UNTERWEGS IN FRANKREICH
Frankreich ist meine große Liebe. Wäre es nach mir gegangen, würde ich jetzt in einem kleinen Chalet, irgendwo in der Natur, mitten in diesem wunderbaren Land leben. Vermutlich eher im südlichen Teil. Im Garten würden meine Kinder und Enkelkinder fröhlich auf der Wiese toben, während ich in der großen Küche Marmelade koche. Oder so ähnlich.
Seit ich mit vierzehn Jahren zum ersten Mal nach Frankreich kam, liebe ich das Land und die Menschen. Ich weiß noch genau, wie aufgeregt ich war, als ich in Besançon allein aus dem Zug stieg, um von meiner Brieffreundin, damals gab es ja noch kein Internet und wir schrieben Briefe auf Papier, abgeholt zu werden. Was in ihren Briefen so nett und spannend geklungen hatte, war in Wirklichkeit ganz anders. Leider verstanden wir uns überhaupt nicht. Aber dafür waren ihre Eltern und ihre kleine Schwester sehr nett und lieb zu mir.
Besonders am Abend fühlte ich mich anfangs noch merkwürdig fremd in diesem Land. Es roch anders, das Licht war anders, und ich konnte kaum ein paar Brocken Französisch. Meine Sprachkenntnisse waren sehr rudimentär, doch ich bemühte mich und wollte so viel wie möglich lernen. Jedes neue Wort schrieb ich in ein kleines Vokabelheftchen. Schnell gewöhnte ich mich daran, dass die Autoschweinwerfer die Straßen am Abend in ein gelbes Licht tauchten. Ich mochte den anderen Duft der Städte und ich liebte das Essen. Eines Tages begleitete ich dann die kleine Schwester meiner Brieffreundin in ein benachbartes Dorf, wo ihr Cousin Fußball spielte. Weil ich wohl etwas verloren gewirkt haben muss, stellte man mich dort am Spielfeldrand einem anderen Mädchen vor, das angeblich gerade Deutsch lernte. Es war ein „coup de foudre“ wie die Franzosen sagen. So etwas wie Liebe auf den ersten Blick. Wir verstanden uns auf Anhieb und waren von da an unzertrennlich.
Obwohl seitdem echt viel Zeit vergangen ist und wir beide schon große Kinder haben, ist unser Kontakt bis heute nicht abgerissen. Noch immer sehen wir uns regelmäßig. Im Laufe der vielen Jahrzehnte, die wir mehr oder weniger gemeinsam durchlebt haben, sind wir so etwas wie Schwestern geworden.
Nachdem diese allererste, große Liebe zu Frankreich und den Franzosen in mir geweckt war, musste ich nach der Schule natürlich eine Zeit lang nach Paris gehen. Im Printemps, einem der Grands Magazins, habe ich ein Jahr lang Schallplatten verkauft. Es war eine sehr aufregende Zeit, in der ich eine ganz andere Stadt erlebt habe, als die, die Touristen normalerweise zu sehen kriegen. Für das wirkliche Paris braucht man einfach Zeit.
Wie das Leben so spielt, bin ich nach dem Studium dann aber doch nicht in Frankreich, sondern in Spanien gelandet. Nah dran, immerhin. Aber es zieht mich natürlich noch immer von Zeit zu Zeit auf die andere Seite der Pyrenäen. Die wilden, grünen Landschaften, die gepflegten kleinen Dörfchen, das gute Essen und einfach das Gefühl willkommen zu sein.