesen.

Mura Naturpark Sant llorenc de munt i Obac

Nach ziemlich vielen Kurven und tollen Aussichten erreichen wir Mura, einen kleinen Ort, der sich ganz unten in einer Talmulde versteckt. Um die Kirche zu besuchen, müssen wir Treppen hinab und Gassen hinuntersteigen. Ferran, der im Nachbardorf wohnt und mich herumführt, erzählt, dass die Einwohner von Mura besonders stolz auf ihre Kichererbsen seien und dass sie an Weihnachten das ganze Dorf mit cagatiós in allen Größen und Formen schmücken. Es ist nicht weiter erstaunlich, dass dieses niedliche Steindorf mit seinen gut erhaltenen Häusern so viele Besucher anzieht. Talamanca soll ähnlich hübsch sein, hat aber leider wie ich im Vorbeifahren sehen konnte, ein paar unschöne Neubauten am Ortsrand zugelassen.

Mura Naturpark Sant llorenc de munt i Obac

Mura geoparc Naturpark Sant llorenc de munt i Obac

Von Mura aus geht es auf einer einsamen Landstraße, vorbei an einer alten Mühle noch ein Stück weiter zum Puig de la Balma. Direkt in den Fels gehauen, der Landschaft abgetrotzt, hat die Familie sich hier ihre Wohnung unter einem Felsvorsprung eingerichtet. Seit dem 12. Jahrhundert lebt die Familie hier, und bewahrt mittlerweile in der sechsundzwanzigsten Generation den Hof und das Land für ihre Nachkommen.

puig de la balma Mura Naturpark Felsen

puig de la balma Mura Naturpark Felsen

puig de la balma Mura Naturpark Felsen

Ich bin wirklich sprachlos, als der nette alte Herr mich durch den ältesten Teil des Hauses führt, in dem die Familie ein Museum eingerichtet hat. Es sieht aus, als sei nur kurz jemand zur Arbeit auf dem Feld und käme am Abend wieder. Genialerweise vermieten sie sogar ein paar Zimmer – das ist die wohl ungewöhnlichste Zimmervermietung, die ich hier in der Gegend gesehen habe. Einfach perfekt, um das rustikale Katalonien total authentisch zu erleben. Auch das Essen ist rustikal. Mutter kocht mit lokalen Produkten auf die deftige, traditionelle Art. Das bedeutet, es gibt was auf den Tisch kommt. Kein à la carte. Aber es soll mega gut sein – sagt jedenfalls Ferran, der hier schon gegessen hat.

Felsenwohnung im Bages Puig de la balma

Felsenwohnung im Bages Puig de la balma

Die Familie lebt aktuell in dem „neuen“ Anbau aus dem 18. Jahrhundert, zu dem sogar eine eigene Kapelle gehört. Der nette Herr, der uns herumführt, zeigt uns noch etwas Besonderes, eine Kammer, in der sie bis vor ein paar Jahrzehnten noch Wein gemacht haben.

puig de la balma bett

puig de la balma Mura Naturpark Felsen

puig de la balma Mura Naturpark Felsen

Um die Jahrhundertwende wurde in der gesamten Umgebung jeder Zentimeter Land mit Weinreben bepflanzt und Wein produziert. Dazu baute man die tineles, mit Keramik ausgelegten Becken aus Trockenstein. Als die Phylloxera nämlich die Weinstöcke in ganz Europa vernichtet hatte, war allein die Iberische Halbinsel noch von der Plage verschont geblieben. Ganze Landstriche wurden also mit Weinreben übersät, um den Rest der Welt mit Wein zu versorgen. Doch dann kam die Reblaus über die Pyrenäen und zerstörte auch hier den kompletten Anbau. Eine schwere Wirtschaftskrise brach über das Land herein. Viele Menschen gingen fort und versuchten ihr Glück in Übersee. Höfe lagen brach, Bäume und Wälder wuchsen dort, wo vorher die Weinstöcke gestanden hatten. So kann es passieren, dass Du tineles heute sogar mitten im Wald findest.

puig de la balma Mura Naturpark Felsen
puig de la balma Mura Naturpark Felsen
puig de la balma Mura Naturpark Felsen

Info Sant Llorenç del Munt i Obac:

Das Gebiet des Geoparcs erstreckt sich vom Montserrat im Süden bis Cardona im Nordwesen und reicht im Osten bis kurz vor das mittelalterliche Vic. Der Naturpark Sant Llorenç del Munt i l’Obac umfasst hingegen das gesamte Massiv von Matadepera im Süden bis Talamanca im Norden und Sant Llorenç Savall bis el Pont de Vilomara. Im Puig de la Balma werden Zimmer mit Halbpension vermietet. In dieser besonderen „Location“ wurden schon mehrere Filme gedreht, einer davon ist Pa negre.
Puig de la Balma
08278 Mura
Website: https://puigdelabalma.com/en 

puig de la balma Mura Naturpark Felsen

Wanderwege:

Der Camí de la séquia führt entlang eines Kanals, der schon im Mittelalter angelegt wurde, um die Felder zu bewässern und Städte wie Manresa mit Wasser zu versorgen. Eine Karte findest Du hier.

cami de la sequia
la sequia

Der Weg der drei Berge verbindet den Montseny, Sant Llorenç del Munt i l’Obac und den Montserrat miteinander. Ein Ableger des Jakobswegs, der auf Katalanisch Camí de Sant Jaume heißt, führt von hier nach Santiago de Compostela. Im Bages fällt er mit dem Camí Oliba (GR-151) zusammen, der nach dem Abt Oliba benannt wurde. Camí Ignasià ist der Weg, auf dem Ignasi de Loyola, Gründer des Jesuitenordens 1522 aus dem Baskenland nach Manresa kam.

wanderweg manresa