Essen macht nicht nur Spaß, Essen ist auch ein Teil der Kultur. Was wir essen und wie wir essen, macht unsere Geschichte aus und prägt unsere Gesellschaft. Bei einer kleinen Reise durch die Kochtöpfe kannst Du eine Region also viel besser kennenlernen, als wenn Du nur die jeweils schönsten Sehenswürdigkeiten besuchst. Ich jedenfalls bin felsenfest davon überzeugt, dass ich die Menschen besser verstehen lerne, wenn ich esse, was sie essen und mit ihnen rede. Also begleite ich Marc heute auf eine Food Tour durch Girona.
Unser erster Weg führt auf den Mercat de Lleò, vor dem ein großer Löwe auf einer hohen Säule thront. Der Markt wird nicht wie die Boqueria in Barcelona von Touristengruppen belagert. Auf dem Markt in Girona treffen sich die Einheimischen, um hier frische Produkte wie Fleisch, Fisch, Obst oder Gemüse zu kaufen, statt in den Supermarkt zu gehen. An einem der Fleischstände stellt Marc mir Joan vor.
Joan verkauft schon in der dritten Generation Fleisch- und Wurstwaren hier auf dem Markt. Hier darf ich eine ganz besondere Spezialität probieren: botifarra dolça, süße Wurst. Die normale Botifarra ist salzig, wird gebraten und meist mit weißen Bohnen gegessen. Die süße Botifarra ist im Rohzustand wie die Salzige, nur statt in der Pfanne gebrutzelt zu werden, kommt sie mit süßem Wein in den Kochtopf. Dann wird sie mit Zimt und Zucker, etwas Zitrone und Apfelstückchen gegart.
„Am besten schmeckt die süße Wurst auf einer frisch getoasteten Scheibe Brot“ schwärmt Joan. „Und wenn man dann noch etwas von dem Sud, der eingedickten Soße, in der die Wurst gekocht wurde, darüber träufelt – lecker!“ Ich bin echt überrascht, denn von dieser süßen Wurst habe ich in Barcelona noch nie etwas gehört. Es ist eben eine echte lokale Spezialität, die die Leute in Girona wirklich oft und gerne essen.
Doch Marc zieht es bereits weiter zum nächsten Marktstand. Bei David gibt es Käse. David erzählt, dass er in seinem kleinen Laden nur regionale Produkte, die so unbehandelt wie nur irgend möglich sind, verkauft. Die meisten Hersteller kennt er sogar persönlich, denn seine Waren kommen fast alle aus der direkten Umgebung Gironas. Der Käse, den er mir zum Probieren reicht, ist köstlich – muss er ja auch, denn schließlich servieren sie den auch in Gironas berühmtestem Restaurant, dem Celler de Can Roca. Ich kaufe gleich ein Stück für zu Hause, bevor unsere Food Tour weiter geht.
Natürlich darf auch Fisch bei unserem Marktbummel nicht fehlen. An einem Stand mit getrocknetem Stockfisch machen wir Halt. In ganz Katalonien und auch in anderen Regionen hat man früher den Fisch haltbar gemacht, indem man ihn in Salz einlegte. Um ihn essen zu können, muss man ihn dann erst einmal wieder entsalzen. Das ist zwar relativ aufwendig, aber eben auch sehr lecker, darum gibt es den gesalzenen Bacalao noch heute, obwohl man mittlerweile ja andere Möglichkeit hat, Fisch zu konservieren.
Auf meinem Probierteller liegt neben dem Kabeljau noch eine Scheibe Brot mit Anxovis, die sind auch typisch für die katalanische Küche. Anchovis sind im Grunde genommen nichts anderes als in Öl eingelegte Sardellenfilets. Legt man die Sardellen jedoch in Essig statt in Olivenöl ein, nennt man sie Seitons (boquerones auf Spanisch).
Bei Susana lernen wir, wie man spanischen Schinken richtig schneidet. Das ist gar nicht so einfach, wie es aussieht! Man muss ein Gefühl dafür entwickeln, wie das Messer durch den Schinken gleitet, dann kann man es in wenigen Wochen zu einem professionellen Schinkenschneider bringen. Theoretisch jedenfalls. Auch wenn die besten iberischen Schinken nicht aus Katalonien, sondern aus Andalusien kommen, ist Jamón bzw. pernil auch in Girona nicht aus der traditionellen Küche wegzudenken.
Der berühmte Bellota-Schinken stammt von den schwarzen, iberischen Schweinen, die ausschließlich mit Eicheln ernährt wurden. Das ist sozusagen die Elite der Schinkenwelt. In Katalonien gibt es leider keinen Bellota-Schinken, weil einerseits das Klima zum natürlichen Trocknen der Schinken nicht ideal ist, zum anderen, weil hier nicht die richtigen Eicheln wachsen. Im Süden, in den klassischen Schinkenregionen, herrscht ein eher kontinentales Klima. Um Girona herum ist das Klima viel zu feucht und mediterran, um den Schinken richtig lufttrocknen zu können.
Wer sich mit Schinken auskennt, weiß, dass es feine Unterschiede zwischen dem jamón, dem Schinken der Hinterbeine und dem der Vorderbeine, paletilla genannt, gibt. Selbst wenn Vorder- und Hinterbeine vom selben Schwein stammen, kostet die Paletilla meist nur rund die Hälfte von dem, was der Schinken der Hinterbeine kostet. Und der wandert teilweise für mehrere Hundert Euro über den Ladentisch.
Eine kleine Besonderheit beim Thema Schinken gibt es in Katalonien aber dennoch. Während man im Süden Spaniens ausschließlich die Hinterbeine als Schinken auf speziellen Geräten schneidet, wird im Baskenland und in Katalonien der Paletilla die gleiche Achtung entgegengebracht.
Während wir so durch die Altstadt von Girona bummeln und hier und da stehen bleiben, erzählt Marc zwischendurch immer wieder Geschichten aus und über Girona. Woher die Plaça del vi ihren Namen hat, wieso ein Stadtplan von Paris hier versteckt ist oder an welchen Plätzen Szenen für die Serie Game of Thrones gedreht wurden.
Nach all den salzigen Delikatessen kommen aber auch süße Schleckermäuler bei unserem kulinarischen Spaziergang nicht zu kurz. In einem wunderschönen, modernistischen Café löffeln wir eine Tasse heiße Schokolade mit Melindros und in einer Bäckerei kosten wir eine süße Spezialität Gironas, ein Xuixu.
Das röhrenförmige Gebäckstück wird mit einer Puddingcreme gefüllt, in Olivenöl frittiert und anschließend mit Zucker bestreut. Angeblich ist das gironesische Xuixu (gesprochen ungefähr: tschuischu) nach dem Vorbild der französischen Choux à la crème entstanden. Außer im Namen vielleicht, kann ich da allerdings keine Ähnlichkeit zu den kleinen Windbeuteln aus Frankreich feststellen. Marcs Geschichte, wonach ein Bäcker aus Girona die Xuixus einst erfand, weil er den Namen seines zukünftigen Schwiegersohnes falsch verstanden hatte, finde ich da viel sympathischer. Angeblich soll der junge Mann, der sich in die Tochter des Bäckers verliebt hatte und um ihre Hand anhalten wollte, in einen Sack mit Mehl gefallen sein und musste fürchterlich niesen, als sein zukünftiger Schwiegervater ihn nach seinem Namen fragte. Der benannte prompt sein neu erfundenes Gebäckstück zu Ehren des junge Paares Xuixu.
Natürlich darf auf einer kulinarischen Tour durch Girona auch ein Besuch der berühmten Eisdiele Rocambolesc nicht fehlen. Dieser süße Ableger der Familie Roca, die mit ihren kulinarischen Künsten längst weit über die Grenzen Gironas hinaus bekannt sind, gehört wirklich zum Pflichtprogramm. Jedes Mal wenn ich in der Stadt bin, egal ob Sommer oder Winter, kehre ich hier ein und probiere eine neue Eiskreation aus. Heute gibt es Eis im warmen Brötchen!
Infos zur Girona Food Tour:
Das Beste heute war, neben dem guten Essen natürlich, dass ich so nette Leute wie Joan, David und Susana kennengelernt habe. Menschen, die gutes Essen lieben und wirklich mit ganzem Herzen hinter den Produkten stehen, die sie verkaufen.
Buchen kannst Du diese Food Tour hier:
Girona Food Tours
Carrer Mercaders 15
17004 Girona
Website: http://www.gironafoodtours.com/
Marc bietet seine Food Tour durch Girona in verschiedenen Sprachen, auch auf Deutsch an!
Zur Food Tour wurde ich eingeladen. Die hier dargestellten Ansichten beruhen ausschließlich auf meinen persönlichen Erlebnissen und geben allein meine private Meinung wieder.
Oooooh … das sind ja leckere Marktimpressionen wie ich sie liebe! Da könnte ich sofort los, um die kleinen „Schweinereien“ zu probieren …
haha genau so ist es richtig! Auf ins Vergnügen! das lob ich mir 🙂
Sehr lecker alle Esswaren am besten gefällt mir das Eis.
Aha! ein Schleckermäulchen also! 🙂 aber der Rest war auch köstlich!