Heute möchte ich Dich auf eine kleine Reise durch Spanien mitnehmen und Dir ein paar Orte zeigen, die Du vermutlich noch nicht kennst. Denn die meisten Menschen, konzentrieren sich bei ihren Reisen nach Spanien nämlich auf die Inseln, die Küsten und die großen Städten. Doch Spanien hat rund 506 000 km² Fläche und nur rund 47 Millionen Einwohner. Zum Vergleich: Deutschland hat 83 Millionen und eine Fläche von rund 358 000 km². Du kannst Dir vorstellen, wieviel Platz im Inneren der Iberischen Halbinsel zum entdecken bleibt! Auf dem Berlin Travel Festival habe ich im November deshalb ein paar der weniger bekannten Ecken vorgestellt.

Auf dem Travel Festival 2022 in Berlin habe ich über die folgenden Orte in Spanien gesprochen, die ich Dir ganz kurz vorstellen möchte.

Berlin Travel Festival

1. Alcarràs / Aitona (Katalonien)

Viele Millionen zarter Blütenblätter tauchen die Landschaft in der Ebene von Lleida in ein buntes Farbenmeer. Einmal im Jahr ist die Welt hier oben rosarot. Für ein paar Tage dreht sich dann zwischen Aitona und Alcarràs alles nur um den Pfirsich. Von Fuchsia bis Pink leuchten die Blüten an den Bäumen dann in den schönsten Pastelltönen um die Wette. Die junge Filmemacherin Carla Simón hat die unspektakuläre und doch fantastische Welt der Pfirsichbauern in einen Spielfilm verpackt. Sehr einfühlsam und authentisch zeigt sie den Alltag im Leben einer Familie die von dem Fruchtanbau lebt. Der Film Alcarràs erhielt auf der Berlinale 2022 sogar den Goldenen Bären.

fruehling Pfirsich Bluete Aitona

2. Congost de Mont-rebei (Katalonien)

Atemberaubend ragen hohe Felsen zu beiden Seiten der Schlucht von Mont-rebei steil in den Himmel, Gänsegeier und Steinadler kreisen in den Lüften, während unten auf dem türkisblauen Wasser leuchtend bunte Kajaks lautlos zwischen den steinernen Wänden hindurchgleiten. Die spektakuläre Schlucht liegt genau auf der Grenze zwischen Katalonien und Aragón. In 500 Metern Höhe führt ein enger, schmaler Weg an den Felsen entlang. Kein Geländer schützt hier vor einem Sturz in die Tiefe, lediglich ein dünner Draht gibt den Wanderern an besonders engen Stellen etwas Halt. Der Weg durch den Congost de Mont-rebei sieht zwar komplizierter aus, als er in Wirklichkeit ist, aber schwindelfrei sein sollte man schon.

congost de mont-rebei wandern felsen schlucht

3. Ruta Jubierre (Aragón)

An vielen Stellen sind noch kleine Pfützen zu sehen, überall krabbeln Tausendfüßler, kleine Insekten fliegen durch die Luft. Der Regen hat Leben in diese wüstenartige Landschaft gebracht. Verlassen liegt die Ermita de San Miguel am Wegesrand. Ursprünglich soll es um die kleine Kirche herum ein Dorf namens Etxea Berri gegeben haben. Der baskische Name bedeutet „neues Haus“, im aragonesischen Dialekt wurde daraus Chubierre und im Spanischen schließlich Jubierre. Doch die Siedlung, wenn es sie denn gegeben hat, ist längst verschwunden.

Von dort aus machen wir uns zu Fuß auf den Weg durch die Monegros, einen trockenen, wüstenartiger Landstrich im Osten Aragóns. Inmitten der Einöde erheben sich immer wieder Tozales, hohe Felsen, die spitz aus dem Boden ragen. Von diesen Tozales gibt es auf der Ruta ziemlich viele. Die Bezeichnung stammt aus dem arab, Sprachraum und meint etwas wie „hochgelegenen, bedeutsamen Ort“. Weniger poetisch könnte man sagen ein Berggipfel aber das wird diesen aufragenden Steinriesen irgendwie nicht gerecht.

Ruta Jubierre Wandern spanien Aragon

4. Bardenas Reales (Navarra)

Es sieht aus wie auf dem Mond, nur schöner. Bardenas Reales heißt diese Wüste im Norden Spaniens, kurz vor den Pyrenäen. Mal kriechen skurrile Felsformationen aus Lehm und Kalk wie klebriger Brei über den Boden, dann wieder klaffen tiefe Abgründe schroff in der Erde und bilden beeindruckende Schluchten. Bis vor ein paar Jahrzehnten lebten noch Schäfer in dieser Beinahe-Wüste. Ihre Hütten sind verfallen oder werden von Schafen bewohnt, die noch immer auf den spärlich bewachsenen Böden grasen. Doch die wenigen Menschen, die einst hier lebten, sind längst in die in die Dörfer der Umgebung gezogen. Heute kommt die unglaubliche Landschaft der Bardenas Reales als Kulisse in Filmen wie The Councelor, Serien wie Game of Thrones oder Musikvideos wie Stardust von Lena Meyer-Landrut vor.

Bardenas Reales Navarra bardena blanca spanien

 

5.  Arribes del Duero (Castilla y León)

Ganz im Westen Spaniens, kurz vor der portugiesischen Grenze, erstreckt sich der Naturpark Arribes del Duero. Viele Millionen Jahre hat das Wasser gebraucht, um die tiefen Schluchten zu graben, die heute die Landschaft des Naturparks prägen. Der Duero ist einer der längsten Flüsse der Iberischen Halbinsel. Er durchquert Zamora, verläuft als Grenze zwischen Spanien und Portugal und mündet schließlich bei Porto ins Meer.

Eine junge Generation Winzer erfindet hier den traditionellen Weinanbau neu. José und Liliana haben viele Erfahrungen im Weinanbau gesammelt, ehe sie in das Dorf der Großeltern an den Ufern des Duero zogen, um sich in das Abenteuer einer eigenen Bodega zu stürzen. Sie beschlossen ein Experiment zu wagen und neue Weine nach einer alten Methode zu produzieren. Jahrhundertelang hatten die Familien hier ihren Wein nur für den Eigenbedarf angebaut. Rote und weiße Sorten wuchsen nebeneinander und wurden ganz nach persönlichen Geschmack zu einem individuellen Hauswein komponiert. Nach diesem Prinzip gelingt es den jungen Winzern mit den alten Weinstöcken ganz neue, eigene Weine zu komponieren, wie es sie nirgendwo sonst gibt.

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6. Mogarraz, Sierra de Francia

Bewaldete Berge und Hügel erstrecken sich in der Sierra de Francia so weit das Auge reicht. Nach der Vertreibung der Mauren ließen sich neue Siedler aus der Bourgogne in der Gegend nieder, die ihre Handwerkstechniken und ihre Architektur aus der alten Heimat mitbrachten.

In dem Dörfchen Mogarraz blicken unzählige, von harter Arbeit gezeichnete Gesichter mal grimmig, mal scheu lächelnd von den Häuserwänden. Es begann 1967 als aufgrund der neu eingeführten Ausweispflicht 388 Personen auf einen Schlag die dafür notwendigen Bilder bei einem einheimischen Fotografen in Auftrag gaben. Als diese Fotos Jahrzehnte später in die Hände des Malers Florencio Maillo fielen, nutzte er sie als Vorlage für eine ungewöhnliche Gemälde-Serie: 2012 zierten eie ersten Portraits die Fassaden der alten Häuser, seither trudeln immer neue Aufträge bei Florencio ein und Mogarraz wurde als das Dorf der 1000 Gesichter berühmt, zumindest in Spanien.

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7. Barruecos (Extremadura)

Viel Ruhe, wenig Menschen und viel Natur, das ist die Landschaft der dünn besiedelten Extremadura. Endlos ziehen sich die Haine der Stein- und Korkeichen durch die Region. Diese Dehesas sind das zu Hause der Stiere und Schweine. Auf den riesigen Weideflächen der Extremadura ernähren sich die schwarzen cerdos ibericos, die wegen ihres wohlschmeckenden Schinkens in ganz Spanien bekannt sind, ausschließlich von grünem Gras und Eicheln, den bellotas.

Jahrhundertelang war die einfachste und direkteste Verbindung zwischen dem Norden und dem Süden der Iberischen Halbinsel eine schon von Römern, Pilgern und Hirten genutzte Route, die vorweigend durch Täler und an Flussläufen entlang führte. Die Mauren nannten diese Straße, die damals schon Siedlungen wie Mérida, Cáceres, Salamanca und Zamora verband, „al balat“, den gepflasterter Weg, woraus im Laufe der Zeit „de la plata“ wurde. Mit den Transporten der Silbervorkommen aus den Minen der neu entdeckten Welt hatte die Via de la Plata also nichts zu tun.

In der Extremadura gibt es außer dem römischen Merida und der Altstadt von Cáceres mit seiner maurischen Aljibe, auch Naturparks zu bewundern. Zum Beispiel die Barruecos, nahe dem Dörfchen Malpartida gelegen. Grüne Wiesen, blauer Himmel und gelb leuchtender Ginster. Was für Farben! Schwere Granitbrocken liegen wie hingewürfelt in der grünen Landschaft. Dazwischen Bäche, Teiche und kleine Stauseen. Störche nisten auf allem, was sie finden können: Antennenmasten, Bäume, Kräne, Hausdächer und Kirchtürme. Nichts ist vor ihrem Nestbautrieb sicher. Überall klappern sie, hoch oben, dicht an dicht hockend.

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8. Desierto Tabernas (Andalusien)

Staub wirbelt durch die Luft. Zwischen den alten Holzhäusern fegt der Wind den Sand vor sich her. Es ist fast Mittag und die Sonne brennt schon vom Himmel herab. Die Holzplanken der alten Veranda knarren, und plötzlich kommen in der Ferne drei Reiter in Sicht. Es sind nicht Yul Brynner oder Charles Bronson, sondern junge Spanier, die in dieser Westernstadt inmitten der Wüste ihre Brötchen damit verdienen, vor Besuchern Cowboy zu spielen. Nicht nur die Westernstadt, auch die Wüste selbst, dienten Filmen wei Conan der Barbar, Lawrence of Arabia oder Indiana Jones als Kulisse, vor der die Regisseure ihre Geschichten erzählten.
In einem abgelegeneren Teil des Desierto de Tabernas bietet Cristina Jeep-Touren an, bei denen sie die bizarren und wunderlichen Felsformationen dieser von Wind und Wetter zerfurchte Ödland erklärt. Die Tabernas sind das trockenste Gebiet ganz Europas. Es regnet so gut wie nie. Dass dennoch einige wenige Gräser sprießen, verdankt die Landschaft einem unterirdischen Wasserlaufen, denn der in den nahen Bergen gefallene Regen sucht sich unterhalb der Wüste einen Weg zum Meer.

wueste almeria desierto tabernas

9. Cortijo del Fraile (Andalusien)

Längst lebt hier niemand mehr, nur die Größe der Gebäude erinnert daran, dass dieser Gutshof einmal voller blühendem Leben gewesen sein muss. Vielleicht stand hier ein Esel im Stall und Ziegen auf der kargen Wiese, Wäsche flatterte im Wind. Doch die Bewohner sind längst fortgezogen, der Hof verfallen. Der Cortijo del Fraile hinter dem Dorf Albaricoques ist einer der schönsten Lost Places im Cabo de Gata. Wenn man den Leuten aus der Gegend glauben schenken darf, hat sich hier ein echtes Drama abgespielt. Der Gutsbesitzer des Cortijos wollte seine Tochter zwangsverheiraten. Sie liebte einen anderen und wollte mit ihm fliehen. Die Geschichte ging nicht gut aus, das Ende war dramatisch. Der große spanische Dichter Federico Garcia Lorca hat (nach einer Zeitungsmeldung) über den Vorfall eine bewegende Erzählung geschrieben: Bodas de Sangre. Bluthochzeit. Sergio Leone hat das verlassene Gehöft so beeindruckt, dass er hier „The Good the Bad and the Ugly“ mit Clint Eastwood gedreht hat.

Cortijo del fraile cabo de gata

10. Morella, Maestrazgo (Valencia)

Aus der Ferne sieht Morella aus wie eine riesige Torte, eine Stadt auf dem Berg, deren krönender Höhepunkt die Überreste der alten Festung sind. Immer höher geht es hinauf durch alte Pforten und an dicken Mauern vorbei bis zum Fuße einer steilen Steintreppe. Erst wer auch diese Stufen erklommen hat, verdient sich die unglaubliche Aussicht von der Burg über die Ebene. Morella ist so etwas wie die Hauptstadt des Maestrazgos auf valencianischer Seite, einer historischen Region, die sich zwischen Valencia und Aragón erstreckt und ihren Namen den Großmeistern des Tempelritterordens (Grans Maestres) verdankt. Hohe Berge trennen die kleinen Ortschaften im dünn besiedelten Maestrazgo. Doch es sind nicht nur die wenigen mittelalterlichen Dörfer, sondern vor allem die Naturlandschaften, die die Gegend besonders machen.

Morella Maestrazgo Valencia