Ganz in der Nähe von Sevilla liegt Los Alcores, eine kleine Region, die gerade mal vier kleine Dörfer umfasst. Mairena del Alcor ist eines von ihnen. Dort ist es, wie überall in Andalusien, stets schön warm, dank der Höhenlage (nicht viel, aber ein paar Meter helfen da schon), fallen die Temperaturen in den Wintermonaten hier jedoch auch schon mal auf 10 bis 12 Grad Celsius. Für den Anbau von Orangen ist das sehr wichtig, denn Orangen brauchen Kälte, damit sich ihre grüne Schale orange färbt.

Orangen Sevilla

Iim Gegensatz zu dem, was uns im Supermarkt oft vorgegaukelt wird, hat die Farbe der Frucht absolut gar nichts mit ihrer Reife zu tun. Eine grüne Orange kann durchaus reif und süß sein, ihr fehlen nur ein paar Tage Kälte. Wenn ökologisch angebaute Früchte grün verkauft werden, weil sie keinem künstlichen Verfärbungsprozess unterzogen wurden, heißt das nicht, dass sie sauerer sein müssen als die Früchte, die makellos orange in den Obstregalen leuchten!

orangen Spanien winter

Ich bin schwer beeindruckt, was José Manuel alles über Zitrusfrüchte weiß. Er führt mich über die Plantage, auf der seine Familie seit vielen Jahren verschiedene Sorten Orangen, Zitronen, Mandarinen und vor allen Dingen Bitterorangen anbaut. Alles rein ökologisch und biodynamisch, darauf legen sie großen Wert. Jetzt im November ist Erntezeit. Nicht für alle Sorten, die hier wachsen, aber für einige. Es ist unglaublich, wie schon allein die Blätter mancher Pflanzen duften. Wenn im Frühjahr die Zeit der Orangenblüte naht, verwandelt sich hier alles in ein weißes Blütenmeer. Das muss unglaublich duften!

Orangenblüte

Die Mauren waren es, die die Bitterorangen schon im 11. Jahrhundert in diese Gefilde brachten. Ihre prachtvollen Paläste, von denen noch Teile des Alcázar in Sevilla, die Mezquita in Córdoba oder die Alhambra in Granada erhalten geblieben sind, schmückten sie nicht nur mit plätscherndem Wasser, sondern mit grünen und duftenden Pflanzen. Dazu zählte neben den zarten Blüten des Jasmin eben auch die Bitterorange, deren Frucht zwar als ungenießbar galt, aber deren Blüte so betörende Aromen verströmte, dass sie immer schon zur Herstellung wohlriechender Öle und Tinkturen benutzt wurde.

Orangebaum Sevilla

José Manuel stellt mir bei unserem Spaziergang durch die Anlage viele Zitrusfrüchte mit lateinischem Vor- und Nachnamen vor, und erklärt ihre besonderen Eigenschaften. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass es so viele unterschiedliche Sorten Mandarinen, Clementinen und Orangen gibt! Die süßen Orangen, die übrigens erst im 15. Jahrhundert nach Europa gelangten, sind genau genommen nur sehr entfernt mit der Bitterorange, die man in Deutschland auch Pomeranze oder Sevilla Orange nennt, verwandt. Beide haben gemeinsame Vorfahren im fernen Asien.

Die Hand Buddhas

Ganz gefesselt folge ich seinen Ausführungen und betrachte aufmerksam die vielen Variationen der Orangen, gestreifte Tigerzitronen, Kakaozitronen und die wunderbar bizarr geformte Buddhas Hand, eine Zitronenart, die zwar wenig Saft und Fruchtfleisch hat, aber sich prima zum Kochen eignen soll. Am meisten beeindrucken mich die kleinen Zitronen, deren Fruchtfleisch nicht in Spelten, sondern in kleinen Kügelchen wächst. Winzige, zart rötliche Kugeln, die wie Kaviar aussehen, quellen aus der aufgeschnittenen Frucht.

 

Hand Buddhas Zitrone

Varianten Zitronen

Tigerzitronen

Kaviarzitronen

Kaviarzitronen

Spaniens Hauptanbaugebiet für süße Orangen ist Valencia. Hier in der Nähe von Sevilla hat man sich auf die bitteren Cousins, die Pomeranzen spezialisiert. Natürlich weiß José Manuel auch alles über diese Früchte, von denen man jahrhundertelang nur ihren Duft zu schätzen wusste. Angeblich soll die Frau eines schottischen Kaufmanns, der versehentlich Pomeranzen statt süßer Orangen gekauft hatte, aus der Not heraus die englische Orangenmarmelade erfunden haben, indem sie die ungenießbaren Früchte so lange mit viel Zucker einkochte, bis man sie essen konnte. Falls du dich also immer schon gefragt hast, warum die berühmte Orangenmarmelade in England so bitter ist, dann weißt du es jetzt: Sie wird aus Bitterorangen kochen, darum!

Zitrusfrüchte

José Manuel ist wirklich Feuer und Flamme für seine Früchte. Er zeigt mir die besonderen Leitern und Jacken, die man früher zur Ernte der Orangen brauchte und präsentiert mir sogar ein paar besondere Bäume: Einer ist über 100 Jahre alt, ein anderer sieben Meter hoch! In einem kleinen Wintergarten schlängeln sich lange, dünne Kakteen. Das ist quasi die Kindergartenabteilung der Drachenfrüchte. Die Erntezeit dieser pinkroten Frucht ist zwar gerade vorbei, aber hier wächst schon die nächste Generation. Ursprünglich stammen die Drachenfrüchte, die heute vorwiegend aus Vietnam und China nach Europa kommen, gar nicht aus Asien, sondern aus Paraguay. Dort nennt man die Kaktusfrucht Pitaya.

Pitayas gibt es, wie Orangen, in unterschiedlichen Sorten. Sie können innen rot oder weiß sein und manche haben sogar eine gelbe statt der typisch roten Schale. Aufwendig sei allerdings die Bestäubung der Pflanzen, so José Manuel, denn in Paraguay wird das von Fledermäusen erledigt. Da die Drachenfrucht sich nicht selbst bestäuben kann, muss hier alles von Hand mit dem Pinsel erledigt werden. Zum Abschied schenkt er mir ein paar Orangen und einen Babykaktus. Die Orangen habe ich längst verschlungen, aber der Kaktus steht nun bei mir im Fenster und wenn er eines Tages blühen sollte, muss ich mir überlegen, ob ich einen zweiten Kaktus dazustelle, damit die beiden irgendwann vielleicht Früchte tragen können.

 

Informationen rund um die Orange:

Wenn du öfter hier im Blog vorbeischaust, weißt du bestimmt, dass es mir wichtig ist, möglichst nachhaltig unterwegs zu sein. Ich bin nach wie vor fest davon überzeugt, dass es gut ist, zu reisen, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen und seinen Horizont ein wenig zu erweitern. Wichtig ist nur, wie wir reisen, und was wir darunter verstehen. Für mich gehört unbedingt dazu, regionale Produkte kennenzulernen. Sie prägen die Landschaft, die Küche und meist auch die Kultur einer Region.

Die Plantage, die ich besucht habe, nennt sich Gospa Citrus. Dort werden neben Führungen mit Verkostung auch Workshops zum Thema Orangen angeboten. Angebaut wird hier nach rein ökologischen und biodynamischen Prinzipien.

bittere Orange Sevilla Gospa

Gospa (Büro, Verpackung und Versand)
Calle Herreros, 52
41510 Mairena del Alcor / Sevilla
Website Gospacitrus

Rezept Bitterorangemarmelade:

Circa 1 kg Orangen heiß abspülen und schälen. Die orangefarbene Haut (ohne das Weiße) wird in feine Streifen geschnitten. Die Frucht selbst schneidest du in Spelten (ebenfalls möglichst ohne Weiß). Mit etwas Wasser und 1 kg Zucker lässt du alles aufkochen und etwa eine Stunde kochen. Die heiße klebrige Masse wird vorsichtig in saubere Gläser gefüllt, mit einem Schraubdeckel verschlossen und auf den Kopf gestellt (so kannst du sichergehen, dass das Glas luftdicht verschlossen ist). Sobald die Marmelade am nächsten Tag erkaltet ist, kannst du sie richtig herum stehend monatelang aufbewahren. Bei uns hält sie leider nie lange und ist immer schon aufgegessen, bevor der Winter vorbei ist.

Tipp: Schmeckt auch mit süßen Orangen hervorragend.

Info: Da Zitrusfrüchte viel Pektin enthalten, brauchst du nicht unbedingt Gelierzucker, normaler Zucker funktioniert bei Orangen auch. Wenn du die Zuckermenge reduzierst, kann es sein, dass die Marmelade weniger gut geliert und flüssiger wird.