Von Lleida aus geht es mit dem AVE in Richtung Westen weiter. Ich fahre nach Zaragoza, in die Hauptstadt Aragóns, eine jahrtausendealte, sehr lebendige und spannende Stadt. Schon bei meinem ersten Besuch in der Stadt war ich begeistert von so viel Geschichte, die hier an allen Ecken zum Greifen nah ist. Aus den verschiedenen Kulturen, die sich hier niedergelassen haben, ist im Laufe der Zeit ein buntes, historisches und kulturelles Erbe erwachsen. Majestätisch und prachtvoll, aber auch aufgeweckt und quicklebendig, ist diese Stadt eine schier unerschöpfliche Überraschungskiste.

Virgen del Pilar Zaragoza

 

Caesaraugusta

Die Römer tauften die Siedlung, die sie an dieser Stelle errichteten, Caesaraugusta. Aus ihrer Zeit sind die Reste eines römischen Theaters, des Forums, der Thermen und Teile der Stadtmauer erhalten. Als die Mauren im 8. Jahrhundert die Iberische Halbinsel eroberten, ließen auch sie sich am Ufer des Ebros nieder und benannten die Stadt, die in der kurzen westgotischen Phase Cesaracosta hieß, in Saraqusta um. Unter der maurischen Herrschaft entwickelte sich die Taifa Saraqusta zu einem der bedeutendsten Reiche in al-Ándaluz.

caesaraugusta zaragoza

roemisches theater zaragoza

Aljafería

Unglaublich beeindruckend ist der Palacio de Aljafería, die von Kalif Al-Muqtádir als Sommerpalast gebaute Festung im Westen der Altstadt. Ich liebe die feine, maurische Architektur mit ihren Hufeisenbögen, filigranen floralen Ornamenten, bunten Kacheln und schlanken Säulen. Maurische Paläste sind immer grün, voller Orangenbäume, die im Frühjahr duften, und von zahlreichen Quellen, Brunnen und kleinen Wasserkanälen durchzogen.

aljaferia zaragoza     aljaferia Zaragoza

Wenn ich mir das Leben vorstelle, das in der maurischen Epoche diese Säle bevölkerte, dann höre ich als Erstes das Geräusch plätschernden Wassers. Die Menschen stelle ich mir in langen weißen  Gewänder vor, Geschäftsleute und Diener, die sich um den Kalifen versammelten. Lebten eigentlich auch Frauen in diesem Palast? Sicher gab es aber viele bunte Stoffe auf Kissen, Hockern und Bänken.

Aljaferia Zaragoza

Aljaferia Zaragoza
Aljaferia Zaragoza

Viel zu schnell ist mein Besuch in diesem Teil der Vergangenheit vorbei und nicht zum ersten Mal wünschte ich mir, einen Tag lang in der Zeit reisen zu können. Natürlich bleiben solche Träume besser genau das, nur Träume, denn im echten Leben waren die frühen Epochen sicher unbequem und gefährlich und so gar nicht malerisch. Aber trotzdem…

Aljaferia Zaragoza

In der oberen Etage des Palastes befinden sich übrigens die Säle der Katholischen Könige, die ihre Räume über die maurische Architektur gesetzt haben. In dem modernen Anbau tagt der Landtag, das Parlament Aragóns.

Kathedrale La Seo

Zurück im Zentrum Zaragozas muss ich natürlich auch den beiden Kathedralen einen Besuch abstatten, die nur wenige Meter voneinander entfernt liegen. Als König Alfonso I von Pamplona die maurische Stadt im Jahre 1018 eroberte, lebten hier rund 25.000 Menschen. Von dem riesigen römischen Forum, das einst drei Fußballfelder groß gewesen sein muss, ist da schon nicht mehr viel erhalten, denn die maurische Mezquita wurde einfach über den Resten der römischen Bauten erreichtet. Als Alfonso die Stadt einimmt, bleibt er nicht lange. Da er noch andere Städte zu erobern hat, zieht er weiter. Es ist keine Zeit, für die nun in Saraqusta angesiedelten Christen eine Kirche zu bauen. Stattdessen funktioniert man einen Teil der Mezquita einfach zur christlichen Kirche um, während der andere Teil weiterhin dem muslimischen Kult gewidmet bleibt.

zaragoza La Seo catedral saragoza

La Seo Zaragoza

 La Seo Zaragoza mudejar architektur

Eine Weile gelingt das Zusammenleben der beiden Religionen relativ gut. Die Stadt wächst und gedeiht. Im 12. und 15. Jahrhundert veranlassen die Bischöfe (später Erzbischöfe) weitreichende, prestigeträchtige Umbauten. Während ein Teil des Minaretts bis heute im barocken Glockenturm erhalten geblieben ist und man an den Außenwänden die filigranen Dekorationen des Mudejarstils bewundern kann, ist im Kirchenschiff vom ursprünglich romanischen Bau nicht mehr viel zu erkennen. Beeindruckend sind die hohen Säulen mit den gotischen Bögen unter der Decke, sobald man die Catedral del Salvador betritt.

La Seo Zaragoza arte mudejar

La Seo Zaragoza

Der gotische Altar aus Alabaster entstand in zwei Etappen: Zunächst fertigte der aus Tarragona stammende Bildhauer Pere Johan die Konstruktion des Altars aus Alabaster an, schnitzte die Figuren des zentralen Teils jedoch aus Holz. Rund zwanzig Jahre später beauftragte der Bischof den aus Schwäbisch Gmünd stammenden Hans Peter Danzer, die Holzfiguren durch eine neue Darstellung aus dem wertvolleren Material Alabaster zu ersetzen. Neben den Darstellungen des Christus Salvador bleibt die Epiphanie, also die Ankunft der Heiligen Drei Könige, das zentrale Thema des Altars. Im unteren Teil sind die Reliquien einiger Bischöfe aufbewahrt. Ein für mich ungewohnter Anblick ist die aufragende Hand ein paar Zentimeter vor dem Altar, in der offenbar ebenfalls eine Reliquie aufbewahrt wird.

La Seo Zaragoza altarRetablo: rechts und links Cristo Salvador, Mitte: Darstellung der Epifania, Heilige Drei Könige

La Seo Zaragoza reliquie

In der Mitte des gotischen Altars wurde im 15. Jahrhundert ein Óculo expositor eingesetzt, ein kreisrundes Fenster, hinter dem sich das Ziborium mit den geweihten Hostien befand. Auch wenn das heute etwas befremdlich klingt, für die Gläubigen des Mittelalters wurden die geweihten Oblaten durch die Segnung zum Leib Christi. Sie sehen zu dürfen, muss für die Menschen des Mittelalters wirklich beeindruckend gewesen sein.

Einer der einflussreichsten Erzbischöfe der Stadt war Don Hernando de Aragón, durch seine Verwandtschaft mit König Fernando dem Katholischen, auch Vizekönig von Aragón. Als einer der wenigen, wirklich frommen Bischöfe seiner Zeit, verwaltete er sein Amt nicht nur, sondern veranlasste den Ausbau der Kathedrale auf die heutigen Ausmaße. Seine Grabstätte in einer Kapelle der Kathedrale ist aus reinem Alabaster errichtet. Sein Herz wurde ursprünglich in einer einsamen Kartause beigesetzt, nach dem Gesetz zur Enteignung kirchlichen Güter in Spanien, der Desamortisación Mitte des 19. Jahrhunderts, brachte man das Herz jedoch hierher in die Begräbniskapelle des Erzbischofs.

La Seo Zaragoza don hernando kapelle

Don Hernando de Aragón

Eine andere Begräbniskapelle ist die des wohlhabenden Bänkers und zum Christentum konvertierten Gabriel Zaporta. Da Zaporta einer der reichsten Männer der Stadt und Privatbänker des spanischen Königs Carlos I (den man in Deutschland als römisch-deutschen Kaiser Karl V kennt) war, durfte er sich in der Kathedrale beisetzen lassen. Um den Bischof nicht zu verärgern, durfte seine Kapelle jedoch nicht prächtiger sein als die des Kirchenmannes. Daher protzt der reiche Bänker nicht mit Alabaster, sondern schmückt seine letzte Ruhestätte mit bunten Kacheln, einem Sockele aus schwarzem Marmor. Die restlichen Dekorationen sind aus bescheidenen Baumaterialien, die so bemalt wurden, dass sie teuren Marmor nur imitieren.

Die letzte Kapelle, die Sara, meine immer strahlende Stadtführerin, mir zeigt, sieht eher wie eine Baustelle aus. Die Bilder an den Wänden kann ich kaum erkennen. Dass die Kapelle so schwarz sei liege daran, so Sara, dass es eine Zeit gab, in der die Kirchenherren beschlossen hatten, dass kein natürliches Licht in der Kathedrale fallen solle (warum auch immer man so etwas entscheidet) und die Fenster verdeckt wurde. Nur Öllampen erhellten das dunkle Kirchenschiff und die Kerzen und Lampen schwärzten die Wände. Zum Glück gibt es heute wieder natürliches und dazu elektrisches Licht. Genau in dieser noch zu restaurierenden Kapelle befand sich früher wohl ein ausgeklügelter Mechanismus, den man derzeit wieder herzustellen versucht. Denn zur Semana Santa soll eine der zahlreichen Prozessionen in dieser Kapelle beginnen und die Osterwoche einläuten.

La Seo Zaragoza

Basílica La Virgen del Pilar

Jedes Jahr am 12. Oktober ist ganz Aragón menschenleer. Die Menschen aus den Dörfern und Städten pilgern an diesem Tag nach Zaragoza, um Blumen zu Füßen einer kleinen Marienstatue abzulegen, die sich auf einem gigantischen, über und über mit Blumen besteckten Gerüst erhebt. Die Virgen del Pilar, Unsere Liebe Frau auf dem Pfeiler, ist die Schutzheilige Zaragozas. Ihr ist die zweite Kathedrale der Stadt, die beeindruckende Basilika mit den blau und bunt leuchtenden Kuppeln gewidmet.

Virgen del Pilar Zaragoza

Der Legende nach soll der Jakob der Ältere, Santiago de Zebedo, nach dem Santiago de Compostela und der Camino de Santiago benannt sind, hier am Ufer des Ebro die Muttergottes getroffen haben. Das Besondere daran ist, dass Maria höchstpersönlich, nicht etwa als Erscheinung, am 2. Jannuar des Jahres 40 hierher kam. Mit der Säule in der Hand soll sie den Apostel gebeten haben, eine Kirche füur sie zu bauen. Das war der Anfang der heute so prächtigen Basilika. Von dem ersten, ursprünglichen kleinen Tempel ist nichts mehr erhalten geblieben. Zahlreiche Umbauten und Erweiterungen folgten und sind zum Teil noch erhalten, bis im Laufe der vielen Jahrhunderte der imposante Barockbau entstand. Auch eine erste romanische Statue der Muttergottes auf dem Pfeiler verschwand bei einem Brand 1443. Die zweite, bis heute verehrte Statue, stammt aus dem 15. Jahrhundert.

Virgen del Pilar ZaragozaLa Virgen del Pilar, Unsere liebe Frau auf dem Pfeiler

Der Architekt Venturo Rodríguez wurde im 18. Jahrhundert mit dem Umbau der Kathedrale beauftragt. Dabei machte er nicht die Marienstatue in einem eigenen Tempel zum Zentrum des prachtvollen  Gotteshauses, er kam auch auf Idee, das Tuch, das ursprünglich den Kopf der Maria bedeckte, unter die Statue zu hängen, sodass mehr von der kleinen Marienfigur zu erkennen ist. Seither ist nun die Säule, auf der die nur 35 cm hohe Virgen steht, hinter einem Tuch, dem Maton, und einer metallenen Umhüllung verborgen. Auf der Rückseite dieses Tempels im Tempel befindet sich jedoch ein kleines Loch in der Wand, durch das man den verehrten Stein sehen und berühren kann. Ein Schild weist darauf hin, dass man hier beten und den Stein küssen darf. Wissenschaftliche Untersuchung sollen ergeben haben, dass der Jaspis tatsächlich aus dem ersten Jahrhundert nach Christus stammt und in der Gegend von Tarragona abgebaut wurde.

Virgen del Pilar Zaragoza

virgen del pilar Zaragoza

Gerade als ich mit Sara, meiner Stadtführerin, dem Heiligtum nähere, beginnt der „Pase de los Niños por el Manto de la Virgen„. Ein offenbar für die Menschen hier sehr emotionaler und wichtiger Brauch, bei dem die Muttergottes um den Schutz der Neugeborenen gebeten wird. Auf dem Arm der Mutter oder des Vaters wird noch ein Erinnerungsfoto mit der Marienstatue geschossen, dann ist der Pase auch schon wieder beendet und das nächste Baby ist an der Reihe.

La Virgen del Pilar ist nicht nur die Schutzheilige Zaragozas, sondern ganz Spaniens. Da Kolumbus am 12. Oktober 1492 Amerika entdeckt hat, verehrt man an diesem Tag einerseits Unsere Liebe Frau, begeht aber auch den spanischen Nationalfeiertag “Dia de la Hispanidad”. Neben zahlreichen Fahnen lateinamerikanischer Länder, die die Kathedrale schmücken, entdecke ich zwei Bomben. Ich sehe zweimal hin und frage schließlich doch Sara. Es sind tatsächlich zwei Blindgänger, die 1936 auf die Kathedrale abgeworfen wurden, aber aus unbekannten Gründen nie explodierten. Unter der Decke zeigt Sara die beiden Einschusslöcher, die von unten gut zu sehen sind (jedenfalls wenn man weiß, wo man hingucken muss). Das Dach wurde natürlich längst repariert, aber im Kirchenschiff ließ man die klaffenden Öffnungen bestehen.

Goya in der Virgen del Pilar Zaragoza

Das Wandbild, das seither mit diesem Loch leben muss, malte übrigens kein anderer als Francisco de Goya. Der noch junge Maler wurde 1771 mit dem Bild über dem Coreto beauftragt. Von seinem späteren Genie ist in dieser frühen Auftragsarbeit noch nicht viel zu erkennen. Doch es gibt eine weitere Stelle, die Goya in dieser Kathedrale zehn Jahre später gestaltete. 1780, zu einer Zeit, in der sich  der Künstler schon einen gewissen Ruf erworben hatte, bemalte er eine der Kuppeln im Kirchenschiff.

Noch während Goya an dem geplanten Deckengemälde arbeitete, soll ein Priester das Gerüst unter der Kuppel betreten haben, um sich vom Fortschritt der Arbeiten zu überzeugen. Der gute Mann war von Goyas ungewohnter, recht spezieller Technik entsetzt. Außer undefinierbaren Farbflecken konnte er nichts erkennen. Da halfen auch die Beteuerungen des Künstlers nicht, dass man von unten später alles wunderbar erkennen können würde. Man glaubte Goya nicht, es kam zum Streit. In aller Eile beendete der Maler die Arbeiten in Zaragoza und überließ die geplante Gestaltung einer weiteren Kuppel einem anderen Künstler.

Goya in der Virgen del Pilar Zaragoza

In der Mitte des Marienaltars wurde auch hier ein Óculo expositor eingesetzt. Nach dem Óculo in La Seo, wo zum ersten Mal ein solches Fenster eingerichtet wurde, ist dieses das zweite seiner Art in  Aragón. Diese Fenster sind offenbar eine aragonesische Besonderheit.

Virgen del Pilar Zaragoza

In Zaragoza gibt es so viel zu sehen, dass es morgen in einem anderen Artikel mit Pablo Gargallo, Zaha Hadid, Schokolade und leckeren Restaurants weitergeht.

Anreise mit der Bahn:

Mehrmals täglich verkehren AVE Züge zwischen Barcelona und Zaragoza. Rund eine Stunde und 40 Minuten dauert es, bis man von Sants aus den Bahnhof Delicias erreicht. Ich bin überzeugte Bahnfahrerin und totaler Fan der spanischen Züge. Auch wenn dieser Artikel im Rahmen einer Pressereise entstanden ist, kann ich eine Städtetour mit dem AVE aus vollster Überzeugung und nach vielen guten Erfahrungen einfach nur weiterempfehlen: avexperience.es

Virgen del Pilar Zaragoza

Der Basilika Virgen del Pilar kann man übrigens auch aufs Dach steigen. Auf der zum Ebro gelegenen Seite führt ein Fahrstuhl in einem der Türme hinauf. Eintritt 5 Euro.
Info zum Mirador Torre Virgen del Pilar: catedraldezaragoza.es

Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Pressereise.