In der Serra Verde haben mir drei Restaurants besonders gut gefallen. Natürlich habe ich jeden Tag irgendwo gegessen und viele verschiedene Lokale ausprobiert, aber diese drei stechen einfach hervor. Nicht nur wegen des guten Essens, sondern vor allem auch wegen der Menschen, die ich dort kennengelernt habe und ihrer Geschichten.
Hausmannskost in der Pousada da Alcobaça
Laura Góes ist ein Original. Die achtzigjährige Dame ist fit wie ein Turnschuh und managt nicht nur die Pousada, ihr Gästehaus, sondern steht im Restaurant auch täglich selbst am Kochtopf. Es gibt Hausmannskost, traditionelle Gerichte aus der Region. Die Zutaten kommen aus dem eigenen großen Garten. Und es wird gegessen, was auf den Tisch kommt. Laura ist kein Freund von überflüssigem Schnickschnack. Hier gibt es ehrliche Küche, und das auch noch biologisch-ökologisch, ohne Pflanzenschutz- oder Düngemittel. Richtig gesund eben. Die Leute lieben Laura dafür! Ihre Pousada ist immer auf Wochen hin ausgebucht und wer einmal hier war, kommt immer wieder.
Früher war Laura eigentlich Schulleiterin in São Paolo. Sie leitete nicht nur ihre eigene Schule, sondern unterrichtete dort auch Mathematik und zog ganz nebenbei noch ihre eigenen acht Kinder groß. Als das Haus der Familie ihres Mannes, in dem ihre Kinder aufgewachsen sind, verkauft werden sollte, musste Laura sich entscheiden: Sie verkaufte die Schule in Sao Paolo und richtete in dem schönen, alten Familiensitz hier in den Bergen, die Pousada da Alcobaça mit Restaurant ein.
Laura und Miriam, die mir die Serra Verde gezeigt hat
Laura spricht fließend Englisch, Französisch und noch ein paar Sprachen mehr, denn sie hat auch irgendwann zwischendurch eine Zeit lang im Ausland gelebt. Mit sechzig Jahren wagte sie dann den Neuanfang und stellte sich mutig hinter die Kochtöpfe ihrers eigenen Restaurants. Mit dem ihr eigenen, liebenswert – burschikosen Charme und viel Selbstbewusstein begann sie einfach zu kochen. Ein totaler Erfolg.
Kartoffeln, Farofa und grünes Gemüse
Während wir Reis, süße Kartoffeln, ein grünes Gemüse, das ich nicht kenne und bei aller Liebe nicht zuordnen kann, löffeln, erzählt mir Miriam eine Geschichte: Vor Jahren einmal ist Laura ein Kuchen, den sie gerade gebacken hatte, etwas verunglückt, während sie in aus der Form nehmen wollte. Der Rand war zerbröselt und sah einfach nicht mehr so schön wie geplant aus. Aber abgesehen vom Aussehen, war der Kuchen noch gut. War ja auch frisch gebacken. Statt ihn wegzuschmeißen, hat Laura also diese zerkrümelte Version mit einer Selbstverständlichkeit serviert, als sei das eine neue Kreation. Irgendwann Wochen später kam dann ein Gast und verlangte genau nach diesem Krümelkuchen, den er hier mal gegessen habe. Dieses besondere Rezept sei einfach zu köstlich gewesen 🙂 Ich muss lachen. Die Geschichte passt zu Laura. Die Leute lieben sie hier wirklich alle. Ich auch.
Als wir schon fast fertig sind und unsere Bäuche der Nichts-geht-mehr-Grenze nähern, bringt Laura mir extra noch eine Schüssel mit Feijão, die sie gerade gekocht hat. Die muss ich ja nun auch noch unbedingt probieren. Es ist wirklich wie bei Muttern. Wunderbar. Zum Nachtisch gibt es dann eine eingelegte Frucht – mit einer Scheibe Käse. Das mit dem Käse zum süßen Dessert sei hier sehr typisch, erklärt sie mir, als ich wohl etwas überrascht über diese Kombination aus der Wäsche gucke. Erstaunlicherweise passt der etwas herbe Käse aber perfekt zu der quietschesüßen Frucht. Es schmeckt wirklich gut zusammen! Schließlich verabschiedet sich Laura von uns. Sie muss noch etwas für morgen vorbereiten, da erwartet sie nämlich hundert Gäste zu einem Essen. Unglaublich diese Frau – ohne Worte.
Bevor wir gehen, schenkt sie mir dann noch ein Kochbuch, das sie selbst geschrieben hat. Im Auto, auf dem Weg zu unserem nächsten Ziel, fange ich gleich an zu lesen. Das Buch ist viel mehr als ein Kochbuch, es ist Lauras Geschichte! Wenn ich mal groß bin, will ich auch wie Laura sein.
Pousada da Alcobaça
Rua Agostinho Goulão, 298 –
25730-050 – Corrêas –
Petrópolis, RJ
Website: www.pousadadaalcobaca.com.br
Fusion Küche mit Strauß im Barão Gastronomia
Alessandro Vieira empfängt uns mit einem strahlenden Lächeln. Noch bevor ich ihn sehe, höre ich ihn schon von drinnen „Willkommen“ rufen. Dann steht er auch schon in der Tür. Ein fröhlicher Sonnenschein. Miriam, die mich in Petropólis begleitet, ist eine langjährige Freundin Alessandros. Auch mich begrüßt er so herzlich, als würden wir uns schon ewig kennen.
Als ich über die Schwelle seines Restaurants trete, erwartet mich ein sehr gemütlich und geschmackvoll eingerichteter kleiner Saal. An der Wand hängt ein großes Foto vom Chefkoch. Fotogen ist er auch noch! Bevor wir Platz nehmen, machen wir gleich noch ein paar Bilder mehr, für Twitter, Instagram und so. Alessandro spielt gern mit der Kamera und ist auf allen Social Media Kanälen vertreten. Dann wird es ernst. Die wunderschöne Küche ist offen. So eine hätte ich auch gern. Ich kann zusehen, wie Alessandro brutzelt und brät. Er wirbelt in der Küche umher, rührt hier und zaubert dort. Der erste Gang wird angerichtet. Zuerst der Salat. In liebevoller Feinarbeit findet jedes einzelne Blatt auf dem Teller seinen Platz.
Während er so werkelt und tut, erzählt Alessandro von seinen Reisen und wo er überall schon gekocht hat. Überhaupt scheint Alessandro auch heute noch viel außer Haus zu kochen. Zuletzt hat er an Silvester irgendwo ein riesiges Buffet für mehrere Hundert Euro pro Person auf die Beine gestellt. Hut ab.
Dann ist der Salat fertig und der Chef persönlich bringt den ersten Gang an unseren Tisch. Am Tellerrand sind verschiedene Salze platziert, mit Kräutern, rosa oder aus dem Himalaja. Alessandro erklärt jedes einzelne Salz, sodass wir selbst entscheiden können, welches Blatt Salat wir mit welchem und wie viel Salz kosten möchten.
Der zweite Gang besteht aus verschiedenen Pürees unterschiedlicher Kartoffeln. Ein Püree ist mit Thymian und ein anderes mit Trüffel gewürzt. Besonders das mit Trüffelöl ist köstlich. Zum Teller ablecken! Dazu gibt es Fleisch, und zwar vom Strauß. Berühmt geworden ist Alessandro nämlich mit seinen Straußengerichten. Vor ein paar Jahren noch machte er alles aus Strauß, Pâté, Carpaccio und was ihm gerade so einfiel. Strauß ist eindeutig seine Spezialität. Heute gibt es für uns die Version „Strauß, kurz angebraten“. Ich bin ja kein großer Fleischesser und habe so etwas noch nie probiert, aber ich will es unbedingt kosten. Es schmeckt überraschenderweise gar nicht so langweilig, wie Fleisch für mich sonst oft schmeckt, wenn ich es mal esse. Nicht schlecht! Der zweite Gang ist so üppig, dass ich unmöglich alles schaffen kann. Das Trüffelpüree hat es mir echt angetan und wird bis auf den letzten Krümel weggeputzt.
Natürlich serviert uns Alessandro auch noch ein Dessert. Er zaubert ein Sorbet mit Honigtrüffelsoße und türkischer Schokolade. Die hat er neulich aus der Türkei mitgebracht, wo er auf einer großen Hochzeit gekocht hat.
Barão Gastronomia
Estrada União e Indústria, 13.581
Itaipava – Petrópolis – RJ
Website: www.baraogastronomia.com.br
Kosmopolites Teresópolis: Viva Italia
Während sich vor ein paar Jahrhunderten in Petrópolis vor allem deutsche Einwanderer niederließen, hat sich in Teresópolis ein buntes Völkergemisch angesiedelt. Italiener, Japaner, Deutsche, Schweizer, Libanesen, Franzosen, Portugiesen, etc. Wie mir Ariadna, die mir ihre Stadt zeigt, erklärt, hat man genau deswegen ein gastronomisches Festival ins Leben gerufen, um diesen unterschiedlichen kulturellen Wurzeln hier Rechnung zu tragen. Die Restaurants stellen dabei jeweils ein ganz spezielles Gericht vor, ähnlich wie beim „tapa tapa“ in Sitges.
Eines der Restaurants mit „ethnischer Küche“ ist das Viva Italia. Die italienische Küche spielt in Teresópolis nämlich eine besondere Rolle, denn Kaiserin Teresa, nach der die Stadt benannt worden ist, stammte ursprünglich aus Neapel und hat die kulinarischen Leckerbissen ihrer Heimat mit nach Brasilien gebracht.
Das Viva Italia ist erst ein Jahr alt, hat aber ein ganz besonderes Konzept: Ein kleiner Innenhof erinnert an eine italienische Piazza. Um diesen kleinen Platz herum gruppieren sich ein Laden, in dem man italienische Spezialitäten, natürlich hausgemacht, kaufen kann, eine Gelataria und das italienische Restaurant. In der Gelateria kann ich durch ein Glasfenster dem Maestro Gelato bei der Arbeit zusehen. Und dabei entdecke ich sofort die Eismaschine aus der Gelato Universität in Bologna! Genial! Einem echten Gelato kann ich einfach nie widerstehen. Also probiere ich gleich drei Sorten: griechischer Joghurt, Kokosnuss und Gioaba, eine brasilianische Frucht. Das Eis schmeckt hammergut. Njami!
Im Restaurant laufen alle Kellner und Kellnerinnen in Kostümen herum, die an die Kleidung im Neapel vergangener Jahrhunderte erinnern soll. Niedlich. Zum Mittagessen kann man à la carte bestellen oder sich vom großen Buffet bedienen. Miriam und ich füllen unsere Teller mit Salaten und Pasta vom Buffet und suchen uns einen freien Tisch. Während wir noch Mozzarella und Fettuchine genießen, spielt plötzlich jemand ganz in meiner Nähe Violine. Es ist Thiago, unser Kellner! Er spielt richtig gut! Ich bin voll überrascht und lasse Messer und Gabel einen Moment liegen, um ihm zuzuhören. Nachdem er ein paar Stücke gespielt hat, kommt er an unseren Tisch und fragt, ob wir noch etwas wünschen. Ja! Ich will wissen, wieso er so gut spielt, ob er Musiker ist und ob das normal ist, dass die Kellner hier auch noch ganz nebenbei die Gäste akustisch unterhalten.
Thiago erzählt uns freundlich lächelnd von seiner Liebe zur Musik, wie lange er schon Violine spielt und von einem Gast, der nur seinetwegen hierher kam, immer ein Glas Wein trank und ihm still und andächtig zuhörte, bis er eines Tages verschwand. Und ja, alle Kellner hier haben ein musikalisches Talent. Abends singen sie sogar im Chor für die Gäste! Das hätte ich ja auch gern gehört, aber bis zum Abend bleibt leider keine Zeit mehr. Ich mag Thiago und wie er spielt. Eine super Idee, die mich echt überrascht hat.
Cantina Ê Vero – Viva Italia
Av. Oliveira Botelho, 617,
Teresópolis
Rio de Janeiro 25960-004
Website: www.vivaitaliatere.com.br
Hinweis: Vielen Dank an TurisRio und besonders an Miriam und May-Lin und Adriana, die mich in Petrópolis und Teresópolis begleitet haben. Der Flug nach Rio wurde von Condor unterstützt. Die hier dargestellte Meinung ist davon unberührt und spiegelt ausschließlich meine eigene Ansicht wider.
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