Mehr oder weniger dort, wo ich gerade stehe, lag vor vielen Jahrhunderten die Insel Maians. Heute erstreckt sich vor dem Palau de Mar das Viertel Barceloneta. Vor mir schaukeln kleine Yachten im Hafenbecken. Weiter hinten schwimmen die großen Luxusschiffe der Leute, die wirklich Geld haben. Ganz klein im Hintergrund kann ich den alten Uhrenturm erkennen. Der heute so winzig scheinende Turm mit der großen Uhr war früher mal ein Leuchtturm und zeigte den Schiffen den Weg in den Hafen von Barcelona. Nur wenige Zentimeter weiter rechts ragt die Torre Jaume I wie ein kleiner Eiffelturm in den Himmel. Dort schwingen sich die Seilbahnen anmutig vom Montjuïc hinab zur Barceloneta, wo sie an der Torre San Sebastià landen werden.
Ganz oben auf der Terrasse, im vierten Stock des Palau de Mar, ist es meist echt ruhig und ich kann ganz allein meinen Blick über den Hafen schweifen lassen. In den Stockwerken unter mir befindet sich das Museum der Geschichte Kataloniens.
Frühzeit:
Bis zur Ankunft der römischen Eroberer lebten die Iberer weitgehend friedlich in losen Stammesgruppen auf der ganzen Halbinsel. Von ihren Holzhütten ist jedoch nur wenig erhalten geblieben. Als die Griechen die spanische Küste entdeckten, errichteten sie in Empúries an der Costa Brava eine Siedlung. Erst danach kamen die Römer in diese Gegend. Statt gemeinsam mit den Iberern und Griechen zu leben, rissen sie die Herrschaft im gesamten Siedlungsgebiet an sich.
Nach den Römern kamen andere Eroberer, zunächst die Visigothen und für kurze Zeit auch die Mauren. Die Kalifen von Córdoba beherrschten viele Jahrhunderte lang die Iberische Halbinsel. Zu Zeiten der größten Ausdehnung drangen die Mauren sogar bis nach Südfrankreich vor. Doch von dort wurden die Eroberer rasch wieder hinter die Pyrenäen zurückgedrängt. Karl der Große höchstpersönlich richtete eine Schutzzone ein, die das christliche Abendland vor den Mauren schützen sollte, die Spanische Mark. Die für diese Gegend verantwortlichen Vasallen des Frankenkönigs bauten ein dichtes Netz aus Wachtürmen, Burgen und Klöstern.
Katalonien entsteht:
Der aus Carcassonne stammende Guifré el Pilós, Winfried der Haarige, war einer dieser Vasallen. Er zog immer wieder gegen die Mauer in die Schlacht und bewachte diese Schutzmauer Europas. Doch Guifré betrieb auch eine aktive Besiedlungspolitik der Gebiete südlich der Pyrenäen. Mit Ackerland und kleinen Höfen wurden die Menschen aus den sicheren Bergen der Pyrenäen, in die sie sich vor den Mauren geflüchtet hatten, wieder hinunter in die Ebenen gelockt. Die Errichtung von Dörfern diente natürlich in erster Linie der Verteidigung des Grenzgebiets. Schließlich lag es ja auch im Interesse der kleinen Bauern ihre Äcker, ihren Grund und Boden, zu verteidigen.
Ritter mit Wappen – im MHC (vermutlich Béarn*, Südfrankreich, nahe Pau)
Guifré und die Legende der Flagge Kataloniens
Diese kluge Strategie funktionierte prima. Guifré el Pilós gilt heute als Urvater der Katalanen. Er vereinigte die Grafschaften der Mark zu einem Herrschaftsbereich und löste sie schon bald von den Franken. Unter seinen Nachkommen wuchsen die Grafschaften weiter zusammen, Katalonien verfestigte sich mehr und mehr zu einem wohlhabenden und mächtigen Reich. Ein paar Jahrhunderte später vereinigten sich Katalonien und das Königreich Aragón. als gekrönte Häupter regierten die Grafen von Barcelona von nun an sehr erfolgreich beide Reiche. Jaume I eroberte weite Teile des Mittelmeers und erhielt den Beinamen „der Eroberer“.
Grafen von Barcelona: Ramon Berenguer I und die schöne Almodis de la Marca
Das Ende der Seemacht im Mittelmeer:
Unter der Regentschaft der Grafen von Barcelona entwickelte sich Katalonien also zu einer bedeutenden Seemacht. Aber wie das so ist, im Laufe der Geschichte, nichts dauert ewig. Irgendwann wurden die Königreiche Kastilien und Aragón durch Heirat vereinigt – damit war auch Katalonien ein Teil des kastilischen Reichs geworden. Es folgten zahllose Schlachten und Kriege, die das Land ausbluteten. Eine dunkle Zeit, die ihren traurigen Höhepunkt im Spanischen Erbfolgekrieg fand, der 1714 mit der Belagerung Barcelonas und der Zerstörung der Stadt endete. Die Katalanen verloren an diesem Tage die letzten Reste ihrer Eigenständigkeit und Selbstbestimmung. Die stolzen Bürger, Handwerker und Händler mussten sich dem absolutistischen König in Madrid unterwerfen. Vorbei war es mit der Mitbestimmung in Regierungsangelegenheiten. Noch heute wird jedes Jahr am 11. September an die Gefallenen dieser Niederlage gedacht. „La Diada“ ist ein nationaler Gedenktag, der höchste Feiertag der Katalanen.
El Call – das jüdische Viertel in Barcelona
Els Segadors
Neuzeit:
Als im neunzehnten Jahrhundert endlich die verhasste Stadtmauer fiel und das aus allen Nähten platzende Barcelona schließlich aus den mittelalterlichen Mauern herauswachsen durfte, hatten sich die Stadtväter für einen recht konservativen Stadterweiterungsplan (katal. Eixample) von Rovira i Trias entschieden. Doch Madrid hatte das letzte Wort und lehnte den Plan, der die Ausschreibung gewonnen hatte, einfach ab. Vermutlich eher um die Regierenden in Barcelona zu ärgern, als aus sozialistischem Wohlmeinen heraus, gab man dem Entwurf des Utopisten Ildefons Cerdà den Zuschlag. Zu der Gruppe Utopisten, die sich zu dieser Zeit in Barcelona regen Zulaufs erfreute, gehörte neben Ildefons Cerdà auch Narcis Monturiol, der Erfinder des U-Boots. Die Ikarier träumten von einer besseren Gesellschaft, in der die Menschen in Gleichheit und Frieden leben konnten. Auch wenn die Umsetzung der Utopie in der Realität gescheitert ist, prägt Cerdàs Plan der Eixample bis heute unverwechselbar das Gesicht Barcelonas.
Entwurf Rovira i Trias – wurde von Madrid abgelehnt
Blick auf die Eixample Barcelona
Barcelona war zur Zeit der Jahrhundertwende eine soziale Zeitbombe. Die Reichen wurden immer reicher, die Armen immer ärmer. Bald explodierten Bomben, Kirchen wurden zerstört. Mit dem Anbruch der Industriellen Revolution waren immer mehr Arbeiter in die Städte geströmt. Die Menschen in Barcelona lebten unter miserablen Wohnbedingungen, die Arbeit war gefährlich und schlecht bezahlt. Im Juli 1909 kam es zu einer Reihe tragischer Ereignisse, an die man sich bis heute als Setmana Tràgica erinnert. Mit militärischer Gewalt wurde der Revolte ein blutiges Ende gesetzt.
La setmana tràgica – die tragische Woche
Eine Rückbesinnung auf katalanische Kultur, auf Bräuche und Traditionen setzte ein. Wandervereine pilgerten in die Berge, auf den Spuren der katalanischen Geschichte, alte Klöster und Kirchen wurden restauriert und die Architekten begannen, das glorreiche Mittelalter, die Blütezeit der katalanischen Herrschaft und des Seehandels, wieder aufleben zu lassen. Der Modernisme war mehr als nur die katalanische Ausprägung des Jugendstils. Für die Katalanen spielte der Modernisme über den reinen architektonischen Stil hinaus, auch eine wichtige soziale und politische Rolle bei der Suche nach ihrer kulturellen Identität. Einer der glühendsten Verfechter der katalanischen Kultur zur Jahrhundertwende war übrigens Antoni Gaudí.
Als sich Deutschland und Frankreich im Ersten Weltkrieg erbitterte Schlachten lieferten, tummelten sich in Barcelona derweil die Dealer, Spione, Agenten und andere Geschäftemacher. Hier blühte der Handel, während die europäische Wirtschaft weitgehend brach lag. Ungefähr in dieser Zeit schließen sich die Regionen Barcelona, Girona, Lleida und Tarragona zur Mancomunitat de Catalunya zusammen. Eine reine Verwaltungseinheit, ohne weitergehende Machtbefugnisse, aber von hohem symbolischen Wert für die Katalanen. Während der Diktatur unter Primo de Rivera zwischen 1923 und 1930 wurde die Verwendung katalanischer Fahnen und sogar der Gebrauch der katalanischen Sprache im öffentlichen Raum strikt verboten. Erst in der zweiten spanischen Republik (1931-36) gewährte man den Katalanen die Wiedererrichtung einer zunächst provisorischen, autonomen Regionalregierung, der Generalitat.
Diktatur unter Franco:
1933 putschte General Franco die demokratisch gewählte Regierung der zweiten Republik. Bis 1936 dauerte der grausame Spanische Bürgerkrieg, dann hatte Franco in blutigen Kämpfen die Macht im ganzen Land an sich gerissen. Wer gegen die Faschisten und für die Republik gekämpft hatte, wurde nach dem Sieg der Falange verfolgt und getötet. Alle politischen Gegner waren tot oder vertrieben. Lange nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, als Hitler und Mussolini bereits tot waren, herrschte der spanische Diktator gnadenlos und unbarmherzig noch Jahrzehnte lang unbehelligt weiter. Erst 1975 starb er im Alter von 83 Jahren und machte endlich den langen und beschwerlichen Weg in die Demokratie frei.
Salvador Puig Antich – Hinrichtung 1974
Barcelona als Metropole am Mittelmeer:
Mit den Olympischen Spielen 1992 kam der letzte große Einschnitt in die Stadtplanung. Der Hafen wurde renoviert, die Strandpromenade und Straßen wurden neu gebaut, die Viertel der Altstadt wurden restauriert und herausgeputzt. Für Barcelona waren die Spiele ein großer Schritt auf die Bühne der Welt. Roy Liechtenstein entwarf el Cap de Barcelona, das neue, moderne Gesicht Barcelonas. Die bis dahin fast vergessene kleine Stadt vor den Pyrenäen, entwickelte sich von da an zu einer der angesagtesten Metropolen Europas.
El Cap de Barcelona – Roy Liechtenstein – Head of Barcelona
Barcelona ist heute eine angesagte Metropole (Ferran Adrià – Koch El Bulli)
Infos Museum katalanische Geschichte
MHC – Museu d’Historia de Catalunya (Museum der Geschichte Kataloniens)
Palau de Mar
Plaça de Pau Vila, 3
08003 Barcelona
Website www.mhcat.cat
Anfahrt: Metro L4 gelb Barceloneta
Eintritt: 6,50 Euro für permanente und temporäre Ausstellung zusammen
römisches Barcino (blau gemalt) zwischen den Ramblas und der Via Laetana (gelb bemalte Straßen)
mittelalterliche Stadtmauern Barcelonas
(*) sieht aus wie das Wappen von Béarn, nahe Pau. Dort spricht man übrigens Biarnés, eine Sprache die mit dem Gascon, einem Dialekt des Okzitanischen verwandt ist)
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