Weit hinten kann ich das Meer sehen. Blau schimmert es in der Abendsonne vor sich hin. Ein bisschen fühle ich mich, wie der Glöckner von Notre Dame, hier oben auf dem Dach der Kathedrale. Unter mir führen die mittelalterlichen Gassen Barcelonas durch ein Gewirr aus steinernen alten Gebäuden. Ein paar Tauben gurren auf einer Mauer, ansonsten ist es echt still hier oben. Die letzten Strahlen der Sonne, die gerade hinter dem Montjuïc untergeht, streifen die Schornsteine und Dächer der Stadt. Es ist wirklich schön hier oben. Doch dann ruckelt der alte Aufzug und eine Gruppe Touristen gesellt sich zu mir auf die Terrasse. Während die drei Kinder einer indisch aussehenden Familie neugierig und mit großen Augen loslaufen, stellen sich zwei junge Asiatinnen gleich vor dem Glockenturm für ein Foto in Pose. Vorbei ist es mit der Ruhe. Ich steige in den Fahrstuhl.

blick-auf-meer-dach-kathedrale-barcelona-freibeuter-reisen

dach-der-kathedrale-barcelona-freibeuter-reisen

turm-kathedrale-barcelona-freibeuter-reisen

An der gegenüberliegenden Seite der Kapelle dels Sants Innocents, wo sich der Aufzug versteckt, befinden sich zwei Grabplatten an der Wand der Kathedrale. Es ist die letzte Ruhestätte des Grafen von Barcelona und seiner Frau: Ramon Berenguer I und Almodis die Schöne. Die beiden verband eine leidenschaftliche Beziehung, für die sie sogar gegen die mächtige Ermessenda von Carcassonne und den Papst kämpften. Der Graf von Barcelona hatte seine dritte Frau nämlich aus Frankreich entführt, als diese noch mit dem Adeligen Ponce de Tolosa verheiratet war. Doch das Paar blieb trotz der widrigen Umstände zusammen. Almodis gebar Ramon Berenguer I vier Kinder, die Zwillinge Ramon Berenguer II und Berenguer Ramon II sowie zwei Töchter.

Doch Pere Ramon, Erbe des Titels und ältester Sohn aus der ersten Ehedes Grafen von Barcelona, verstand sich überhaupt nicht mit der schönen Stiefmutter. Eifersüchtig auf die Zwillinge, brachte der junge Mann Almodis in einem hitzigen Streit um. Pere Ramon wurde verstossen und so erbten die Zwillinge den Titel und die Ländereien des Grafen von Barcelona.

sepulcro-raimon-berenguer-und-almodis-graf-von-barcelona-kathedrale-freibeuter-reisen

in-der-kathedrale-barcelona-freibeuter-reisen

Die Heilige Eulalia und die Gänse:

Die Kathedrale der Heiligen Eulalia ist eine besondere Kirche. Sie ist vor allem wegen der vielen Gänse bekannt, die sich in ihrem Innenhof herumtreiben. Rund um einen malerischen Brunnen schnattern dort nämlich genau dreizehn weiße Federviecher zur Freude der Touristen. Die Gänse werden im Kreuzgang der Kirche gehalten, weil die Kathedrale der Heiligen Eulalia gewidmet ist. Der Legende nach war Eulalia eine Gänsehirtin, die mit nur dreizehn Jahren als Märtyrerin starb. Die weißen Gänse stehen daher als Symbole für die Unschuld und Reinheit (weiß für die Unschuld, und die Zahl dreizehn für das Alter Eulalias). Im Zentrum der Kathedrale befindet sich die Krypta der Heiligen Eulalia, eine der ersten Schutzheiligen Barcelonas. Eine Treppe führt hinab zu einem kleinen Altar. Angeblich soll die Heilige Eulalia dreizehn Mal in einem mit Nägeln beschlagenen Fass die später nach ihr benannte Gasse, die Baixada de Santa Eulalia, hinter der Kathedrale hinuntergerollt worden sein. Eine kleine Statue erinnert dort in einer Ecke verborgen an diese Legende.

gewoelbe-kathedrale-barcelona-freibeuter-reisen  kathedrale-barcelona-eulalia-freibeuter-reisen
Da das junge Mädchen gut mit Tieren umgehen konnte, erinnern noch heute die dreizehn Gänse an die Heilige Eulalia. Das weiße Gefieder der Tiere soll an die Unschuld der Märtyrerin erinnern und die Zahl dreizehn entspreche dem Alter Eulalias, so sagt man hier in Barcelona.

claustro-kreuzgang-kathedrale-barcelona-gaense-freibeuter-reisen

kathedrale-barcelona-gans-freibeuter-reisen

kathedrale-barcelona-gaense-freibeuter-reisen

Vom Kirchenschiff gehe ich also ins Claustre, den Kreuzgang, in dem mich das schnatternde Federvieh bereits lautstark begrüßt. Rund um einen malerischen Brunnen watscheln die dreizehn Gänse dort herum, picken hier und da etwas vom Boden auf oder nehmen ein kleines Bad, sehr zur Freude der Touristen.

Der Teil der Altstadt um die Kathedrale herum hat sich seit dem Mittelalter sehr verändert. Auch wenn der Stadtteil Barrio Gótico (barri gòtic) heißt, gotisch ist hier nicht mehr viel. Ein großer Teil des Viertels wurde dem Erdboden gleichgemacht, um die Via Laietana zu bauen, eine breite Ausfallstraße, die von der Plaça Urquinaona hinunter zum Hafen führt. “El barri perdut”, das verlorene Viertel, das es längst nicht mehr gibt, bestand aus dunklen, engen Gassen und wirklich alten Häusern. Selbst die gotische Kathedrale ist einer kosmetischen Schönheitsoperation unterzogen wurden:

Die gotische Catedral Santa Creu und Santa Eulalia, wurden im dreizehnten Jahrhundert und fünfzehnten Jahrhundert auf den Grundmauern einer noch älteren romanischen Kirche errichtet. Die mit vielen Details geschmückte und verschnörkelte Fassade ist jedoch neogotisch und wurde erst im achtzehnten Jahrhundert errichtet. Der mittlere Turm wurde sogar erst Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts fertiggestellt.

la-seu-kathedrale-barcelona-eintritt-freibeuter-reisen

kerzen-kathedrale-barcelona-freibeuter-reisen

Eine kleine Überraschung findest Du übrigens direkt neben der Eingangspforte. Zwischen all den Figuren der Heiligen und Engel versteckt sich eine kleine Meerjungfrau! Wer genau hinsieht, kann auf der gegenüberliegenen Seite des Portals auch noch einen sich schlängelnden Drachen erkennen. 

meerjungfrau-kathedrale

Infos zur Kathedrale in Barcelona:

Leider verwechseln manche Touristen oft die Kathedrale mit der Sagrada Familia oder einer der anderen Kirchen in Barcelona. Es gibt ja auch noch die Santa Maria del Mar, die Kirche an der Plaça del Pi und ein paar andere Kirchen. Die Kathedrale heißt mit offiziellem Namen La Catedral de la Santa Creu i Santa Eulàlia.

Catedral Barcelona
Pla de la Seu,
08002 Barcelona
Website:  www.catedralbcn.org

platz-vor-der-kathedrale-barcelona-freibeuter-reisen

Kathedrale Barcelona Eintritt: 

Normalerweise kostet der Eintritt in die Kathedrale 7 Euro, die man – laut Website der Kirche – spendet. Mit dem Ticket hat man dann freien Zugang auf die Terrasse und in das kleine Museum. Zwischen 8 und 12 Uhr sowie ab 18 Uhr ist der Eintritt jedoch frei und kostet gar nichts. Auf die Terrasse kommt man allerdings nur mit Eintrittskarte.

Fotografieren ist übrigens erlaubt.

 

gurrende-tauben-kathedrale-barcelona-freibeuter-reisen blick-auf-montjuic-von-dach-der-kathedrale-barcelona-freibeuter-reisen  gaense-im-kreuzgang-der-kathedrale-barcelona-freibeuter-reisen
aus-der-altstadt-blick-auf-kathedrale-barcelona-freibeuter-reisen

Im Archiv der Kathedrale

Durch die Zusammenarbeit der Casa Adret mit dem Archiv der Kathedrale von Barcelona gibt es seit 2022 in dem prachtvollen Gotteshaus etwas ganz Besonderes zu sehen: Bei mehrere Jahre andauernden Forschungen stieß man auf alte Pergamente, die das alltägliche Leben der jüdischen Bewohner des mittelalterlichen Barcelonas dokumentieren. Damals wurden ganz unterschiedliche Dokumente, von Hochzeits- und Sterbeurkunden bis hin zu Kaufverträgen, in der Kirche ausgestellt und archiviert. Wer an einer Führung durch das Archiv teilnimmt, kann in den Gewölben der Kathedrale einen Blick auf diese besonderen Funde werfen.

Archiv Kathedrale Barcelona

Normalerweise ist das Betreten des Ganges oberhalb des Kirchenschiffs gar nicht möglich. Doch wer das Glück hat vom Triforium aus einen Blick auf die Bänke und Altar unten zu werfen, wird diesen Anblick so schnell nicht vergessen. Ähnlich wie auf dem Dachboden eines alten Schlosses wird hier die Geschichte der Kathedrale lebendig. Riesige uralte Bücher, wackelige Kerzenständer und kaputte Statuen wurden hier abgestellt.

kathedrale Barcelona

Archivo Kathedrale Memoria jueva

Das Archiv selbst, wirkt fast wie ein überdimensionaler Schrank. Handgeschriebene Dokumente ruhen in Fächern und Schubladen. In einer Vitrine sind die Dokumente zur jüdischen Geschichte ausgestellt.  Mehr über das jüdische Leben im mittelalterlichen Barcelona findest Du hier: https://www.freibeuter-reisen.org/el-call-das-juedische-viertel-barcelonas/ 

Archiv Kathedrale Barcelona

Archiv Kathedrale Barcelona

Besondere Feiertage:

Der 12. Februar ist der Tag der Heiligen Eulalia. Ganz Barcelona feiert dann mit Gegants und Capgrossos, mit Menschenpyramiden und traditionellen Tänzen die Schutzpatronin. Normalerweise öffnen an diesem Feiertag viele Museen kostenlos ihre Türen. Aktuelle Tipps findest Du hier: www.barcelonalemany.com.

Am 3. Mai wird vom Dach der Kathedrale aus die Stadt gesegnet. Diese „Benedicció del terme“ findet aus Anlass der Feierlichkeiten des Heiligen Kreuzes statt, denn neben Eulalia ist die Kathedrale auch La Santa Creu gewidmet.

Ende Mai/ Anfang Juni wird Corpus Christi mit einer feierlichen Prozession begangen. In Barcelona gehört zu den bekanntesten Bräuchen des Fronleichnams „L’ou com balla“, ein tanzendes Ei. Seit 1636 läßt man an diesem Tag ein Ei auf dem Wasserstrahl des Brunnens im Innenhof der Kathedrale tanzen.

Am 13. Dezember ist der Tag der Santa Llúcia. Ihr zu Ehren findet der Weihnachtsmarkt, la Fira de Santa Llúcia, auf dem Platz vor der Kathdrale statt.

Jedes Jahr wird in der Nacht des Weihnachtstages in der Kathedrale ein besonderes Konzert aufgeführt: El Cant de la Sibil·la. Die Geschichte einer heidnischen Frau, die mit einem weißen Schwert in der Hand den Weltuntergang ankündigt.

Sardanas: An (fast) jedem normalen Sonntag findet auf dem Platz vor der Kirche eine Ballada de Sardanas statt. Kleine und große, alte und junge Menschen, Einheimische und Besucher treffen sich, um gemeinsam zu tanzen. Für Katalanen ist die Sardana ein Teil ihrer Kultur. Die Menschen fühlen sich mit diesem Tanz so verbunden, dass ihre Herzen höher schlagen, sobald die ersten Takte der Sardana Musik erklingen. Fremde fassen sich spontan bei der Hand und bilden einen Kreis. Auch wenn es nicht schwierig aussieht, ist es gar nicht so leicht, eine Sardana richtig zu tanzen, denn man muss die verschiedenen Takte, der mal längeren, mal kürzeren „Passos“ bescherrschen. In der Regel wird jeder, der freundlich bittet, in einen Tanzkreis aufgenommen und darf mitmachen.